In Schleswig-Holstein ist mit dem Kompetenznetz Meerestechnik das erste Kompetenznetz im Innovationsfeld maritime Technologien entstanden. Durch unsere Institute und Forschungseinrichtungen haben wir das entsprechende Know-how und werden nicht nur im Ostseeraum als Experten anerkannt. Diese Leistungsfähigkeit wurde gestern Abend deutlich und wird eindrucksvoll in der Ausstellung hier im Haus dargestellt.
Gerade im Ostseeraum gibt es - vor allem durch die neuen EU-Beitrittskandidaten und Russland - sehr große Potenziale für neue Kooperationen. Wie groß die Potenziale sind, zeigt schon ein Blick in die Vergangenheit der Hanse. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich der Wirtschaftsraum Ostsee auch in Zukunft zu einem Zugpferd der technologischen und ökonomischen Entwicklung in Europa entwickeln wird.
Ostseekooperation heißt für mich auch, zu gucken, was machen die Nachbarn gut, was sollte übernommen werden oder aber was läuft nicht so gut und welche Fehler sollten wir vermeiden. Die neue OECDStudie hat gezeigt, wir können sehr viel von unseren Nachbarn, zum Beispiel Finnland, lernen. Das hat auch die Debatte am Mittwoch hier im Haus gezeigt.
Die Ostseekooperation lebt von der praktischen Zusammenarbeit rund um die Ostsee. Die Landesregierung hat in den vergangen zehn Jahren erfolgreich ein gut funktionierendes Netzwerk von Partnerschaften im Ostseeraum aufgebaut und die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Dafür gilt unser besonderer Dank der Ministerpräsidentin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Meine Damen und Herren, die 60 Millionen Menschen, die rings um die Ostsee zu Hause sind, erleben in diesem Jahr eine neue Dimension ihrer Identität: Sie sind, bis auf Russland, Bürger der Europäischen Union und damit Mitglieder einer Völkerfamilie, wie es sie auf dem alten Kontinent noch nie gegeben hat. Die Europäische Union ist beispiellos in der Geschichte, es gibt keine Vorbilder. Das ist sicher auch der Grund, warum sich manche so schwer tun, die Gemeinschaft anzunehmen. Andere Auffassungen anzuhören, sie zu tolerieren und letztlich auch zu akzeptieren, bedeutet, ein Stück eigener staatlicher Souveränität abzugeben. Sich gegenseitig kennen und
schätzen lernen ist daher eine wichtige Grundlage, die auch die Landesregierung in ihrem Ostseebericht formuliert hat.
Aber wir werden die Zukunft verlieren, wenn wir nicht die nachwachsende Generation in diesen Prozess einbeziehen. Wir beklagen - leider oft zu Recht - das gesellschaftliche Desinteresse von jungen Menschen und die Fokussierung auf die persönlichen Interessen. Dass es auch anders sein kann, beweist die Aktion „Schüler Helfen Leben“. Wenn wir aber fordern, dass die jungen Menschen rund um die Ostsee miteinander in Kontakt kommen sollen, dann müssen dieser Forderung auch Taten folgen. Der SchleswigHolsteinische Landtag ist sich darin einig, dass die Ostseejugendstiftung dazu ein geeignetes Instrument ist.
Junge Menschen finden es immer spannend und aufregend, mit Jugendlichen aus anderen Ländern zusammenzukommen, Erfahrungen auszutauschen und festzustellen, dass eine Menge von gemeinsamen Interessen vorhanden ist, aber auch zu erfahren, dass es andere Traditionen und Gewohnheiten gibt. Dies führt dazu, dass man einander vertraut, denn nur das Unbekannte schürt Misstrauen und Ängste.
Am Anfang dieser Woche haben einige von uns mit unseren Freunden aus Mecklenburg-Vorpommern, den Wojewodschaften Pommern und Westpommern eine Resolution verabschiedet, die uns verpflichtet, Struktur-, Tourismus- und Jugendpolitik für diese vier Regionen an der Ostssee so zu organisieren, dass wir alle einen Mehrwert davon haben. Wir haben drei Tage gemeinsam gearbeitet, Erfahrungen ausgetauscht, aber auch gefeiert. Das Spannende daran war, wir Politiker waren nicht unter uns, sondern wurden begleitet von Jugendlichen aus allen vier Regionen. Dies waren drei Tage gelebte Ostseepolitik.
Die Akzeptanz, die Nachbarn in ihrem Anderssein anzunehmen und sie zu tolerieren, ist ein Grundpfeiler für das friedliche Zusammenleben von Völkern. Je mehr ich über meinen Nachbarn weiß, desto einfacher ist es, mit ihm zu arbeiten, Probleme gemeinsam zu lösen und gemeinsame Entwicklungschancen zu erkennen.
