Protokoll der Sitzung vom 12.11.2004

Im Klartext, Herr Minister: Das deutsche Transportgewerbe ist auf eine unglaubliche Art und Weise verschaukelt worden, und auch Sie haben nichts dagegen unternommen.

(Beifall bei der CDU)

Auf der BGL-Mitgliederversammlung im Oktober 2001 tönte der ehemalige Verkehrsminister Bodewig zu den Diesel-Subventionen unter anderem in Frankreich und Italien:

„Sie können sich darauf verlassen - laufen die Subventionen Ende 2002 nicht aus, so laufen sie bei uns eben an.“

So die Worte. Die Taten sehen anders aus. Anstatt ihr Versprechen einzulösen, hat die Bundesregierung der Fortführung der wettbewerbsverzerrenden Subventionierung von Dieselkraftstoffen in Italien und Frankreich bis Ende 2004 im März 2003 in Brüssel zugestimmt, begleitet von vielen nationalen Ausnahmeregelungen. Deutschland sucht man in diesem Katalog der Ausnahmeregelungen vergeblich.

(Uwe Eichelberg [CDU]: Hört, hört!)

Bei diesem Kuhhandel zugunsten der Steinkohlesubventionen hat man das mittelständische Transportgewerbe eiskalt über die Klinge springen lassen.

(Beifall bei CDU - Zuruf von der CDU: Un- glaublich!)

Schlimmer noch: Nicht nur die umstrittenen Dieselsubventionen in Italien und Frankreich werden fortgesetzt, sondern andere EU-Staaten mit noch niedrigeren Mineralölsteuersätzen erhalten langfristige Übergangsregelungen weit unterhalb der EUMindestbesteuerung bis 2010.

Im krassen Gegensatz dazu überschreitet die Mineralölbesteuerung in Deutschland bereits heute das für 2010 anvisierte Mindestniveau um 42 %. Dies ist eine Last, die unser Transportgewerbe nicht länger tragen kann.

Seit 2003 hatte die Bundesregierung Zeit, in Brüssel die Kompensation zum Start der LKW-Maut zum 1. Januar 2005 neu zu verhandeln und umzusetzen. Anträge dazu aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat es zuhauf gegeben. Sie sind alle von Rot-Grün abgelehnt worden. Geschehen ist nichts. Obendrein nimmt der Bund hohe Einnahmeverluste in Kauf; denn, Herr Minister Rohwer, die Absenkung der Mautgebühr auf 12,4 ct pro km gilt für alle Nutzer. Das hier als Harmonisierung zu bezeichnen, ist wirklich frech!

(Beifall bei CDU und FDP)

Es gibt keinerlei Entlastung speziell für die deutschen Transportunternehmer, und ich weiß auch, warum Sie unseren Antrag heute nicht behandeln wollten.

Seit Einführung der Ökosteuer, von 1999 bis 2003, haben sich die Insolvenzen der deutschen Transportunternehmen von gut 1.000 auf knapp 2.000 nahezu verdoppelt. Die IHK zu Kiel stellt hierzu in ihrer Resolution vom Juni 2004 unter anderem fest:

„Die unzureichende Kompensation der geplanten Maut führt zu einer erneuten Kostenmehrbelastung von Wirtschaft und Verbrauchern … Das deutsche Transportgewerbe wird in einer ohnehin schwierigen Marktlage zusätzlich beeinträchtigt. Eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsposition wird nicht erreicht; eine EU-weite Harmonisierung der Marktbedingungen ist unverändert nicht in Sicht. In einer solchen Situation gefährden zusätzliche Mehrbelastungen die Marktanteile und die Arbeitsplätze vor allem im mittelständischen Verkehrsgewerbe“.

Meine Damen und Herren, das Fazit ist bitter und lautet: Rot-Grün hat alle Versprechen gebrochen und gefährdet mit dieser Politik wissentlich substanzielle Arbeitsplätze.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zumindest am Freitagabend, kurz vor Toresschluss, ertönt noch einmal ein bisschen Wahlkampfgetöse.

(Unruhe bei der CDU - Roswitha Strauß [CDU]: Würden Sie nur einmal die Verluste dieser Leute ernst nehmen!)

- Hören Sie doch einmal zu! - Wir haben mehrfach hier in diesem Haus das Thema Maut und die gesamten Schwierigkeiten diskutiert. Es ist unstrittig gewesen, dass in erster Linie das Versagen renommierter deutscher Unternehmen der Spitzenklasse der Grund gewesen ist.

(Roswitha Strauß [CDU] und Uwe Eichel- berg [CDU]: Was hat das mit Kompensation zu tun?)

Sie sind auf den Bericht, den Minister Rohwer hier gegeben hat, überhaupt nicht eingegangen, sondern

(Bernd Schröder)

haben so getan, als wenn es bundesweit, in allen Ländern, im Bundestag und im Bundesrat, ausschließlich rot-grüne Mehrheiten geben würde. Hier ist klar gesagt worden, dass es auf Vorschlag von SchleswigHolstein und Baden-Württemberg eine einvernehmliche Regelung gegeben hat, in Bezug auf Kompensation und Harmonisierung so zu verfahren, wie dies vorgetragen wurde. Wenn, wie das der Minister hier ebenfalls erklärt hat, nicht mehr möglich gewesen ist, so liegt das auch an allen Beteiligten, Herr Kollege Eichelberg.

