Protokoll der Sitzung vom 22.09.2004

Bei aller Diskussion über Nachträge sollten wir ein Dokument nicht vergessen: den Finanzplan 2004 bis 2008. Die Landesregierung hat allerdings noch keinen verteilt. Warum sollte sie auch! Für das Jahr 2004 wird eh nur der Haushaltsplan abgeschrieben und ab 2005 regiert hier jemand anderes.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen - auch die Kolleginnen und Kollegen von der Union -, wir sollten es genauso mit dem Nachtrag halten. Den für 2004 darf Rot-Grün gern noch schreiben, den für 2005 schreiben dann FDP und Union. Deswegen können wir uns den Antrag auf einen Nachtragshaushalt für 2005 getrost sparen. Wir werden ihn ablehnen. Ich denke, das ist die richtige Methode, hier ab 2005 anders zu regieren als die Art des Ministers Stegner, das Kieler Telefonbuch abschreiben zu lassen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seien wir ehrlich miteinander: Die regierungstragenden Fraktionen können gut verstehen, warum die CDU einen Nachtragshaushalt fordert. Die Opposition versteht mit Sicherheit genauso gut, warum wir diesen Antrag ablehnen. Ich freue mich, dass die FDP gemeinsam mit uns den Antrag der CDU ablehnen wird.

Die heutige Debatte ist aber ein guter Anlass, sich grundsätzlich mit den unterschiedlichen finanzpolitischen Konzepten zu beschäftigen. Das Konzept der Grünen ist klar und praxiserprobt: Wir reduzieren die Ausgaben des Landes kontinuierlich und nachhaltig, vom Weihnachtsgeld bis zum Urlaubsgeld, von gestrichenen Förderprogrammen bis zu prozentualen Kürzungen, von der Schließung von Ämtern bis zum Abbau von 2.000 Stellen in der Verwaltung. Mit diesen und anderen - auch schmerzlichen - Beschlüssen haben wir den Landeshaushalt nachhaltig entlastet.

Dennoch reichen die Einnahmen des Landes nicht aus, um sowohl die Zinslast als auch die laufenden Ausgaben zu zahlen. Deshalb unterstützen wir weitere geplante Strukturmaßnahmen, beispielsweise be

treffend die Finanzamtsstruktur- oder die Polizeistrukturreform. Deshalb entwickeln wir neue Vorschläge, beispielsweise unser Konzept zur Gebietsreform.

Die Opposition haben wir, wenn es um Veränderungen geht, meistens nicht an unserer Seite. Sie polemisiert gegen beinahe jeden Denkansatz. Beispiel Verkehrskasper. CDU und FDP haben erreicht, dass das Handpuppenspiel ein hoheitlicher Bereich bleibt. So viel zur Ehrlichkeit, wenn es darum geht, die Kernaufgaben des Staates zu benennen.

Aber es sind nicht nur die Ausgaben, die uns drücken. Die öffentliche Hand hat zunehmend auch ein Einnahmeproblem. Die CDU in Schleswig-Holstein verweigert sich dieser Feststellung. Aber ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass CDU-Politiker in anderen Bundesländern längst unsere Auffassung teilen.

In Hamburg hat Finanzsenator Peiner erst kürzlich erklärt, dass die Steuerquote bundesweit zu niedrig und damit für die Länder nicht auskömmlich ist. In Niedersachsen hat Ministerpräsident Wulff schlicht erklärt, dass er unter diesen Voraussetzungen bis 2008 keinen verfassungskonformen Haushalt aufstellen kann.

Deshalb setzt sich meine Fraktion nachdrücklich für Einnahmeverbesserungen ein. Es ist schon bezeichnend, Herr Wiegard, dass Sie das in Ihrer Rede mit keinem Wort erwähnt haben. Verlustverrechnungen für Unternehmen müssen weiter reduziert werden. Vermögen muss höher besteuert werden und der Subventionsabbau muss weitergehen. Sparen, Investitionen in Schwerpunktprojekte und eine Steigerung der Einnahmen, das sind die Perspektiven für den Landeshaushalt.