Was wir über die genannten Ziele und Kooperationen hinaus brauchen, was wir uns wünschen sollten, ist die Ostsee als Region der Gerechtigkeit. Ich meine damit nicht so sehr die Rechtsgrundlagen im Sinne der Rechtsprechung, sondern vielmehr Regelungen für soziale Gerechtigkeit, für wirtschaftliche Gerechtigkeit und für demokratische Gerechtigkeit. Letztere
ist, was die formalen Voraussetzungen betrifft, durch freie Wahlen weitestgehend erfüllt. Aber mir geht es um den demokratischen Umgang zum Beispiel mit Minderheiten. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Kieler Erklärung, die genau heute vor 25 Jahren unterzeichnet wurde. Aber mir geht es um die Beteiligungsmöglichkeit aller Volksgruppen und Schichten und um Transparenz von Entscheidungen.
Die soziale Gerechtigkeit wird am schwersten zu erringen sein. Wenn aber ein friedliches Miteinander langfristig von Dauer sein soll, dann darf kein zu großes Gefälle zwischen den Staaten herrschen und auch innerhalb der Staaten nicht zwischen den Generationen. Nur wenn die Europäische Union mit all ihren Einrichtungen von den Menschen als gerecht empfunden wird und sie sich sicher fühlen, wird es ein zukunftsfähiges Europa geben.
Ich freue mich, dass die Landesregierung und wir Parlamentarier in Sachen Ostseekooperation durch neue Ideen und Aktivitäten der Motor im Ostseeraum sind.
Der Bericht gibt eine Menge von Anregungen und Diskussionsstoff. Es ist nicht nur eine Diskussion, die die Europapolitiker der Fraktionen führen sollten. Alle Mitglieder dieses hohen Hauses sind aufgefordert mitzumachen und sich auch einzumischen. Darum bitte ich. Das belebt die Diskussion und bringt die Sache voran.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Ostseeregion unterliegt mit dem Beitritt der neuen Anrainerstaaten zur Europäischen Union nicht nur einem ständigen Wandel, sondern auch immer neuen Herausforderungen. Mit der Erweiterung der EU haben der Ostseeraum und darüber hinaus die nördlichen Länder in Europa einen wesentlich größeren Stellenwert erhalten. Deutschland hat seine EUAußengrenzen verloren. Die Ostsee hat sich nahezu zu einem EU-Binnenmeer entwickelt.
Der von der Landesregierung vorgelegte Ostseebericht stellt dann auch zutreffend fest, dass sich Schleswig-Holstein stärker zur Drehscheibe für den nördlichen Teil Europas entwickelt. Die zunehmenden Handelsströme und Herausforderungen sind Chancen zugleich. Denn die neuen Landverbindungen nach Skandinavien geben Schleswig-Holstein eine Brückenfunktion zu Nordeuropa. Das Wachstum des Binnenhandels in der Europäischen Union ist ein weiterer Beitrag, die Stellung Schleswig-Holsteins zu stärken.
Die immer intensiveren Beziehungen zu den Ostseeanrainerstaaten neben den neuen Beitrittsländern Polen und den baltischen Staaten auch zu Russland steigern die Bedeutung des Landes als Schnittstelle des Austausches zwischen dem Ostseeraum und der übrigen Welt.
Die Herausforderungen liegen darin, die entstehenden Belastungen angemessen zu verarbeiten. Die Chancen liegen darin, die Handelsströme stärker an SchleswigHolstein zu binden und so für das Land zu nutzen. So kann Schleswig-Holstein zum Dienstleister des Nordens werden, wenn wir so konkrete Projekte wie den Ausbau unserer Verkehrsachsen und den Ausbau des Landes als Begegnungs- und Wissenschaftsstandort vorantreiben.
Erste wichtige Schritte sind getan. Das ist anzuerkennen. Allerdings sind es noch sehr kleine Schritte. Wir dürfen hierbei nicht unser Ziel aus den Augen verlieren: Schleswig-Holstein als Scharnier für den Norden und den Osten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir lediglich zu einem Transitland für unsere Nachbarn werden, die mit Schleswig-Holstein nur deshalb in Berührung kommen, weil sie den gesamten südlichen Teil der Europäischen Union erreichen wollen. Hier müssen wir uns einschalten. Hier muss sich Schleswig-Holstein selber aktiv in die Entwicklung des Ostseeraums einbinden, sodass wir alle davon profitieren.
