Protokoll der Sitzung vom 10.11.2004

(Beifall)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Schmitz-Hübsch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den recht polemischen Ausführungen des Wirtschaftsministers

(Zurufe von der SPD: Oh!)

rede ich jetzt zur Großen Anfrage und dem, was uns das Ministerium dazu mitgeteilt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Da teile ich als erstes Ihre Meinung, Herr Minister: Die Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums haben mit der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD eine fleißige Arbeit vorgelegt. Dafür sage ich Ihnen meinen ausdrücklichen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Fragen drehen sich im Kern um zwei Punkte:

Erstens. Wie ist es um das Drei-Säulen-Modell der Kreditwirtschaft in Schleswig-Holstein in den letzten fünf Jahren bestellt?

Zweitens. Woher bekommt der Mittelstand in Zukunft seine notwendigen Finanzierungsmittel?

So ganz nebenher sollte wohl auch der öffentlichrechtliche Teil der Kreditwirtschaft durch die Fragen von Lothar Hay in ein günstiges Licht gestellt werden. Übrigens, Herr Kollege Hay, ich bin ganz verwundert, dass Sie das unterschrieben haben und auch dazu sprechen werden. Werden sie jetzt auf eine Verwendung nach der Wahl in Richtung Wirtschaftspolitik umgeschult oder wie soll ich das verstehen?

(Zurufe von der SPD)

Ein Beispiel ist die Frage nach den Stiftungen im Eigentum der Kreditwirtschaft. Hier punkten natürlich die öffentlich-rechtlichen Banken, aber das ist kein Wunder, die mussten ja bislang kein Eigenkapital für ihre Anteilseigner verzinsen.

In den weiteren Antworten des Wirtschaftsministeriums zeigt sich jedoch, dass der Versuch, die privaten Banken anzuschwärzen, nicht erfolgreich ist. Die privaten Banken unterscheiden sich in ihrer Entwicklung wenig von den Sparkassen und Genossenschaftsbanken: Alle mussten Filialen schließen, alle hatten Rückgänge in der Beschäftigung zu verzeichnen, bei allen waren die Gewinne rückläufig, wie man den Steuerzahlungen entnehmen kann.

Auch der Versuch, über die Zahl der Ausbildungsplätze am Image der Privatbanken zu mäkeln, schlägt fehl, denn es gibt keine Angaben über SchleswigHolstein. Das ist bedauerlich, aber daraus darf man nicht per se schließen, dass diese Unternehmensgrup

pe hinter der bemerkenswerten Ausbildungsleistung der Sparkassen zurückbleibt.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Wenn Sie nicht wissen, wie viel geleistet wird, wie können Sie dann sagen, sie sollen mehr leisten? Das ist doch wirklich allerhand!

Ebenso nicht erfolgreich ist die Frage nach einer angeblichen Empfehlung des Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Banken, Dr. Breuer, aus dem Jahre 2002, die damalige Zinssenkung um 0,5 % der EZB nicht an die Kunden weiterzugeben. Das Ministerium berichtet, dass das Bundeskartellamt seine Untersuchungen gegen Dr. Breuer einstellen musste. Leider erwähnt der Bericht nicht, dass Dr. Breuer 2002 seine Bemerkung lediglich im Zusammenhang mit der betriebswirtschaftlichen Situation der Institute gemacht hatte. Die Landesregierung erklärt dazu, sie habe mehrfach an die Kreditinstitute appelliert, die Senkung der Leitzinsen an die Kreditnachfrager weiterzugeben. „Gut gebrüllt, Löwe“, kann ich dazu nur sagen. Den Kreditinstituten ging es im Jahre 2002 schlecht, abzulesen an den Steuerzahlungen der Kreditinstitute mit Sitz in Schleswig-Holstein.

