Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die Steuerschätzer bestätigten letzte Woche im Großen und Ganzen die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung. Das bedeutet zum einen, dass wir in diesem Jahr - anders, als von Ihnen immer wieder behauptet - keinen Nachbesserungsbedarf haben, und zum anderen, dass wir für 2005, wie von mir bei der Einbringung des Haushalts gesagt, vor enormen Herausforderungen stehen.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Das ist nicht komisch, Herr Abgeordneter!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie sind komisch, Herr Minister!)

2004 wird das Land Schleswig-Holstein mit 5,9 Millionen € weniger auskommen müssen, als wir veranschlagt haben. Das werden wir in diesem Jahr ausgleichen können.

2005 wird die Situation nach gegenwärtigem Sachstand um vieles schwieriger sein. Zwar steigen die reinen Steuereinnahmen, wenn man aber die Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt, dann sinken sie de facto. Der Doppelhaushalt 2004 ist geprägt von vorsichtigen Einschätzungen, die dieses Jahr betreffen, und von optimistischen Einschätzungen für 2005. Das habe ich Ihnen vor etwa einem Jahr zu später Stunde dargestellt.

Der Optimismus gründete sich auf drei Annahmen: Zum einen hatten wir ein höheres Wirtschaftswachstum und vor allem eine höhere Beschäftigung erwartet, zum anderen haben wir mit einem stärkeren Erfolg beim Subventionsabbau gerechnet. Warum das nicht klappt, haben Sie eben eindrucksvoll dokumentiert. Weiterhin haben wir auf eine parteiübergreifende Einsicht gehofft, über sinnvolle Steuerrechtsänderungen bei der Gewerbesteuer, bei der Erbschaftsteuer und in anderen Bereichen die Einnahmen der Länder und Kommunen und der öffentlichen Hand zu stärken. Ich möchte deutlich sagen: Die erfreulichen Zuwächse für die Gemeinden gehen darauf zurück, dass wir uns massiv dafür eingesetzt und im Bundesrat diese Verbesserungen erreicht haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Und für die Steuer- ausfälle!)

Ganz im Gegensatz zu Ihnen, denn Sie wollen die Gewerbesteuer abschaffen!

Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat im letzten Jahr keinen Wunschtraum verabschiedet und sich dann in der Hoffnung in die Ecke gesetzt, es werde schon gut gehen. Wir haben unter anderem ein Steuerkonzept vorgelegt, das Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen kann. Wir werben für seine Umsetzung. Wir haben mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm und dem Ausbildungspakt Impulse für Wachstum und Beschäftigung setzen können. Zumindest auf dem Ausbildungsmarkt zeigen sich deutliche Früchte. Die Macht des Staates ist aber begrenzt. Gerade die FDP müsste das eigentlich begreifen können, auch wenn ihre Pressemitteilungen eine andere Sprache sprechen.

Wir haben für einen deutlichen und schnellen Subventionsabbau gekämpft. Leider haben wir im Bun

(Minister Dr. Ralf Stegner)

desrat dafür keine Mehrheiten bekommen. Dies ist ein weiterer Grund dafür, warum wir für Mehrheiten kämpfen müssen, denn das muss sich ändern, weil Sie bei solchen Dingen nie mitmachen.

Ich habe die Union im letzten Jahr aufgefordert, sich ihrer Verantwortung zu stellen und im Bundesrat konstruktiv mitzuarbeiten. Bei Ihnen ist es aber so, dass Sie sich einerseits verweigern, danach die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts behaupten, gleichzeitig aber eine Klage einreichen, in der Sie das wieder bezweifeln. Was der Herr Oppositionsführer morgens sagt, gilt mittags schon nicht mehr. Man kann hier mit Ihnen nicht rechnen.

Natürlich sind wir nicht allein. Das reiche BadenWürttemberg hat seine Zinseinnahmen aus der Landesbank bis 2017 verkauft, um kurzfristig liquide zu sein. Hessen hat - das kommt mir irgendwie bekannt vor - seine Ministerien verkauft und zahlt künftig Miete. Ich kann mich an Ihre Kommentare zu diesem Thema erinnern. Insgesamt planen fünf Länder mehr neue Schulden als Investitionen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was machen Sie in Schleswig-Holstein?)