Hier so zu tun, als wenn das ein Versagen aus Schleswig-Holstein heraus sei, ist schon ein starkes Stück. Um das, was Sie gesagt haben, Frau Kollegin Strauß, noch einmal aufzugreifen: Für mich ist es ein Stück Frechheit, dies völlig zu ignorieren. Wie ernsthaft an diesem Thema gearbeitet wurde, sieht man doch daran, dass ein Vorschlag Schleswig-Holsteins in diese Lösung mit eingeflossen ist. Dafür kann man dem Minister - auch im Interesse des Transportgewerbes - nur danken.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich schlage vor, dass wir uns mit diesem Thema dann ernsthaft befassen, wenn nach dem Start der LKWMaut die Auswirkungen in Schleswig-Holstein spürbar werden und wenn wir dann die Verantwortung haben, dieses Thema hier erneut zu diskutieren. Ich denke, das ist der richtige Weg.

Letzte Bemerkung: Regen Sie sich nicht künstlich darüber auf, dass Sie heute keinen schriftlichen Bericht bekommen haben und dass es nicht möglich war, vom 29. Oktober 2004 bis heute eine schriftliche Vorlage zu erstellen. Dazu muss man fairerweise auch sagen: Heute ist mit Ihrem Dringlichkeitsantrag erst beschlossen worden, dass so verfahren wird. Auch das hätte vielleicht ein bisschen anders vorbereitet werden können.

Machen Sie also halblang. Ich glaube, das, was erreicht wurde, ist bereits eine Entlastung für das Transportgewerbe.

(Roswitha Strauß [CDU]: Was!)

Vielen Dank dafür, Herr Minister Rohwer.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Kollegin Strauß, am 14. September 2004 unterrichtete der Wirtschaftsminister die schleswigholsteinische Öffentlichkeit darüber, dass er den schleswig-holsteinischen Transportunternehmen versprochen habe, sich dafür einzusetzen, dass die Harmonisierungsmaßnahmen gleichzeitig mit der Einführung der LKW-Maut umgesetzt würden. Ich sage hier ganz deutlich: Insoweit treffen gleich drei Unwahrscheinlichkeiten aufeinander: erstens, dass die LKW-Maut ab dem 1. Januar 2005 überhaupt erhoben werden kann, weil das System funktioniert - daran habe ich nach wie vor meine Zweifel -,

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

zweitens, dass die von der Bundesregierung geplanten Harmonisierungsmaßnahmen für das deutsche Speditionsgewerbe europarechtlich zulässig sind und vor allem drittens - daran habe ich meinen größten Zweifel -, dass Minister Rohwer mit seinem Einsatz irgendetwas für Schleswig-Holstein erreicht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Alles drei Punkte halten wir, wie gesagt, für außerordentlich unwahrscheinlich. Wir glauben erst, dass die Maut erhoben wird, wenn sie tatsächlich erhoben wird.

Die rot-grüne Bundesregierung, die rot-grüne Landesregierung und, Herr Kollege Schröder, die Vertreter von Toll Collect haben ihren Ankündigungskredit - jedenfalls bei uns - verspielt. Sie haben schon viel zu oft erzählt, dass es losgehen werde, und noch immer hat sich nichts getan.

Wir erwarten auch nicht, dass die Europäische Union bis zum 1. Januar 2005 - das sind nur noch sieben Wochen - den Harmonisierungsmaßnahmen zustimmen wird, die die Bundesregierung für das deutsche Transportgewerbe plant. Deshalb - das hat die Kollegin Strauß bereits gesagt - werden alle Mautpflichtigen gleich viel bezahlen müssen, Herr Minister. Was Sie hier als Kompensation verkauft haben, hat die Kollegin Strauß als das entlarvt, was es tatsächlich ist: eine Nullnummer.

(Beifall bei der CDU)

Das bedeutet, um es ganz deutlich zu sagen: Es wird bis auf weiteres keine Entlastung für das deutsche Transportgewerbe geben.

Wir sind im Übrigen davon überzeugt, dass Minister Rohwer die Abläufe der Europäischen Union und jene in der Bundesregierung nicht zugunsten Schles

(Dr. Heiner Garg)

wig-Holsteins beeinflussen kann. Bei Herrn Rohwer - das habe ich in den letzten vier Jahren bedauerlicherweise so gelernt - kann man sich nicht darauf verlassen, was er verspricht; man kann sich höchstens darauf verlassen, dass er sich ab und zu verspricht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das sieht er ganz genauso. Deshalb hat er nur angekündigt, er werde sich für Harmonisierungsmaßnahmen einsetzen.

Vor diesem Hintergrund fragt die Union zu Recht nach Kompensationsmaßnahmen der Landesregierung für das schleswig-holsteinische Transportgewerbe. Diese Kompensationsmaßnahmen gibt es, wenn man den Kern der Rede des Ministers zusammenfasst, von dieser Landesregierung nicht. Denn die Landesregierung dürfte aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gar keine direkte Kompensationen zahlen. Selbst wenn sie es wollte, sie könnte es auch deswegen gar nicht, weil in ihrem Haushaltsplan - das haben wir am Mittwoch gehört - 850 Millionen € fehlen.

Zweitens. Anders als diese Landesregierung, die nur noch für 99 Tage ausgelegt ist, ist die LKW-Maut für die Ewigkeit oder jedenfalls für längere Zeit ausgelegt. Diese rot-grüne Landesregierung, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist bei zwei Dingen wirklich Spitze, nämlich beim Schuldenmachen und beim Investitionsraubbau. Wenn Sie wirklich etwas für das schleswig-holsteinische Transportgewerbe hätten tun wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von RotGrün, lieber Herr Wirtschaftsminister, dann hätten Sie dazu 16 Jahre lang Zeit gehabt, nämlich bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Das hätte dem schleswig-holsteinischen Transportgewerbe wirklich etwas gebracht.

(Beifall bei FDP und CDU)