Beim öffentlich-rechtlichen Sektor waren die Steuerzahlungen im Vergleich zu 1998 halbiert, bei den Genossenschaften waren sie um zwei Drittel zurückgegangen, bei den privaten Banken um 100 % reduziert. Wie kommt die Landesregierung dazu, Unternehmen Ratschläge in Bezug auf ihre Preisgestaltung zu erteilen? Es gibt ja schon eine andere Auflage, die die Institute „freiwillig“ erfüllen, die sie aber viel Geld kostet: Das ist die Aktion „Girokonto für jedermann“. Bei einem solchen Kontraktionszwang müssten die Kosten eigentlich von der Landesregierung ausgeglichen werden. Tun Sie das, Herr Wirtschaftsminister?

Seit gut 20 Jahren sinkt die Ertragslage in der deutschen Kreditwirtschaft. Betrachtet man die Eigenkapitalrentabilität der deutschen Kreditinstitute im internationalen Vergleich von 14 Ländern, so liegt Deutschland auf dem letzten Platz. Nebenbei gesagt: Großbritannien liegt mit 17 Punkten ganz oben an der Spitze, gerade das Land, das Sie eben so gescholten haben, Herr Minister.

Seit etwa 1999 hat jedoch ein bemerkenswerter Konsolidierungsvorgang im deutschen Finanzsektor eingesetzt, was zwingend notwendig war. Nach dem Urteil der Ratingagenturen gilt das Kreditgeschäft als ertragsschwach und risikobehaftet. Ich zitiere wörtlich aus dem Text: „Das Kreditgeschäft macht etwa einen Anteil von 48 % am Gesamtgeschäft der deutschen Banken aus, erzielt aber nur einen Ertragsanteil

(Brita Schmitz-Hübsch)

von circa 8 %.“ Zyniker meinen, dass die Diskussion um Basel II und das verschärfte Rating der Kunden für die deutschen Banken zur rechten Zeit gekommen sei, um von ihren eigenen Ertragsproblemen abzulenken.

Unsere große Sorge muss aber den Kunden gelten. Auch wenn inzwischen neue Finanzierungsprodukte entwickelt wurden und Leasing und Factoring wie auch zunehmend Beteiligungen auf dem Vormarsch sind, bleibt das wesentliche Finanzierungsinstrument des Mittelstandes der Kredit. Dies gilt insbesondere für Kreditbedarfe mit einem Volumen von weniger als 1 Million €. Der Mittelstand ist existenziell auf die Kreditwirtschaft angewiesen.

Bundesbank und Sparkassen behaupten, es gebe genügend Kreditangebot, aber nicht genügend Nachfrage. Dem stehen Äußerungen aus der Privatwirtschaft entgegen. Die Handwerkskammern Flensburg und Lübeck stellen fest, dass der Bedarf beziehungsweise die Nachfrage nach Krediten weiterhin vorhanden sei. Im Text steht wörtlich: „Richtig sei, dass das Angebot der Kreditwirtschaft an den Mittelstand grundsätzlich rückläufig sei.“

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wollt ihr eigentlich die Sparkassen verkaufen? - Widerspruch bei der CDU)

- Ich zitiere aus dem Text des Ministeriums, Herr Kollege, und sage, wie sich Einschätzungen unterschiedlich ausnehmen, und sie sollten vielleicht auch alle gebracht werden. Sie werden sehen, dass ich das hier sehr differenziert vortrage.

Ähnlich äußert sich der Einzelhandelsverband NordOst e.V., der Landesverband der Freien Berufe und die Steuerberaterkammer. Letztere konstatieren, dass sich vor allem die großen Privatbanken aus der Finanzierung der freien Berufe in erkennbarem Umfang zurückgezogen hätten, was auf die regionalen Kreditinstitute nicht zutreffe. In diese Richtung zielt auch eine Meinungsäußerung der Bundesbank, die davon ausgeht, dass die flächendeckende Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft, nicht zuletzt durch den Beitrag der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, gewährleistet sei.

Das sind Zitate, die auch die Rede des Ministers bestimmt haben. Wenn man die 100 Seiten sorgfältig gelesen hat - es war sicherlich viel Arbeit, sie zu schreiben, aber es war auch Arbeit, sie zu lesen -, stellt man fest, dass diese Auffassung von der Privatwirtschaft nicht durchgehend bestätigt wird. Der Wirtschaftsverband Handwerk berichtet, dass nicht nur Geschäftsbanken, sondern auch Sparkassen,

Volks- und Raiffeisenbanken vielfach die Kreditlinien gekündigt haben. „Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen berichten einhellig über eine schwieriger werdende Kreditversorgung, zurückhaltende Kreditvergaben durch die Banken und kritische Finanzierungsbedingungen.“ Die Steuerberater- und Handwerkskammern sowie der Bund der Selbstständigen sehen sogar eine kritische Situation.

