Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

lung zur Annahme. Änderungen gegenüber der Ursprungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht. Damit kann nichts mehr passieren. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Vereinzelter Beifall)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für den Bericht. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellenden Abgeordneten des SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Friesisch-Gesetz, wie es heute vorliegt, geht das Land Schleswig-Holstein einen neuen Weg in der Minderheitenpolitik. Schon in der ersten Lesung des Gesetzes ist von unserer Seite aus deutlich gemacht worden, dass dieser neue Weg quasi ein friesischer Weg ist. Ich habe damals deutlich gemacht, dass die Bonn/Kopenhagener Erklärungen für die deutsche Minderheit in Dänemark und die dänische Minderheit in unserem Land eine herausragende Bedeutung hatten und immer noch haben.

Gleichzeitig wurde es aber auch Zeit, den Friesen, als weitere als nationale Minderheit in Deutschland anerkannte Gruppe, einen Weg hin zu einer modernen Minderheitenpolitik aufzuzeigen. Genau wie andere Minderheiten in Europa, streben die Friesen nach rechtlichen Regelungen und entsprechenden Absicherungen. Nicht, weil sie dem Staat misstrauen, sondern weil es allgemein darauf ankommt, Rechte für Minderheiten zu gewähren und Minderheitengruppen anzuerkennen, damit man diese Rechte auch im täglichen Leben einfordern kann. Da unterscheiden sich die Friesen nicht von den anderen Minderheiten im Grenzland. Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal ganz deutlich hervorheben, dass die Ausschussberatungen ergeben haben, dass es sich bei dem Friesisch-Gesetz um ein Gesetz zugunsten einer anerkannten Minderheit handelt und nicht nur um ein Sprachgesetz oder um ein Gesetz zur Förderung einer Kultur im Lande. Ich sage dies hier deshalb noch einmal ganz deutlich, weil dieser Charakter des Gesetzes deutlich macht, dass man weder für Regionalkultur noch für die Kultur von Einwanderern die gleiche Art von Rechtsstellung erwarten kann.

Durch die Formulierungen in der Präambel wird deutlich, dass die Friesen die im Gesetz genannten Rechte erhalten, weil sie zu den anerkannten hier

(Lars Harms)

heimischen nationalen Minderheiten zählen. Mit der Einfügung einer kleinen Passage in der Präambel des Gesetzes gehen wir einen wirklich wichtigen Schritt voran. Nachdem sich vor etwas mehr als 81 Jahren zum ersten Mal Friesen in organisierter Form darauf berufen haben, eine eigene Minderheit neben deutscher und dänischer Minderheit im Grenzland zu sein, wird nun im Friesisch-Gesetz zum ersten Mal in der Geschichte der Friesen in einem Gesetz darauf abgehoben, dass das friesische Bekenntnis frei ist. Diese Regelung ist eine logische Folge der Staatszielbestimmungen aus Artikel 5 unserer Landesverfassung. Wer sich vergegenwärtigt, wie wichtig die Festschreibung der Bekenntnisfreiheit in den Bonn/Kopenhagener Erklärungen für die deutsche und die dänische Minderheit im Grenzland war, kann ermessen, wie wichtig diese kleine, aber feine Passage jetzt für die Friesen ist. Sich als Friese zu bekennen, ist hiernach ein Recht, das der Einzelne hat.

Die Ausschussberatungen haben dazu beigetragen, dass noch einige andere wichtige Ergänzungen in das Gesetz aufgenommen wurden. So ist zum Beispiel noch konkretisiert worden, dass nicht nur Urkunden, sondern auch Eingaben, Belege und sonstige Schriftstücke in friesischer Sprache vor Behörden vorgelegt werden dürfen, dass öffentliche Bekanntmachungen ebenfalls zweisprachig sein dürfen und dass das Land darauf hinwirken soll, dass topografische Bezeichnungen in Nordfriesland und auf Helgoland zweisprachig ausgeführt werden.

