Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

Das Schlimmste daran ist, dass es keine Anzeichen gibt, dass sich daran im Lande tatsächlich etwas ändern würde. Mit der vorliegenden Mini-Novelle der Landesregierung passiert zwar etwas, aber es geschieht nichts.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Die Wettbewerbsbedingungen schleswig-holsteinischer Hochschulen werden sich dadurch jedenfalls nicht verbessern.

Während andere Bundesländer handeln, während sie ihre Hochschulgesetze reformieren, während weit

(Jost de Jager)

sichtigere Bundesländer mehr Handlungsspielräume für sich einklagen - wie gestern vor dem Bundesverfassungsgericht -, bleibt es in Schleswig-Holstein bei der Versteinerung des Hochschulrechtes. Doch sie werden zunehmend von den Ereignissen überholt, wie sich zum Beispiel im Bereich der Studiengebühren zeigt. Auch dort gehören Sie zu den Reformverweigerern. Wir werden feststellen, dass die anderen Bundesländer nicht auf Schleswig-Holstein warten werden.

Wir glauben, dass der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit schleswig-holsteinischer Hochschulen nur über die Eigenverantwortung führt. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Deregulierung von Hochschulgesetzen und der Eigenverantwortung von Hochschulen sowie deren Konkurrenzfähigkeit. Aus dem Grund glauben wir, dass nur mit mehr Autonomie Qualität und bessere Konkurrenzfähigkeit unserer Hochschulen erreicht werden können.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Das ist das Kernstück unseres Gesetzentwurfs neben einzelnen Fragen, die ich hier nicht erörtern will. Kernstück unseres Gesetzentwurfs bleibt das Recht der Hochschulen, sich alle Professoren selber auszusuchen, nicht nur die C3-Professoren, sondern auch die C4-Professoren, und die Studierenden. Wir wollen den Hochschulen für die landesweit zulassungsbeschränkten Studiengänge die Möglichkeit geben, 90 % der Studienplätze nach einem eigenen Auswahlverfahren auszusuchen. Das gilt zum Beispiel für die Studiengänge Jura, Deutsch, Englisch oder auch Molekularbiologie.

Meine Damen und Herren von der Regierung, Sie weigern sich hingegen, unseren Hochschulen eine solche Kompetenz zuzusprechen, und werden auch hier von den eigenen Leuten auf Bundesebene überholt. Die Bundesbildungsministerin hat sich längst mit den Bundesländern auf eine Neuregelung der Studienplatzvergabe für die bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengänge, die ehemaligen ZVSStudiengänge, verständigt. Ab dem Wintersemester 2005/06 können immerhin 60 %, also mehr als die Hälfte, der Bewerber nach eigenen Zulassungsverfahren ausgesucht werden.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie führen jetzt eine Situation herbei, dass die Hochschulen in den bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen mehr eigene Einflussmöglichkeiten auf die Auswahl haben als in den landesweit zulassungsbeschränkten, für die sie verantwortlich sind. Es

zeigt sich, dass Sie zu der Hochschulpolitik von Frau Bulmahn mittlerweile ein antiquiertes Verhältnis haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben mit unserem Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, deutlich gemacht, wie wir in die weiteren Auseinandersetzungen gehen wollen, wie wir uns die Hochschulpolitik vorstellen. Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht anmerken, dass ich es bedauerlich finde, dass es die FDP im Laufe dieses Jahres nicht geschafft hat, eigene Anträge zum Thema Hochschulgesetznovelle auf den Tisch zu legen. Es wäre angemessen gewesen zu wissen, was genau die FDP will.

Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem wir den Mut haben, den Hochschulen mehr Entscheidungsbefugnisse zu geben. Wir glauben, dass es richtig ist, den Hochschulen insgesamt mehr Vertrauen zu geben, weil sich herausstellt, dass die Menschen mit diesem Vertrauen sehr gut umgehen. Wir haben es in den letzten Jahrzehnten mit einer sehr kleinteiligen Regulierung der Hochschulen versucht. Wir wollen es jetzt mit sehr viel mehr Autonomie versuchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hochschulgesetzgebung wird auch nach dieser zweiten Lesung zu mehreren Vorlagen noch eine Baustelle bleiben. Allfällige Konsequenzen aus der Diskussion über eine Föderalismusreform sprechen ebenso für diese Annahme wie das im kommenden Jahr zu erwartende Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts zum Thema Studiengebühr. Übrigens hat zu diesem Verfassungsrechtsstreit laut „Spiegel online“ kein einziges SPD-regiertes Bundesland eine schriftliche Stellungsnahme vorgelegt und auch zu der gestern in Karlsruhe durchgeführten mündlichen Anhörung wurde kein Vertreter der sozialdemokratisch regierten Länder angemeldet. Frau Erdsiek-Rave, offenbar sehen die SPD-Länder die Bundesbildungsministerin, Frau Bulmahn, in dieser Sache auf verlorenem Posten.

