Protokoll der Sitzung vom 24.09.2004

Der Historikertag in Kiel hat deutlich gemacht, dass das Denken in Räumen aktuell ist. Der Raum trägt und gliedert Wirtschaftsverbindungen ebenso wie politische, soziale und kulturelle Kontakte. Deswegen schlagen wir eine stärkere Zusammenarbeit mit benachbarten Regionen, dem Nordseeraum oder der Barentsseeregion, vor. Es gilt, nicht nur die Ostseekooperation zu stärken, sondern die Position des Nordens im erweiterten Europa zu stärken und unsere Stimme gemeinsam mit einzubringen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer unseren Ostseebericht aufmerksam liest, dem wird deutlich geworden sein: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir nehmen immer mehr Menschen mit. Wir haben zwar noch eine lange gemeinsame Wegstrecke vor uns, aber auch diese werden wir bewältigen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der Tribüne möchte ich noch jemanden persönlich begrüßen, der an der Minderheitenarbeit aktiv teilnimmt, und zwar den Vorsitzenden des Vereins Nordfriisk Instituut, Thede Boysen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nach dem Bericht der Regierung hat nun zunächst die Opposition das Wort. - Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Ritzek das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man persönlich an der Ostseeparlamentarierkonferenz teilnimmt, stellt sich das Bild über Erfolg oder Nichterfolg, über Ergebnisse oder Nichtergebnisse sicherlich anders dar, als wenn man nur Zuschauer in der Ferne ist, wie ich es dieses Mal war.

Dann beschafft man sich Material über diese Konferenz, spricht mit Teilnehmern und sucht nach Pressemitteilungen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Herr Landtagspräsident, Sie haben hier versucht, erstaunlich viel Positives aus dieser Ostseeparlamentarierkonferenz vorzutragen. Aber meiner Meinung nach kann nicht jede Konferenz derselben Organisation - in diesem Fall die Ostseeparlamentarierkonferenz - gleich erfolgreich sein. Diese 13. Ostseeparlamentarierkonferenz in Bergen - dies bezieht sich auf das, was ich analysieren konnte - war sicherlich eine der am wenigsten erfolgreichen, was konkrete Ergebnisse betrifft.

Unser in der letzten Landtagsdebatte gemeinsam formulierter Antrag an die Ostseeparlamentarierkonferenz zur Ernennung eines Beauftragten für demokratische Fragen und Minderheiten verschwand chancenlos im Papierkorb der Ostseeparlamentarierkonferenz. Das bedauern wir.

Bedenklicher ist schon, dass Jörgen Kosmo, Präsident des Norwegischen Storting, in seiner Ansprache zum Auftakt der Ostseeparlamentarierkonferenz sagt, dass mit der jüngsten EU-Erweiterung die Ostsee zwar zum Binnenmeer geworden sei, es aber bisher keine Anzeichen dafür gebe, dass sich das politische Gravitationszentrum der Europäischen-Union nach Norden verlagert habe. Dies gelte trotz aller Aktivitäten - auch unserer.

Er macht aber Mut. Er sagt in seiner Rede, dass eine parlamentarische Partnerschaft in Nordeuropa notwendig sei, um als politische Triebfeder gegenüber den Regierungen im Ostseeraum und gegenüber der Europäischen Union aufzutreten.

Es gibt eine solche Triebfeder, nämlich das Parlamentsforum Südliche Ostsee mit den Landtagen aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie der Sejmiks der Wojewodschaften Pommern und Westpommern.

Wir hatten Anfang dieser Woche das zweite Forum in Westpommern; ich meine, es war eine sehr erfolgreiche Veranstaltung und wir werden in der nächsten Debatte ausgiebig darüber sprechen.

„Wo die Ostseewellen trecken“ lautet ein schöner Titel in der letzten Parlamentszeitschrift über die Ostseeparlamentarierkonferenz. Aber das ist nach 13 Jahren Ostseeparlamentarierkonferenz zu wenig. Müssen wir uns als Parlamentarier nicht intensiver - und zwar ergebnisorientierter - um die auch in der letzten Konferenz genannten wichtigen Themen kümmern? - Die Abschlussresolution der Ostseeparlamentarierkonferenz bleibt jedenfalls im Unklaren.

Ist es wirklich eine wichtige Aussage der Resolution - ich zitiere -, „dass man überzeugt ist, dass sich die Parlamente gemeinsam auf Ostseefragen konzentrieren müssen“ oder „dass Regierungen und Parlamentarier die Erfahrungen der NGO anerkennen und nutzen sollen“?

Wenn Maßnahmen zum Schutz der Ostsee, zur Minderung der Belastung der Meeresumwelt, zur Verbesserung des Gesundheitsstandards von den Regierungen der Ostseeregion gefordert werden, so ist das richtig. Nur: Wie geht es weiter? Was wird aus der Resolution, wer packt Maßnahmen an, wer konkretisiert Defizite, wer konkretisiert Fortschritte?