Hans Eichel hofft auf mehr Kooperation. Zumindest in Hamburg und im Saarland gibt es erste Anzeichen dafür. Den Vorschlag zum 3. Oktober fand ich auch falsch, aber alles andere hat er natürlich deshalb vorgeschlagen, weil er auf Ihre Unterstützung im Bundesrat nicht rechnen kann. Daher muss er Dinge vorschlagen, die allein durchgesetzt werden können.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Warum machen Sie das nicht?)

Ich bin sicher, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts - -

(Unruhe)

- Seien Sie doch einmal ruhig und hören Sie sich das in Ruhe an. Das werden Sie noch ertragen können. Sie werden sich das die nächsten fünf Jahre anhören müssen, also üben Sie ein bisschen dafür und seien Sie nicht so verzagt!

Ich glaube, dass die verbesserte Finanzlage der Kommunen, Harz IV und die letzte Stufe der Steuerreform zu Motoren einer stärkeren Binnennachfrage werden können und so Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung gesetzt werden. Insofern ist es richtig, dass wir sagen, wir wollen das, was jetzt möglich ist, tun. Ansonsten aber werden wir die kommenden Vermittlungsverfahren, die ersten konkreten Ergebnisse der größten Sozialreform in der Bundesrepublik und nicht zuletzt die Mai-Steuer

schätzung einarbeiten, um zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Konsequenzen in einen Nachtragshaushalt zu gießen. Herr Wiegard, dass Sie den übrigens jetzt schon wieder fordern, zeigt, dass Sie aus der letzten Landtagstagung nichts darüber gelernt haben, wie das öffentlich ankommt. Es wird nämlich nur als Ihre Sicherheit gewertet, dass Sie die Wahl verlieren werden. Das ist das Einzige was ankommt, wenn Sie solche Anträge stellen.

Wir haben dann die Basis, um im nächsten Jahr zu entscheiden, wie sich die Elemente des notwendigen Dreiklangs aus Konsolidierung, das heißt Bürokratieabbau, Förderprogrammen und Personalkostensenkung, Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung sowie Strukturreformen am Arbeitsmarkt, in den Sozialsystemen und bei den Steuern zueinander verhalten, damit wir zu einem tragfähigen und ausgeglichenen Haushalt kommen können. Vermutlich werden wir diese schwierige Aufgabe wieder ohne Ihr konstruktives Zutun erledigen müssen, obwohl es bei Friedrich Schiller heißt: „Doch der Mensch hofft immer auf Verbesserungen.“

Wäre es nicht grandios, wenn die nachfolgenden Oppositionsredner einmal zur Überraschung von uns allen statt mit Regierungsbeschimpfung und haltlosen Versprechungen mit seriösen Vorschlägen aufwarten würden?

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, wir haben eine Redezeit vereinbart. Die ist vorbei.

Das war mein letztes Wort, Herr Präsident!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Regierung für den Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Wiegard das Wort.

Jetzt wollen Sie den Subventionsabbau fordern?)

Nein, es wird nicht gelingen, mich aus der Ruhe zu bringen, obwohl der Herr Finanzminister dazu hin und wieder schon ein wenig Anlass gibt. Ich bin über

(Rainer Wiegard)

die Entscheidung von heute Morgen, die soeben von der Mehrheit der Regierungsfraktionen getroffen wurde, sehr erstaunt. Sie haben den Antrag abgelehnt,

„über das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung zu berichten sowie den aktuellen Stand des Haushaltsvollzuges für das Jahr 2004 und die Konsequenzen, die die Landesregierung daraus ziehen will, vorzulegen.“

Das ist abgelehnt worden!

