Deshalb ist das, was Sie hier machen, nämlich dem Landtag und dem Finanzausschuss die Zahlen vorzuenthalten, eine Verschleierung der tatsächlichen Finanzlage unseres Landes. Sie wollen sich über die Runden retten. Das ist unerhört und das wird von uns beklagt. Deshalb fordern wir Sie auf, dies unverzüglich nachzuholen.
Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich neue Gäste begrüßen, die auf den ersten Blick die alten zu sein scheinen. Auf der Tribüne haben weitere Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Ernst-BarlachRealschule aus Wedel Platz genommen. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Wiegard, Sie haben eben gesagt, der Haushalt 2004 sei verfassungswidrig. Da wir beide die Verfassung kennen, sind wir uns wohl darin einig, dass über eine Verfassungswidrigkeit nicht Sie entscheiden und auch nicht ich entscheide, sondern das höchste Bundesverfassungsgericht. Wir sehen Klagen ganz gelassen entgegen.
Wir haben auch häufig genug gewonnen. Mal gewinnt man und mal verliert man. Aber wir sind uns ziemlich sicher - -
- Plustern Sie sich nicht so auf. Wir sind ziemlich sicher, weil das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist und - darauf kommt es an, meine Damen und Herren - gegen Ihr Votum entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen von diesem Landtag beschlossen und auf den Weg gebracht worden sind.
Kollege Wiegard, es gibt überhaupt keinen Anlass zum Aufplustern. Wo ist er überhaupt? - Er hat den Saal fluchtartig verlassen, weil er die Argumentation scheut. Auf jeden Fall will ich festhalten, dass es keinen Anlass gibt, sich darüber zu erregen, dass Ihr Antrag abgelehnt worden ist. Es gibt nur einen Unterschied zwischen dem CDU-Antrag und dem SPDAntrag, über den wir eben befunden haben. Sie wollen einen mündlichen und einen schriftlichen Bericht. Sie wollen es noch einmal nachlesen. Aber auch ein Blick in das Protokoll der Aussprache, die wir jetzt führen, versetzt Sie doch in die Lage, sich intellektuell mit den Ausführungen des Finanzministers und auch meiner Person auseinander zu setzen.
Nach der Debatte eben muss man sich fragen: Sind Sie eigentlich ein guter Ratgeber, mit uns gemeinsam über die Auswirkungen der Steuerschätzung zu diskutieren? Ich muss gestehen, dass mir die Antwort sehr leicht fällt: Nein, Sie sind es nicht.
- Das überrascht Sie? - Kollege Wiegard ist jetzt wieder im Saal. Herr Kollege Wiegard, Sie sind nicht einmal mehr zur Prognose fähig. Vor ganz wenigen Tagen - das war Ende Oktober - haben Sie in einem Interview Mindereinnahmen für das laufende Jahr in Höhe von 200 Millionen € prognostiziert. Daraus sind 5,9 Millionen € geworden.
- Ich empfehle Ihnen einen Blick in die regionalisierte Steuerschätzung. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Wenn Sie solche Zahlen schon anzweifeln, lohnt sich die Auseinandersetzung mit Ihnen gar nicht. Ich will damit sagen: Wir vertrauen dem Finanzminister, dass er in der Lage ist, diese 5,9 Millionen € im Rahmen des Haushaltsvollzugs gegenzufinanzieren.
Ich freue mich heute, dass wir im September gut beraten waren, Ihrem Antrag eine klare Absage zu erteilen, noch für das laufende Jahr 2004 einen Nachtragshaushalt aufzustellen. Angesichts dieses Ergebnisses der Steuerschätzung war und ist es nicht notwendig. Das Jahr ist noch nicht zu Ende. Wir haben - wir alle können gemeinsam rechnen - noch sieben Wochen vor uns. Der Finanzminister wird im Rahmen des Haushaltsvollzugs sicherlich über die Runden kommen.
Natürlich wird das Jahr 2005 ein schwieriges Jahr. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. In der Einschätzung sind wir uns einig. Wenn die CDU/CSUgeführten Länder einschließlich der FDP im Bundesrat weiterhin diese Blockadepolitik fortsetzen, wird es nicht leichter, sondern noch schwieriger werden.
Es ist auf jeden Fall weder für Sie noch für uns ein Jahr der Wahlgeschenke. Deswegen empfehle ich, dass Sie die Anträge, die Sie auf den Landesparteitagen beschlossen haben, als Anspruch an den Landeshaushalt deklariert, noch einmal ernsthaft daraufhin überprüfen. Es sei denn, Sie wollen das so wie Ihre Parteifreunde in Niedersachsen, Hamburg, dem Saarland und Hessen machen, die vor der Wahl alles ver
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich würde andere Textbausteine verwenden, weil die andere Wachstumsraten haben!)