Die Bedeutung der Parlamente in der Ostseepolitik muss gestärkt werden, damit konkrete internationale Arbeit geleistet werden kann. Sie, Herr Landtagspräsident, haben von einem Workshop gesprochen, der Ende November in Sankelmark durchgeführt werden soll. Bisher ist mir davon nichts bekannt gewesen.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Sie nahmen ja auch nicht an der Konferenz teil!)

- Wie bitte? Soviel ich weiß, ist die Einladung bereits vor zwei oder drei Wochen herausgeschickt worden. Wir vom Europaausschuss - jedenfalls ich - haben sie nicht bekommen.

Diese Baltic Sea Parliamentary Conference lässt viele Fragen offen. Hoffentlich gelingt es der nächsten Konferenz in Vilnius, auch mal auf Ergebnisse zu verweisen. Das wäre mein Wunsch, das würde die Bedeutung der Ostseeparlamentarierkonferenz deutlich erhöhen.

Nun zum Ostseebericht. Frau Ministerpräsidentin, ich muss ja auf das eingehen, was ich dem Ostseebericht entnehmen konnte. Da ich nicht an der Konferenz teilnahm, kann ich die Zusammenhänge nicht so vortragen, wie Sie es taten. Ihre Ausführungen fand ich übrigens gut.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in dieser gesamten Legislaturperiode den Ostseebericht 2000, 2002 und 2004 erhalten. Das

(Manfred Ritzek)

Volumen dieser Berichte ist ständig gestiegen - sicherlich zu Recht, weil die Anliegen vielfältiger und die Anzahl der Mitglieder größer geworden ist.

Doch wer kann bei der unglaublichen Vielzahl der genannten Aktivitäten überhaupt die Effektivität und Effizienz, also die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Regierungsmaßnahmen beurteilen? - Wenn überhaupt, dann ist das nur in Teilbereichen für unmittelbar Verantwortliche und Betroffene möglich. - Wir werden mit diesem Bericht inhaltlich überschwemmt, ohne Beurteilungsmöglichkeiten zu haben.

Angesichts so vieler Aktivitäten - wie schon im Bericht 2000 beschrieben - müsste doch eine erkennbare, ja spürbare Kompetenz unseres Landes für alle in der Ostseeregion, hier im hohen Haus und auch in unserem Land deutlich werden. Die Veranstaltung gestern war sicherlich beeindruckend und solche Signale müssen wir weiter nach draußen geben. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Auf den ganzen Bericht kann ich nicht eingehen. Ich will nicht verkennen, dass seine Erstellung erneut eine Fleißarbeit war. Neue Entwicklungen wurden aufgezeigt. Aber wo sind die wirklich erkennbaren Kernkompetenzen und deren Umsetzung in diesem Bericht, die uns gegenüber anderen Anrainerstaaten der Ostsee auszeichnen?

Einige kurze Anmerkungen zu konkreten Beschreibungen und zu einigen Auffälligkeiten seien erlaubt. - Im Bericht 2002 wurde auf die 1997 vereinbarte Zusammenarbeit der Energieminister des Ostseerates mit der Einrichtung eines eigenen BASRECSekretariats - Baltic Sea Region Energy Corporation - in Stockholm hingewiesen. Im Bericht 2004 steht, dass sich die Energieminister in Vilnius im November 2002 auf Empfehlungen zum Aufbau integrierter Strom- und Gasversorgungsmärkte, zur effizienten Energieversorgung und zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowie zur regionalen Umsetzung des Kyoto-Protokolls verständigt hätten. Leider sagt der Bericht nichts über die Ergebnisse aus. Gibt es welche? - Wenn es welche gibt, sollten wir darüber informiert werden.

Im Bericht 2002 wurde darauf verwiesen, dass sich auf schwedische Initiative hin die Zusammenarbeit zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung von Kindern entwickelt habe. Im Bericht 2004 wird darauf nicht mehr hingewiesen, wie es zum Beispiel bei der Bekämpfung von verbreitbaren Krankheiten oder Drogenkriminalität durchaus geschah. Gibt es diese Initiative noch?

Die Rolle des gemeinsam von Schleswig-Holstein und Hamburg getragenen Hanse-Office wird im Bericht als „Focus für regionale Ostseeinteressen in Brüssel“ genannt. Ich empfehle dringend, den „Focus“ inhaltlich anzureichern und die Zusammenarbeit des Hanse-Office mit der deutsch-dänischen Grenzregion, das heißt mit dem Bund deutscher Nordschleswiger und mit der dänischen Minderheit, aufzunehmen. Hier klafft eine Lücke, gehören sie doch zu den Subregionen des Ostseeraumes.