Hinzu kommen muss eine deutliche Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Die Umsetzung von Hartz IV ist dabei nur ein Baustein. Ich hoffe, dass Sie nach der verlorenen Wahl Hartz IV nun endlich auch verbal unterstützen. Wir brauchen außerdem eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten nach skandinavischem Modell.

Ich fordere die CDU erneut auf, ihrem Fraktionschef Kayenburg zu folgen, der bereits erkannt hat, dass diese skandinavische Reform zwingend notwendig und der richtige Weg auch für uns ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die CDU hat in der heutigen Debatte alle Erwartungen erfüllt und die Finanzpolitik des Landes heftig kritisiert. Aber welches Konzept hat die CDU selbst? Welche Versprechungen hat sie in den letzten Jahren

(Monika Heinold)

gemacht? Was findet sich davon im Wahlprogramm wieder? Welche Politik setzen CDU-regierte Bundesländer um?

Beispiel Weihnachts- und Urlaubsgeld für Beamte: Die CDU hat die von uns beschlossene Kürzung hart bekämpft. Im Wahlprogramm der CDU steht kryptisch:

„Deshalb bekennen wir uns zu weiteren Reformen des öffentlichen Dienstes in allen Bereichen, insbesondere im Bereich der Organisation, des Dienst- und Versorgungsrechts.“

Aha, die CDU findet also die bisherigen Kürzungen richtig und schließt weitere nicht aus. Ein Blick nach Niedersachsen zeigt: Hier plant die CDU Landesregierung, das Weihnachtsgeld für Beamte komplett zu streichen.

Beispiel Landesblindengeld: Vor zwei Jahren hat die CDU die von uns vorgenommene Kürzung um 10 % heftig kritisiert. Im Parteiprogramm wird - natürlich - keine Rücknahme der Kürzung erwähnt. Und der Praxistest? In Niedersachsen will die CDU das Landesblindengeld komplett streichen.

Beispiel Landwirtschaftskammer: Wir haben die Kammer reformiert und die institutionelle Förderung um ein Drittel gekürzt, natürlich gegen den lautstarken Protest der CDU. Im Wahlprogramm der CDU taucht das Wort Landwirtschaftskammer schlicht nicht auf. Auch hier will die CDU die von uns durchgefochtene Reform klammheimlich übernehmen. Alte Versprechungen sind vergessen.

(Zurufe von der CDU)

- Ich habe Ihr Wahlprogramm gelesen. Das war recht interessant.

Beispiel Familiengeld: Vor zwei Jahren hat die CDU großzügig ein Landeserziehungsgeld von monatlich 500 DM pro Kind verkündet. Dementsprechende Flyer werden noch immer munter verteilt, zuletzt auf dem Schleswig-Holstein-Tag in Flensburg. Im Wahlprogramm der CDU taucht nichts dazu auf. Wen wundert es! Weiß doch die CDU selbst, dass sie auch dieses Versprechen nicht bezahlen kann.

Vom Literaturfestival über die Abendrealschulen bis zum Haus der Geschichte Fehlanzeige im CDUProgramm. Warum mussten wir uns mit diesen Ihren Anträgen hier überhaupt beschäftigen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Großspurig versprochen und im Wahlprogramm nicht aufgenommen, das zeichnet die CDU in SchleswigHolstein aus.

Wie sagte doch der CDU-Spitzenkandidat, als er gefragt wurde, wieso die CDU die von ihr bekämpften Wasserabgaben nun doch nicht gleich abschaffen wolle? Er sagte:

„Wozu der eine oder andere in der Vergangenheit Ja oder Nein gesagt hat, ist mir herzlich egal.“

Welch eine schallende Ohrfeige für die Arbeit der CDU-Landtagsfraktion!

Der Mann von der Westküste hat alle alten Versprechungen einkassiert, verleibt sich die Reformerfolge der Landesregierung ein und kommt nun mit einem bunten Strauß neuer Forderungen.

