Protokoll der Sitzung vom 18.10.2000

Zweitens: Kommunale Beschäftigungsgesellschaften treten als Anbieter von Handwerksleistungen am Markt auf und nehmen örtlichen Betrieben die Aufträge weg. Der Bürgermeister von Großhansdorf hat soeben die Malerarbeiten im Rathaus von der örtlichen Beschäftigungsgesellschaft erledigen lassen. Andere Bürgermeister im Kreis Stormarn sollen den Rat bekommen haben, sich ähnlich zu verhalten.

Drittens: Die LEG bietet nach wie vor ihre Beratung bei Baugebietserschließungen an. Die Bürgermeister gewinnen dabei den Eindruck, dass mit Hilfe der LEG auch die Genehmigungen besser laufen,

(Zuruf von der SPD: Ach was!)

weil man die Wege dorthin am besten kenne.

Viertens: Die Stadtwerke scharren an allen Orten ungeduldig mit den Hufen und dehnen ihre Geschäftstätigkeit aus. Nur mühsam hält sie das örtliche Handwerk zurück.

Fünftens: Der Innenminister - leider ist er nicht im Saal - macht im Innen- und Rechtsausschuss die Aussage, in Zukunft seien die KFZ-Werkstätten der Polizei besser ausgelastet, weil man auch polizeifremde Fahrzeuge repariere.

(Klaus Schlie [CDU]: Hört, hört!)

Was sagt denn das KFZ-Handwerk dazu? Weiß der Innenminister nicht, dass das KFZ-Handwerk eine

Umsatzrendite von einem Prozent und weniger hat und dringend Aufträge braucht? Weiß er das wirklich nicht?

Sechstens: Die GMSH versuchte, einen Auftrag für eine Straßenplanung zu erhalten - im Wettbewerb zu privaten Planungsbüros. Darauf angesprochen, ob das ein richtiges Verhalten sei, sagen die Mitarbeiter der GMSH: Uns wird gesagt, wir sollen versuchen, solche Aufträge zu bekommen; wir wären froh, wenn die Politik eine Klärung herbeiführen würde, was wir dürfen und was wir nicht dürfen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich denke, das ist auch dringend notwendig.

Das alles sind Wildwüchse, Wildwüchse in einem Land, das zu lange sozialdemokratisch regiert worden ist.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Sie sind Ausdruck des tiefen Misstrauens der Sozialdemokratie gegenüber allem Privaten.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Wir fordern Sie auf, diesen Zuständen durch mutiges Einschreiten ein Ende zu bereiten. Die öffentliche Hand muss ihre wirtschaftliche Betätigung auf den Märkten zurücknehmen. Der Staat darf nicht zum Konkurrenten für seine Bürger werden,

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

denn - das ist jetzt der Knackpunkt - es gibt keine Chancengleichheit zwischen privaten und öffentlichen Anbietern.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Einen Moment, bitte, Frau Abgeordnete! Ich möchte noch einmal um etwas mehr Ruhe bitten. Das, was hier gesagt wird, ist kaum mehr zu verstehen.

Sie haben wieder das Wort, Frau Abgeordnete!

Bei öffentlichen Unternehmen werden Verluste vom Steuerzahler ausgeglichen und bei Privaten führen Verluste in die Pleite. Die Firmen sind dann „weg vom Fenster“, die Arbeitsplätze gehen verloren und die Steuerquellen versiegen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich wenigstens die Einhaltung des § 101 Abs. 3 der Gemeindeordnung anmahnen. Wir hatten ja in der vergangenen Wahlperiode eine Änderung beantragt, die eine Umkehr der Beweislast zum Inhalt hatte. Das heißt, die Gemeinde

(Brita Schmitz-Hübsch)

sollte zukünftig nachweisen, dass sie die gemeindlichen Aufgaben besser und wirtschaftlicher als Dritte erfüllen kann.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [F.D.P.])

Das hat die linke Seite des Hauses damals abgelehnt.

Aber auch nach der jetzigen Fassung dürfen sich die Gemeinden nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn unter anderem der „Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erfüllt werden kann“. Auch wenn die Gemeinden diesen Nachweis nur ungern führen, sollten sie doch von Zeit zu Zeit - das ist eine Frage des Regierungshandelns - daran erinnert werden, sich im Rahmen einer Aufgabenüberprüfung von Aufgaben zu trennen, die sie im Laufe der Jahre übernommen haben und die längst besser von Privaten erledigt werden können.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich komme zum Schluss. Wer wirklich den Mittelstand fördern will, und zwar nicht nur in Sonntagsreden das können wir alle -, muss die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand einschränken. Wer Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen will, muss dem überwiegend regional handelnden Mittelstand Chancen zur Entfaltung bieten und nicht seine Chancen einschränken, wie es in diesem Land geschieht.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss!

Sofort! - Zur Vertiefung der Diskussion beantrage ich die Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rother.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Schmitz-Hübsch, die Schlachten der vergangenen Wahlperiode neu zu schlagen, ist Ihr gutes Recht, aber ob uns das weiterbringt, ist sicherlich eine ganz andere Frage.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben vorgetragen, dass der Landtag Ihrem Antrag vor fast über einem Jahr nicht gefolgt ist. Sie haben aber nicht mitgeteilt, dass der Landtag zu diesem Thema durchaus einen Antrag beschlossen hat, nämlich einen Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Der Kernsatz dieses Antrags lautet:

„Die Landesregierung wird aufgefordert, bei der Vergabe von Dienstleistungen im Bau-, Planungs- und Beratungsbereich, die von Unternehmen erbracht werden, die sich ganz oder teilweise im öffentlichen Besitz befinden, private Unternehmen angemessen zu berücksichtigen.“

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das reicht nicht! - Beifall des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

So, nun können wir natürlich erst einmal eine Grundsatzdiskussion darüber führen,

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Sehr richtig! Das machen wir im Ausschuss!)

in welchen Bereichen die öffentliche Hand überhaupt tätig sein soll und was die Formulierung „angemessen“ denn nun bedeutet. Über private Rechtsformen, Privatisierung, Deregulierung und Standardöffnung reden wir ja sowieso schon.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Sie handeln nicht!)

Wir könnten auch Ihr Thema wieder einbeziehen, wenn die Diskussion im vergangenen Jahr nicht eigentlich schon beendet worden wäre.

Trotz Ihrer vielen Beispiele sind Sie aus meiner Sicht einen wirklichen Nachweis schuldig geblieben, dass die Landesregierung diesen Beschluss nicht beachtet und tatsächlich eine mittelstandsfeindliche Vergabepolitik durchführt.

(Beifall bei der SPD)

Auch Ihre Kleine Anfrage - die haben vielleicht einige hier im Haus gelesen - zur Betätigung der Investitionsbank auf dem Bausektor hat kein entsprechendes Ergebnis zutage gebracht.

Als weiteres Beispiel haben Sie die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften genannt. In der Stadt, in der ich wohne, in Lübeck, arbeiten beispielsweise Handwerk und kommunale Beschäftigungsgesellschaft sehr gut Hand in Hand, nachdem es zunächst einmal

(Thomas Rother)