Die Reisen der Regierungsmitglieder werden in den Berichten immer detailliert aufgezählt. Es fällt auf, dass die Anzahl der Reisen der Ministerpräsidentin in den Ostseeraum im Berichtzeitraum mit sechs Reisen um zwei niedriger ist als im vorigen Berichtsraum

(Zurufe von der SPD: Skandal! - Heiterkeit bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dass in dem Zeitraum 2003/2004 keine Reise der Ministerpräsidentin nach Kaliningrad erfolgte. Das hat allerdings der Wirtschaftsminister für sie getan. Das reicht dann wohl aus. Denn anders ist das nicht zu erklären.

(Günter Neugebauer [SPD]: Wo bleibt die Rücktrittsforderung? - Heiterkeit bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch bin ich der Meinung, dass es anlässlich des 200. Todestages von Immanuel Kant im Jahr 2004 Raum und Zeit hätte geben müssen, dass unsere Regierung oder unser Parlament diesen Todestag für eine der bedeutendsten Persönlichkeiten von Königsberg würdig hätte begehen müssen. Was denn sonst bedeutet die Partnerschaft? - „Der Mensch ist Gestalter und Erfinder“, so Kant. Hier galt das leider nicht.

Im Rahmen des PHARE-Programms erfahren wir, dass Projekte im Justizbereich - so mit Estland im Drogen-, im Agrar- und Fischereibereich - erfolgreich abgeschlossen wurden. Das ist erfreulich, jedoch wäre eine Kurzbeschreibung des erfolgreichen Projektabschlusses ganz interessant.

Es gibt unzweifelhaft positive Entwicklungen - besonders im grenzüberschreitenden Bildungsbereich und im Gesundheitsbereich -, auf die hingewiesen wurde. Ich empfehle, dies nachzulesen.

Der Bericht ist als Nachschlagewerk wichtig. Er muss meiner Meinung nach aber unsere Kompetenzen erkennbarer herausstellen, um die Ostseepolitik unseres Landes als führende Ostseepolitik darzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Rodust.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Manfred Ritzek, es ist schade, dass du immer nicht das große Ganze sehen kannst, sondern dich immer im Kleinklein verstrickst. Es tut mir wirklich ein bisschen leid, das hat dieser Bericht nicht verdient.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ostseezusammenarbeit ist für uns nie als alleiniges Aktionsfeld der Regierungen der Anrainerstaaten denkbar gewesen. Es kommt Heinz-Werner Arens das große Verdienst zu, über unser Land hinaus das Selbstbewusstsein der Ostseeparlamentarier als unverzichtbare und eigenständige Kraft in der Fortentwicklung der Ostseezusammenarbeit gestärkt zu haben. Er hat das Projekt der Parlamentarischen Dimension, eigener parlamentarischer Gestaltung der Großregion Ostsee, vorangebracht. Dafür schulden wir ihm Dank.

Diese Rolle der Parlamente ist nicht in allen zugehörigen Staaten selbstverständlich. Das war auch in Bergen spürbar. Schade ist aus meiner Sicht, dass es nicht gelungen ist, weitergehende Vorstellungen zur Verstetigung der Arbeit der Ostseeparlamentarierkonferenz zu verankern. Das bleibt zwingend notwendig und muss nun vom Standing Committee zur Zusammenkunft im nächsten Jahr versucht werden.

Gleichwohl bleibt es wichtig, bestimmte Themen auch jetzt schon auf die Tagesordnung zu setzen und gemeinsam zu diskutieren, auch wenn nicht immer und nicht gleich eine gemeinsame Position daraus erwächst. Das gilt für die Einsetzung eines Beauftragten für Minderheiten und die demokratische Entwicklung.

Das gilt auch für das Thema „Zukunft Meer“, eine Initiative der Ministerpräsidentin. Vielen Dank dafür! Wir haben damit ein zukunftsfähiges Beispiel für nachhaltige Politik. Schleswig-Holstein als Ganzes hat schon aufgrund seiner Geografie ein besonders enges Verhältnis zu den Meeren, zu Flüssen und Seen. Daher ist es kein Wunder, dass sich in Schleswig-Holstein auch eine sehr starke maritime Wirtschaft entwickelt hat. Dies betrifft zum einen den traditionell starken Bereich des Schiffbaus und der Zulieferindustrie. Zum anderen wächst unsere maritime Wirtschaft durch neue Technologien.

In Schleswig-Holstein ist mit dem Kompetenznetz Meerestechnik das erste Kompetenznetz im Innovationsfeld maritime Technologien entstanden. Durch unsere Institute und Forschungseinrichtungen haben wir das entsprechende Know-how und werden nicht nur im Ostseeraum als Experten anerkannt. Diese Leistungsfähigkeit wurde gestern Abend deutlich und wird eindrucksvoll in der Ausstellung hier im Haus dargestellt.