Offen sind zudem dringend notwendige Konsequenzen aus dem Mitte des Jahres ergangenen Verfas

(Dr. Ekkehard Klug)

sungsgerichtsurteil zur Junior-Professur und zu den befristeten Beschäftigungsverhältnissen an den Hochschulen. Bei der Anhörung, die der Bildungsausschuss des Landtages im August zum Thema Hochschulgesetznovelle durchgeführt hat, ist diese Dringlichkeit vonseiten der Rektorate, aber auch der Vertreter der Personalräte, insbesondere der wissenschaftlichen Mitarbeiter, nachdrücklich in den Vordergrund gestellt worden. Wir haben hier schlicht und ergreifend, insbesondere was die befristeten Beschäftigungsverhältnisse im Hochschulbereich angeht, momentan eine sehr problematische Situation. Presseberichte darüber, dass sich Hochschulen bei der Einstellung von befristet beschäftigten Mitarbeitern stark zurückhalten, sprechen da Bände.

Nach Auffassung der FDP-Fraktion sollte auf jeden Fall keine Zwölfjahresregelung oder ein ähnliches Korsett, wie es bestanden hat, in irgendeiner Form wieder aufleben. Wir brauchen ein Hochschuldienstrecht, das große Flexibilität ermöglicht, wie es in anderen Staaten der EU der Fall ist.

Zu den unterschiedlichen Gesetzentwürfen, die in die Beschlussvorlage des Bildungsausschusses Eingang gefunden haben, will ich kurz in drei Punkten Stellung beziehen.

Erstens. Die Aufwertung der Muthesius-Hochschule zur Kunsthochschule wird auch von der FDP-Fraktion unterstützt.

Zweitens. Die Hochschulgesetznovelle der Landesregierung lehnen wir mit Blick auf mehrere Kritikpunkte ab. Ein Vorschlagsrecht der Rektoren für das Amt der Prorektoren halten wir nicht für sinnvoll, weil es die Rechte der Hochschulgremien einschränkt und einer angemessenen Vertretung aller Bereiche einer Hochschule entgegenwirken kann. Außerdem sollten die Hochschulsenate unseres Erachtens auch allgemeine Empfehlungen zur Verwendung von Personal- und Sachmitteln geben können. Schließlich sind wir der Auffassung, dass die Hochschulen künftig über eine vollständige Personalhoheit verfügen sollten und nicht nur über eine Personalhoheit für einen Teil der Professorenstellen. Das haben wir in der Vergangenheit hier wiederholt deutlich gemacht. Insoweit sind unsere inhaltlichen Positionen klar, Herr Kollege de Jager.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Kritikpunkte lehnen wir die Ausschussvorlage zum HSGEntwurf der Landesregierung ab, auch wenn wir einzelne Punkte befürworten. Zwar ist das, was von den Koalitionsfraktionen zum Thema der Ermöglichung privatrechtlicher Dienstverträge für Oberärzte im Bereich des Universitätsklinikums Schleswig-Hol

stein noch nachgebessert worden ist, zu begrüßen, aber auf der anderen Seite überwiegen aus unserer Sicht die Kritikpunkte so sehr, dass wir der Gesetzesvorlage insgesamt nicht zustimmen können.

Drittens. Zur Hochschulgesetznovelle der CDUFraktion habe ich in der ersten Lesung im April schon ausführlich Stellung genommen. Soweit die Union eine Stärkung der Hochschulautonomie sowohl im Bereich der Personalhoheit als auch bezüglich des Auswahlrechts von Studienplatzbewerbern anstrebt, rennt sie bei uns offene Türen ein. Das sind alles Dinge, die wir in den letzten Jahren in mehreren Anträgen als politische Forderungen zur Diskussion gestellt haben. Insoweit ist das von uns bereits in der ersten Lesung voll unterstützt worden.

Problematisch sind aber andere Teile der CDUGesetzesvorlage. Ich denke insbesondere an die Einführung eines Landeshochschulrats oder an die von der Union vorgesehene Regelung für § 20 a HSG, die eine projektbezogene Vergabe von Teilen der Landesmittel für den Hochschulbereich zum Inhalt hat. Würde man einen Teil der Landeszuschüsse für solche Projekte reservieren, stünde dies nach unserer Auffassung in einem wirklich eklatanten Widerspruch zu dem in den letzten Jahren erfolgreich beschrittenen Weg hin zu einer größeren Finanzautonomie der Hochschulen und hin zu Globalhaushalten. Man kassiert also hier einen ganz wesentlichen Fortschritt, der auch mehr Hochschulautonomie bedeutet, wieder ein und macht das Ministerium sozusagen zur Vergabestelle für Projektmittel.

(Beifall bei der FDP)

Damit wird der Hochschulbereich wieder an das Gängelband der Kultusbürokratie gelegt. Dies steht dem Ansatz einer Stärkung der Autonomie diametral entgegen.

Die Vorliebe der Union für Räteorgane, für den „Hochschulsowjet“, den Landeshochschulrat, können wir überhaupt nicht nachvollziehen. Ich habe bereits in der ersten Lesung gesagt: Wenn vergleichbar dazu im Bereich der Agrarpolitik ein Landesagrarrat, besetzt mit Fachleuten, die alle hauptberuflich nicht im Agrarbereich tätig sind, beantragt würde, wenn aber dieser Agrarrat nicht unerhebliche Aufgaben im Hinblick auf die Gestaltung der Agrarpolitik des Landes übernehmen sollte, würde sich Herr Carstensen an die Spitze einer dann aufflammenden Aufstandsbewegung stellen. Die Union ist aus unserer Sicht auf einem von keiner Hochschule des Landes geteilten Weg.