Seit Juni gibt es überhaupt keine Haushaltszahlen mehr. Es gibt nichts mehr! Man kann fragen, was man will, man bekommt keine Antwort. Es gibt keinen Bericht mehr über die Steuereinnahmen der ersten drei Quartale. Es gibt keinen Bericht mehr über den Haushaltsvollzug, der üblicherweise nach der Sommerpause Monat für Monat in vollständiger Darstellung erfolgt. Nein, das Parlament wird hier für dumm verkauft und die Öffentlichkeit gleich mit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Ergebnis der Steuerschätzung erschreckt mich - wie vermutlich die meisten hier im Hause - weniger als die Reaktion der Landesregierung. Das Ergebnis der Steuerschätzung ist im Prinzip bekannt, seit dieser Haushalt aufgestellt wurde. Dass der Herr Finanzminister von einer Punktlandung für das Jahr 2004 spricht und dass Frau Heinold das - freundlich gesagt - so unterstützt, dass die Einnahmen gedeckt und die Ausgaben richtig kalkuliert seien, ist beachtenswert.

Der Haushalt 2004 sieht eine Nettokreditaufnahme von 740 Millionen € vor. Das ist verfassungswidrig. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist der Vermögensverzehr von über 365 Millionen €. Das sind 1,1 Milliarden € operativer Fehlbetrag. Herr Minister, hier sprechen Sie von Punktlandung. Sie sprechen davon, dass die Einnahmen gedeckt seinen und die Ausgaben richtig kalkuliert seien. Es ist abenteuerlich, was Sie versuchen den Menschen hier zu vermitteln!

(Beifall bei CDU und FDP)

Für das Jahr 2005 haben Sie eine Steuereinnahmensteigerung von fast 10 % in den Haushalt geschrieben. 10 %, obwohl Sie drei Jahre hintereinander die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären und damit eine zusätzliche Kreditaufnahme herbeiführen wollen. Jetzt wundern Sie sich, dass diese 10 % nicht kommen. Darüber muss man sich nicht wundern. Wir haben das von Anfang an gewusst. Sie haben auch gewusst, dass das nicht geht. Deshalb laufen wir für das nächste Jahr in der Tat auf

einen operativen Fehlbetrag von über 1,4 Milliarden € zu.

Zu Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit und Transparenz gehört auch, dass man die vollständigen Zahlen vermittelt. Sie haben den Haushalt im Dezember, nachdem wir Sie ursprünglich gebeten hatten, den Haushalt für 2004 und 2005 noch nicht im Dezember zu verabschieden, weil die Beratungen im Vermittlungsausschuss noch anstanden, dennoch verabschiedet. Im Januar haben Sie sich hier hingestellt und verkündet: Wir sind die kernigen Burschen. Willomeit hätte gesagt: „De schmitt sik in den Bost wie een Spatz in de Äppel.“

Sie haben hier verkündet, Sie hätten 120 Millionen € mehr durch die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Diese Summe müssten Sie zu Ihrem Haushaltsplan noch einmal hinzurechnen. Wenn Sie dann feststellen, was heute drinsteht, dann haben Sie wieder einmal Ihre Luftbuchungen nicht erreicht, Herr Finanzminister. Deshalb fordern wir Sie auf, endlich Klarheit in die Haushaltszahlen zu bringen, dem Landtag und dem Finanzausschuss unverzüglich einen Bericht über den Haushaltsvollzug vorzulegen und sich nicht länger zu verweigern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube nämlich nicht, dass die Ausgaben planmäßig verlaufen werden, weil Sie schon bis zum 30. Juni die Antwort darauf schuldig geblieben sind, wie allein die 60 Millionen € an globalen Minderausgaben finanziert werden sollen. Die einzelnen Positionen dazu habe ich Ihnen vorgehalten.

Legen Sie endlich dem Landtag und dem Finanzausschuss einen Bericht darüber vor, wie die tatsächlichen Steuereinnahmen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres verlaufen sind, denn der Finanzminister sagte in seiner gestrigen Presseerklärung: Die Steuermindereinnahmen für das laufende Jahr werden im Rahmen des Haushaltsvollzugs aufgefangen. Das würden wir gern nachvollziehen können, Herr Finanzminister.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb ist das, was Sie hier machen, nämlich dem Landtag und dem Finanzausschuss die Zahlen vorzuenthalten, eine Verschleierung der tatsächlichen Finanzlage unseres Landes. Sie wollen sich über die Runden retten. Das ist unerhört und das wird von uns beklagt. Deshalb fordern wir Sie auf, dies unverzüglich nachzuholen.