Diese Bestimmungen führen in Verbindung mit den Bestimmungen aus unserem Ursprungsentwurf dazu, dass die friesische Sprache den derzeit höchstmöglichen Grad an Gleichstellung gegenüber der Amtssprache Deutsch erhält. Vorher gab es keinerlei Regelungen, was dazu führte, dass das, was nicht ausdrücklich erlaubt war, von Amts wegen eben nicht erlaubt war. Das haben die Friesen in den vergangenen Jahren immer wieder zu spüren bekommen. Hier sind also elementare Minderheitenrechte gewährt worden, was einen erheblichen Fortschritt für die Friesen darstellt.

Vor diesem Hintergrund möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass nach unserer Auffassung durch das Friesisch-Gesetz jetzt insgesamt acht Bestimmungen aus Artikel 10 der Sprachen-Charta zusätzlich für das Friesische erfüllt werden. Ich glaube, das kann sich durchaus sehen lassen.

Das Friesisch-Gesetz ist als ein Gesetz konzipiert, das Rechte für eine der nationalen Minderheiten in Deutschland gewähren soll. Diese Rechte gilt es nun in der Praxis vor Ort umzusetzen. Dabei hat das Land durch dieses Gesetz schon im Vorwege einige Selbst

verpflichtungen übernommen. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Friesen, dass ihnen außerhalb der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein konkret formulierte Rechte in einem Gesetz gewährt werden. Das ist in der Tat eine Weiterentwicklung der Minderheitenpolitik in unserem Land. Aber Minderheitenpolitik lebt von der Weiterentwicklung.

E tid låpt widere än et lönj Slaswik-Holstiinj gungt önj e manerhäidepolitik ma e tid. Dat koone we ai bloots bekånd weese, ouers deer koone we uk aw apbäge. Än dåt wan we friiske natörlik ok.

Wir gehen heute neue Wege in der Minderheitenpolitik, lieber Kollege Kubicki, und für Ihre Offenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sowie für die tatkräftige Unterstützung danke ich Ihnen nicht nur als Abgeordneter, sondern auch als Angehöriger der friesischen Minderheit.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Noch so einer!)

Herr Kubicki, das ist immer wieder niedlich bei Ihnen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag wird heute nach fast einjähriger Beratungszeit - sicherlich mit großer Mehrheit - ein Gesetz zur Förderung des Friesischen verabschieden. Dies ist eine Sternstunde für die Friesen und ihre Sprache.

Es war ein langer Weg von der Vorlage des Entwurfs durch den SSW im Landtag bis heute und dieser Weg hätte sicherlich nicht zu diesem Ziel geführt, wenn sich nicht alle an der Diskussion Beteiligten erfolgsorientiert und auch kompromissbereit gezeigt hätten.

(Beifall bei der SPD)

Hierfür ein herzliches Dankeschön, übrigens auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Fraktion, die sich sehr viel Mühe gemacht haben.

Schleswig-Holstein wird mit diesem Gesetz einen großen Schritt auf dem Weg gehen, den Brandenburg und Sachsen für die Sorben bereits beschritten haben. Wir werden jedoch - das unterscheidet uns von diesen Ländern - kein „Friesen-Gesetz“, sondern ein „Friesisch-Gesetz“ verabschieden. Denn es geht nicht dar

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

um, den Status der Friesen neu festzusetzen, der in Artikel 5 der Landesverfassung definiert worden ist; wir wollen vielmehr eine Aufwertung der friesischen Sprache erreichen. Denn hier reicht die Garantenpflicht des Landes weiter als bei den anderen bei uns gesprochenen Minderheiten- und Volksgruppensprachen, weil die friesische Sprache in ihren verschiedenen nordfriesischen Varietäten - anders als das Dänische oder das Romanes - nur in unserem Lande und dort nur in Teilen des Kreises Nordfriesland sowie auf der Insel Helgoland gesprochen wird. Anders gesagt: Wenn wir es zulassen, dass diese in ihrem Bestand bedrohte Sprachform in Schleswig-Holstein verschwindet, so ist sie weltweit ausgelöscht.