Beispiel innere Sicherheit: Da wird doch tatsächlich die Wiederbelebung der Reiterstaffel gefordert. Die CDU ist noch nicht in der Realität angekommen. Alte Zöpfe müssen abgeschnitten und dürfen nicht wieder angenäht werden.

Die CDU will bei der Polizei punkten. Sie verspricht neue Einsatzhundertschaften, Neueinstellungen und verbindliche Beförderungen. In Hamburg zeigt sich dann die Realität einer CDU-geführten Landesregierung: Die Polizei demonstriert, weil Planstellen reduziert und die freie Heilvorsorge für Polizisten komplett gestrichen werden sollen.

Beispiel Kindertagesstätten: Die CDU spricht im Programm von „bedarfsgerechter Betreuung für alle“. Und der Praxistest? - CDU-Kommunalpolitiker kürzen die Gelder für Kindertagesstätten, CDU-Bürgermeister kämpfen für die Abschaffung von Standards und CDU-geführte Bundesländer wollen das Gesetz zum Aufbau einer flächendeckenden Versorgung mit Krippenplätzen im Bundesrat blockieren.

(Zuruf von der CDU: Sprechen Sie doch vom Haushalt!)

- Ja, das ist zum Haushalt. Alles betrifft den Haushalt. Sie fordern, fordern und fordern und anschließend stellen Sie sich hin und wollen die Neuverschuldung reduzieren. Und mir werfen Sie vor, ich redete nicht zum Haushalt.

Frau Abgeordnete Heinold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kayenburg?

Beispiel Bildung: In Hessen streicht die CDULandesregierung gerade 1.000 Lehrerstellen. In Schleswig-Holstein verspricht die CDU natürlich neue Lehrerstellen. Mehr Gefängnisplätze, neue Straßen, neue Flughäfen. Sogar der Transrapid lebt wieder auf, sogar Landesausgaben, die bisher von der CDU im Rahmen der Haushaltsdebatte regelmäßig zur Streichung vorgeschlagen wurden, wurden jetzt in den Wunschkatalog aufgenommen. Beispiel: Modellprojekte für generationsübergreifende Wohnformen. Von Ihnen wurde dazu immer ein Streichungsvorschlag eingebracht. Jetzt wird es wieder in Form eines Antrags gefordert.

Um nicht komplett unseriös zu wirken, taucht immer wieder der schöne Halbsatz auf: im Rahmen des finanzpolitisch Möglichen. Das heißt doch im Klartext: Keiner hat gerechnet, nichts ist durchfinanziert.

Wer in seinem Wahlprogramm schreibt, er wolle eine „ehrliche Eröffnungsbilanz“ machen, um dann die tatsächliche Finanzlage unseres Landes zu ermitteln, zeigt, dass er entweder die Finanzlage des Landes tatsächlich nicht kennt - das wäre blamabel - oder dass er nur so tut, als kennte er sie nicht.

Frau Kollegin, ich darf Sie bitten, zum Thema zu reden.

Ich rede zum Thema. Ich bitte Sie: Lesen Sie den Beitrag der CDU nach und lesen Sie nach, was die CDU zum Nachtrag und zum Haushalt gesagt hat, nämlich fast nichts. Ich beschäftige mich damit, ob die Opposition im Landtag ein seriöses Konzept für den Haushalt hat. Ich finde, das ist durchaus interessant, denn wir reden über den Nachtrag 2004 und 2005. Wir reden auch über den Nachtrag 2005. Das ist Ihr Antrag. Sie wollten, dass wir uns hier heute mit dem Haushalt 2005 beschäftigen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Das ist Ihr Antrag!

(Erneuter Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] - Weitere Zurufe von der CDU)

Wir haben natürlich ein Problem, wenn die CDU nicht weiß, was sie beantragt hat. Die CDU beantragt

einen Nachtragshaushalt für 2004 und 2005. Das heißt, wir reden über den Landeshaushalt 2005.

(Anhaltende Zurufe von der CDU)