Eine letzte kurze Anmerkung zur Zusammenarbeit mit Hamburg. Diese sollte man nicht so starr regeln,

(Dr. Ekkehard Klug)

wie es die Union will. Wir haben zuletzt gerade mit dem Beschluss der beiden Landesregierungen zulasten der Kieler Universität erlebt, wie von oben hineinregiert wird. Zu einer Kooperation mit Hamburg sagen wir Ja, soweit sie dazu dient, die Hochschulen zu stärken.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz.

Wenn sie dazu dient, par ordre du mufti von oben Einschränkungen und Kahlschläge zu verordnen, so wie dies jetzt im Bereich Slavistik und Archäologie geschieht, sagen wir dazu kategorisch Nein.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Modernes Management und demokratische Selbstverwaltung gehören zusammen. Von diesem Gedanken haben wir uns leiten lassen und nach längerer kontroverser Debatte die vorliegenden Änderungsanträge gemeinsam mit unserem Koalitionspartner formuliert. Mit unseren Änderungsvorschlägen ermöglicht das Gesetz den Hochschulen genau diese moderne Verwaltung mit Zielvereinbarungen und flexiblen Managementstrukturen. Außerdem verpflichtet sich die Landesregierung, einmal in der Legislaturperiode einen Hochschulplan zur Kenntnis zu geben und auch in diesem hohen Hause zu diskutieren. Aus diesem Hochschulplan soll das Forschungs- und Lehrprofil des gesamten Landes ersichtlich werden.

Die Hochschulen sind gut beraten, rechtzeitig für diesen landesweiten Hochschulplan die Entwicklungspläne ihrer jeweiligen Hochschule vorzulegen. Insoweit muss also in den einzelnen Hochschulen überlegt werden: Was ist unser Hochschulprofil? Dann wird dies dem Ministerium vorgelegt, anschließend wird es öffentlich debattiert und auf dieser Grundlage wird das Prozedere der Zielvereinbarung aktualisiert.

Ich denke, dies ist ein Weg, der den Hochschulen tatsächlich zu mehr Autonomie verhilft und sie ande

rerseits dennoch nicht aus der gesellschaftlichen Debatte entlässt. Genau so wollten wir es haben.

Endlich wird mit dem Gesetz auch die neue Klinikstruktur der Unikliniken in Leistungszentren, wie dies in modernen Großkrankenhäusern schon längst üblich ist, gesetzlich verankert. Dies ist wichtig, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Das Gesetz beinhaltet außerdem die Umwandlung der Muthesius-Hochschule zur Kunsthochschule. Durch die Einbeziehung der Studierenden in diesen Umwandlungsprozess hat die Hochschulleitung der Muthesius-Hochschule gezeigt, dass für sie Hochschuldemokratie und Qualitätssicherung nicht nur leere Schlagworte sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn es nicht zum Gesetz gehört, wohl aber zum Handhaben eines Gesetzes, will ich dies auch noch in der Fortsetzung beleuchten. Derzeit laufen die Bewerbungsverfahren für eine Reihe von Kunstprofessuren. Diese Professuren sind zunächst befristet, zum Teil wird sogar von Teilzeitprofessuren ausgegangen. Die Muthesius-Hochschule lässt sich außerdem von einem hochkarätigen internationalen Gremium bei der Personalauswahl beraten. Weil die Hochschule nun auch inhaltlich ein anderes Profil erhält, geht sie diesen Weg. Ich halte das für vorbildlich und finde, solche Beispiele sollten Schule machen. Deswegen werden wir demnächst das dritte und für diese Legislaturperiode letzte gesetzliche Reformpaket für die Hochschulen beraten, das Gesetz über leistungsgerechte Besoldung.

An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die zum bisherigen Gesetzeswerk beigetragen haben. Insbesondere aus den Hochschulen kamen eine Reihe sehr sinnvoller und pragmatischer Ergänzungen, die wir gern aufgenommen haben.

Auf meine Vorredner möchte ich nur ganz kurz und wie folgt eingehen. Wenn der Föderalismus und die Länderhoheit, wie in den letzten Monaten geschehen, dazu missbraucht werden, um im Grunde genommen eine andere Hochschulpolitik mit einem anderen Professorenbild gegen die Modernisierung, gegen die Junior-Professur, mit einem anderen Studierendenbild, gegen den demokratischen Zugang zu den Hochschulen für alle zu propagieren, und wenn dabei in Kauf genommen wird, dass Deutschland unter Umständen in eine vorbismarcksche Situation zurückfällt, in der in dem einen Bundesland nicht mehr anerkannt wird, was in einem anderen gang und gäbe ist, so ist das das Austragen eines Konflikts auf dem Rücken von Wissenschaft und Forschung und insbesondere auf dem Rücken von Studierenden.