Aus diesem Grund haben wir den Antrag des SSW mit Sympathie aufgenommen und in den vergangenen Monaten intensiv begleitet. Dieses Gesetz ist eben nicht das Einfallstor für andere nationale Minderheiten oder ethnolinguistische Gruppen auf Gleichbehandlung.

Dies enthebt uns nicht unseres Verfassungsauftrages gegenüber den Dänen und auch nicht unseres politischen Auftrages gegenüber den Sinti und Roma, denen wir uns ebenfalls verpflichtet fühlen, die aber bisher noch keine ausdrückliche Erwähnung in unserer Landesverfassung gefunden haben. Es enthebt uns auch nicht der Notwendigkeit, mittelfristig zu einer neuen Definition von Minderheitenpolitik zu gelangen, da die systematische Trennung zwischen unseren drei traditionellen oder autoktonen Minderheiten und den in den letzten Jahren durch Migration entstandenen neuen Minderheiten von Jahr zu Jahr weniger wichtig wird.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wäre unverantwortlich, ihnen gegenüber im Augenblick Erwartungen zu wecken, die weder das Bundesland Schleswig-Holstein noch die Bundesrepublik Deutschland aus finanziellen Gründen würden einlösen können. Aber insoweit werden Probleme auf uns zukommen, denen wir uns zu stellen haben.

In der Fassung des Gesetzentwurfes, auf die wir uns verständigt haben, wird der friesischen Sprache der Weg in die Behörden und damit in die Amtssprache geöffnet. Das stellt eine kleine Sprachgemeinschaft vor erhebliche Herausforderungen. Denn bisher war Friesisch zwar Haussprache im ländlichen Raum, aber sie war eben nicht Rechtssprache. Nun wird sie unter Zugzwang gesetzt, sich weiterzuentwickeln und zur Rechtssprache zu werden. Hierzu braucht sie die

Institutionen, die sie hat, das Nordfriesische Institut in Bredstedt oder die Wörterbuchstelle in Kiel.

Wir haben die Aufträge an die kommunalen Gebietskörperschaften und die Appelle an private Institutionen so gefasst, dass die letzte Entscheidung bei diesen liegt, anstatt von Landesseite eine Verpflichtung festzulegen, die mit der Konnexität der Kostenübernahme verbunden gewesen wäre.

Als regionaler Abgeordneter bin ich mir der finanziellen Situation unserer Gemeinden bewusst, hoffe aber, dass sie diesen für unsere regionale Identität so entscheidenden Bereich nicht vernachlässigen werden. Dies schließt nicht nur die vergleichsweise geringen Kosten für die Beschilderung ein, sondern auch die Bereitstellung eines entsprechenden Schulungsangebotes für Mitarbeiter.

Eines muss klar sein: Ob eine Sprache eine Zukunft hat, kann vom Gesetzgeber erleichtert oder erschwert werden. Die alles entscheidende Frage ist jedoch, ob die Menschen selbst ihre traditionelle Sprache als Relikt der Vergangenheit entsorgen oder ob sie sie als etwas Erhaltenswertes, Notwendiges, Tagtägliches annehmen und an die nächste Generation weitergeben.

Ich bin optimistisch, dass Historiker, die in 50 Jahren das Gesetz- und Verordnungsblatt auswerten, es nicht als obskures Kuriosum empfinden, wenn sie dort einen friesischen Text finden, sondern dass sie dies als selbstverständlichen Ausdruck einer erfolgreichen Minderheitenpolitik würdigen werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Abgeordneten Heinz Maurus das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass es nach immerhin zehn Monaten Beratungszeit gelingt, heute ein FriesischGesetz in zweiter Lesung zu verabschieden.