Meine Damen, meine Herren, leider steht sich gerade beim Ausbau der Verkehrsachsen die Landesregierung zu oft selber im Weg, sei es beim Ausbau von Autobahnen oder beim Bau einer festen FehmarnbeltQuerung. Die grünen Koalitionspartner organisieren, manchmal unterstützt von einem sozialdemokratischen Regionalfürsten, auf Landes- wie auf Bundes
ebene den Widerstand gegen jede Möglichkeit, Schleswig-Holstein auch ökonomisch weiterzubringen. Es ist der erste richtige Schritt, dass die Fehmarnbelt-Querung und der Nord-Ostsee-Kanal in die Neufassung der Transeuropäischen Netze des Verkehrs aufgenommen worden sind.
Kontraproduktiv ist es dabei, wenn der Ausbau der Fehmarnbelt-Querung durch Ausweisung von Schutzgebieten nachhaltig erschwert und der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals immer weiter auf die lange Bank geschoben wird.
Meine Damen und Herren, wovon alle Ostseeanrainer profitieren, ist die Nutzung der Ostsee selber. Bei der Förderung einer nachhaltigen und umweltverträglichen Entwicklung im Ostseeraum besteht allerdings weiterhin noch Nachbesserungsbedarf. In den nächsten zehn Jahren wird sich der Schiffsverkehr auf der Ostsee nach Expertenmeinung verdoppeln bis verdreifachen. Kein Wunder, dass die Furcht vor Havarien und damit möglichen Ölkatastrophen in den Anrainerstaaten wächst. Das labile Ökosystem Ostsee ist zudem aufgrund der starken Nährstoffeinträge ohnehin von Gefahr bedroht.
Wenn aber - wie kürzlich im norwegischen Bergen - Vertreter der Ostseestaaten zusammentreffen, wird schnell deutlich, dass der Schutz des Mare Balticum spätestens beim Geld aufhört. So verhinderte das Veto der russischen Delegation, dass sowohl die Ausweisung der Ostsee als ein besonders empfindliches Meeresgebiet als auch die dringend erforderliche Lotsenpflicht Eingang in die Abschlusserklärung der 13. Ostseeparlamentarierkonferenz fand. Dies wurde auch durch die schleswig-holsteinische Delegation mit einer Verlautbarung des Landtagspräsidenten Arens kritisiert.
Hier zeigt sich, dass diese Themen neben dem dringenden Thema der Schiffssicherheit bei einem Dissens mit dem Nicht-EU-Mitglied Russland schnell zu einer Pattsituation führen können. Spätestens an dieser Stelle zeigt sich, dass die von der Landesregierung richtigerweise angestrebten strategischen Allianzen und Partnerschaften ihre Grenzen finden.
Dass die Ostseeparlamentarierkonferenz längst nicht nur ein Debattierklub ist und auch im Bereich der Schiffssicherheit die Parlamentarier mehr erreicht haben als etwa der Ostseerat, haben wir ebenfalls dem
Unermüdlich hat er sich für eine bessere Zusammenarbeit mit den Ostseeanrainerstaaten eingesetzt. Aber auch Sie, Herr Arens, werden mir beipflichten, dass die Kooperation im Ostseeraum eine Politik der kleinen Schritte ist und sicher auch noch bleiben wird.
Umso wichtiger ist, dass hier der Fokus der Außenpolitik liegt - das ist unsere Sicht -, weil damit künftig neue handlungsfähige Strukturen und mehr Verbindlichkeit geschaffen sind. Derzeit hat man leider den Eindruck, dass der außenpolitische Aufmerksamkeitswert der Arbeit der Ostseeparlamentarier nicht der Mittelpunkt der rot-grünen Bundesregierung ist.
Wenn Ostseepolitik für uns eine aktive Politik zur Vertiefung der Integration in dieser Region bedeutet, wie unsere Ministerpräsidentin anlässlich der Eröffnung des Historikertages am 14. September 2004 verkündete, dann muss an diesem Punkt nicht nur von Schleswig-Holstein ein Signal ausgehen, sondern muss insbesondere die Bundesrepublik ihr Engagement verstärken. Hier besteht, nachdem sich Deutschland während seiner Präsidentschaft im Ostseerat schon nicht durch rühmliche Taten hervorgetan hat, die Chance, diese Scharte wieder auszuwetzen und sich stärker denn je für die Belange im Ostseeraum einzusetzen.
Stärker als bisher wird die Ostseeregion ihre Zusammenarbeit in den Feldern entwickeln müssen, die bislang entweder einzelstaatlichem Handeln oder Entscheidungen auf EU-Ebene überlassen waren.