2005 wird ein schwieriges Jahr. Es wird darauf ankommen, dass wir den Prozess der Verschlankung der Landesverwaltung weiter fortsetzen. Es wird darauf ankommen, dass wir alle Aufgaben und Ausgaben weiterhin auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Über eine Ausgabe haben wir eben diskutiert. Es wird auch darauf ankommen, dass wir im Kern die Vorschläge der Landesregierung für ein gerechtes und vereinfachtes Steuersystem umsetzen, das hohe Einkommen und Vermögen wieder stärker als bisher an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligt.
Der Herr Finanzminister hat völlig Recht: Es kommt auch auf den Erfolg der Umsetzung der Sozialreform an, eine der größten Reformen seit Gründung der Bundesrepublik.
Herr Abgeordneter Neugebauer, wir wundern uns gemeinsam, wie schnell die Zeit vergeht. Das betrifft jetzt leider auch Ihre Redezeit.
Herr Präsident, ich will mit einem Satz abrunden, was ich noch sagen wollte. Von Ihnen haben wir auch heute keinen Vorschlag gehört,
mit welchen Ausgabenkürzungen die Lage der Landesfinanzen verbessert werden kann. Von Ihnen haben wir keinen Vorschlag gehört, wie man die Einnahmen verbessern kann. Sie sind nicht oppositionsfähig. Wer nicht oppositionsfähig ist, ist auch nicht regierungsfähig.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich stelle mir vor, dass draußen, über die Besuchergruppe hinaus, mehr Leute dieser Debatte zuhören. Wir stehen vor größten finanzpolitischen Problemen und dann werden Siegesmeldungen erst des Finanzministers, dann assistiert durch seinen Adjutanten Günter Neugebauer verkündet.
Lieber Herr Kollege Neugebauer, nächstes Jahr fehlen diesem Landeshaushalt 1,4 Milliarden €, 1,4 Milliarden €, die Sie gar nicht haben. Und Sie stellen sich hier hin und sagen, das sei alles ganz prima, eigentlich könnte es noch schöner sein, wenn die Opposition Beifall klatschte und sagte: Hurra, wir machen das so! Sagen Sie einmal: Wo leben Sie eigentlich? Das ist doch nun wirklich Realitätsverlust,
den wir von der Regierung und von Ihnen vorgetragen bekommen haben, wie es schlimmer nicht mehr geht.
Realitätsverlust zweiter Akt. Da stellt sich dieser Finanzminister hin. Er sagt natürlich nicht, was er anders machen will, wie er das finanzieren möchte. Er sagt: An den Steuerausfällen sind alle anderen schuld, nur nicht die rot-grüne Bundesregierung, nur nicht die rot-grüne Landesregierung. Alle anderen. Wahrscheinlich die OPEC, die Welt, die UNESCO, ich weiß nicht, wer, möglicherweise auch das Weltkulturerbe. Aber für die Steuermehreinnahmen bei den Kommunen hat die rot-grüne Landesregierung in Kiel gesorgt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Minister, zu so viel Realitätsverlust! Dazu kann man Ihnen eigentlich nicht gratulieren, dafür muss man Sie nur noch bemitleiden.
Realitätsverlust, nächster Akt. Sie heulen uns hier vor: Die Maßnahmen, die die Bundesregierung ergreifen müsse, müsse sie allein ergreifen, weil die Opposition nicht oppositionsfähig, nicht kritikfähig und nicht konstruktiv sei. Sie müssten also allein ran. Ja, Herr Minister, warum tun Sie es dann nicht? Warum machen Sie es nicht? Schaffen Sie doch den 3. Oktober ab, wenn Sie schon sagen, Sie müssten das tun, und stellen sich nicht hierher und sagen: Ich bin ja hier dagegen, in Berlin aber dafür.
Wir haben ja in drei Monaten Landtagswahlen. Zu sagen, „wenn die Opposition nicht mitzieht“, das ist unehrlich, das ist die pure Heuchelei, Herr Minister.
Im nächsten Jahr fehlen 1,4 Milliarden €. Man sollte der Bevölkerung einmal sagen, wie sich das zusammensetzt: 550 Millionen € wollen Sie offen durch geplante neue Schulden decken. 184 Millionen € sind verdeckt geplante neue Schulden, im Haushalt schlecht getarnt als globale Minderausgaben. Weitere 200 Millionen € sind verdeckt geplante neue Schulden, im Haushalt auch schlecht getarnt, diesmal als globale Mehreinnahmen. Zusätzlich sagen die Steuerschätzer dieser Landesregierung - das haben sie bereits im Mai getan, Herr Minister Stegner, nicht erst jetzt - 445 Millionen € weniger Steuereinnahmen, als die Landesregierung übermütig - oder irrsinnig - in den Haushalt für 2005 hineingeschrieben hat, voraus.
Sie gehen fest davon aus, dass Sie für diese verantwortungslose Politik bereits im Februar mit Abwahl bestraft werden, Herr Minister. Wie anders wollen Sie eigentlich erklären, dass diese Landesregierung seit Mai nichts, aber auch gar nichts unternommen hat, um dieses Problem auch nur im Ansatz zu lindern? Das leistet sich nur eine Regierungsmehrheit, die keine Regierungsmehrheit bleiben will.