In einer Umfrage der KfW heißt es am Ende, dass in vielen Fällen immer noch der Kreditzugang das eigentliche Problem darstelle. 38 % aller Unternehmen geben an, dass das Problem darin bestehe, überhaupt noch Kredite zu erhalten. Besonders betroffen sind hier die Baubranche und das Handwerk. Man kann also nicht sagen: Weil wir öffentlich-rechtliche Sparkassen haben, ist alles in Butter. Nein, sie haben die gleichen Ertragsprobleme wie alle anderen Banken ebenfalls. Es klagt der Mittelstand. Das müssen Sie hören.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

Ich will etwas Nettes sagen. Hört ruhig zu! - Die Landesregierung hat versucht zu handeln und gemeinsam mit ihren Förderinstituten Investitionsbank, Bürgschaftsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Produkte entwickelt, die besonders den bedrängten kleinen und mittleren Unternehmen zu Hilfe kommen sollen. Das ist grundsätzlich lobenswert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie doch mal zu Ihrem Parteitagsbeschluss! - Weitere Zurufe)

- Ich pflege zum Thema zu reden, Herr Kollege, und nicht zu polemisieren.

(Zurufe)

- Bitte unterbrechen Sie mich nicht ständig. - Es ist aber die Frage, ob die Maßnahmen der Landesregierung ausreichen.

Zum Schluss möchte ich zwei positive Erkenntnisse aus der Anfrage ansprechen. Erstens. Mein besonderer Dank gilt dem Wirtschaftsminister. Er hat nämlich in Sachen HSH Nordbank für eine vorzügliche Transparenz gesorgt.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Antwort werden die Ratingagenturen erwähnt, die bemängeln, dass die HSH Nordbank einen zu hohen Anteil von stillen Beteiligungen im Verhältnis

(Brita Schmitz-Hübsch)

zum Stammkapital aufweise. „Dieser Bewertung soll durch eine Wandlung von stillen Einlagen in Stammkapital Rechnung getragen werden, an der sich alle Anteilseigner gleichgerichtet beteiligen sollen.“

Ich war erstaunt, als ich das las. Eine Nachfrage bei unseren Finanzpolitikern ergab, dass dieses Vorhaben am vergangenen Donnerstag Gegenstand der geheimen Beratung im Unterausschuss Beteiligungen gewesen sei und weiter in vertraulicher Sitzung im Finanzausschuss. Fünfmal seien sie vergattert worden, darüber um Himmels willen nicht in der Öffentlichkeit zu sprechen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das gilt für andere Themen auch!)

Herr Minister Rohwer, ich habe damals als Einzige in diesem Haus gegen die Einsetzung dieses Unterausschusses gestimmt, weil dadurch die Rechte der Abgeordneten beschnitten werden. Ich danke Ihnen, dass wenigstens Sie uns in Ihrer Offenheit nun alle informiert haben.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Herr Minister, in der Antwort heißt es: „Die Bedeutung Schleswig-Holsteins als Finanzplatz ist als regional begrenzt anzusehen.“ Das ist natürlich bedauerlich für ehrgeizige Politiker, die im großen Konzert mitmischen wollen und die immer noch vom großen Finanzplatz Kiel träumen. Aber es gibt in Schleswig-Holstein Gott sei Dank eine Ausnahme: Die einzige Filiale einer ausländischen Bank befindet sich in Flensburg. Dort unterhält die dänische Sydbank, Apenrade, eine Filiale. Damit hat sich Flensburg zum einzigen internationalen Finanzplatz in Schleswig-Holstein gemausert. Darauf bin ich richtig stolz.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich beantrage Überweisung an den Wirtschaftsausschuss.