Dieses Gesetz entspricht der Intention der EUSprachen-Charta, ist Ausfluss unserer Landesverfassung und unterstreicht die Bedeutung des Friesischen als Kleinod und Kulturgut in Schleswig-Holstein sowie die Bedeutung der Minderheiten insgesamt.

Das Gesetz beruht auf dem Freiwilligkeitsprinzig, es ist kostenneutral, ist aber vor allem eine Referenz an die Friesen und eine Referenz an die Minderheit.

(Heinz Maurus)

Was ab morgen in den Amtsstuben der Region möglich ist, muss auch hier in diesem Hause möglich sein.

Lef Fuarseter, lef Wüfhaur, lef Karming, hat es en slocht Rocht, man di Wai wiar lüng. Dit jest Lop haa wü aur dit Rocht fan di Friisen di tau-en-twuntigst Janiwaari 2004 leesen. Deling haa wü nü di taust Lop tö faaten. Hat heenbinai en Jaar waaret, dit Rocht fan di Friisen fasttöskriiwen, man nü staant et suurt üp wit, dat’s tö ark Amt ön Friislön ön jaar ain Spraak snaki en skriiv ken. Dit es dach ek swaar tö railin. Diartö kumt, dat nemen wat boowenüp bitaali skel. Didiar fastskrewen Rocht es foral tö Iar fan di Friisen en jaar Spraak. Di Friisen wust al langsen, hoken’s sen en hur’s henhiir, man nü staant di uk en di Präambel. Didiar fastskrewen Rocht sair jüst dit salev üs die EU-Spraaken-Charta. Jen Lopmuar uur nü jitjens di Artikel 5 Abs. 5 fan üüs „Landesverfassung“ tjuk önerstreken! Nü haa di Friisen en fastkrewen Rocht, man aarberi - dit skel’s diarme nü salef.

Hat es en Früger fuar mi, dat wü deling jir en des Hüs wes en seeker me jen Stem töstemi ken. Let üüs altermaal töhop uk fiirerhen me Hart en Haur fuar di Friisen en jaar Saak iinstuun. Dit fastskrewen Rocht fan die Friisen diar uk mi di Friihair, jir ön des Hüsdeling Friisk tö snakin. Fuul Dank fuar’t Töhiiren.

(Beifall)

Ich gebe zu, dass das Präsidium den Ausführungen nicht ganz folgen konnte.

Ich darf dann für die Fraktion der FDP Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 5 unserer Landesverfassung haben die dänische Minderheit und die friesische Volksgruppe in Schleswig-Holstein Anspruch auf Schutz und Förderung. Das Land wird dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe auf vielfältige Art und Weise gerecht: materiell durch eine Vielzahl von Fördermaßnahmen, in rechtlicher Hinsicht zum Beispiel auch durch die Verpflichtungen, die unser Land im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen eingegangen ist. Die Abgeordneten des SSW haben darüber hinaus mit ihrem Gesetzentwurf eine spezielle landesrechtliche Regelung zur Förderung des Friesischen im öffentlichen Raum beantragt. Nach den dazu von den Ausschüssen des Landtages durchgeführten Anhörungen bestehen aus der Sicht meiner Fraktion nach wie vor Zweifel, ob eine solche gesetzliche Regelung wirklich erforderlich ist. Tat

sächlich regelt das Gesetz nämlich nichts, was nicht auch bereits ohnehin möglich ist. Ich verweise dazu auf die Stellungnahme des Innenministeriums in der Anhörung. Ich zitiere aus dem Protokoll:

„AL Dr. Lutz, Innenministerium, wirft die Frage auf, inwieweit vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Regelungen ein Friesisch-Gesetz überhaupt notwendig sei. Artikel 10 der Sprachen-Charta regele die Vorlage von Urkunden in Friesisch, die Annahme von Ortsnamen in Friesisch, den Einsatz von Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit Sprachkenntnissen des Friesischen und den Gebrauch oder die Annahme von Familiennamen in Friesisch."