Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Im Großen und Ganzen sage ich: Es lebt sich gut als Senior in Schleswig-Holstein. Blicke ich in die Zukunft und betrachte mich in der Seniorengeneration, so brauche ich keine Angst um meine Sicherheit zu haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich pflegebedürftig werde, relativ gering, habe ich Chancen, ein hohes Alter zu erlangen und zu den Hochbetagten zu gehören, dürfte ich ausreichend Geld zur Verfügung haben, werde ich ein Konto bei meiner Kreissparkasse vor Ort haben, besitze ich Wohnungseigentum und lebe in einem Zweipersonenhaushalt, werde ich ein ausreichendes Angebot an medizinischer und pflegerischer Versorgung in diesem Lande haben, werde ich mehrmals im Jahr auf Kurzurlaub, auf Städte- und Vitalreisen sein, werde ich Gasthörer an der Philosophischen Fakultät der Uni sein, engagiere ich mich ehrenamtlich in einem Sportverein und werde regelmäßig Sport treiben. Sollte es dann eines Tages mit mir zu Ende gehen, so kann ich auf eine vielfältige flächendeckende Angebotsstruktur stationärer und ambulanter Hospize zurückgreifen und in Würde sterben.

(Werner Kalinka [CDU]: Haben Sie eine Werbeagentur?)

Ja, meine Damen und Herren, es lebt sich nicht nur heute gut als Senior in Schleswig-Holstein; das sind auch gute Zukunftsperspektiven für die Gruppe der künftigen Senioren unter dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD - Werner Kalinka [CDU]: Wunderbar!)

Stillstand ist jedoch Rückstand. Daher können wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Mithilfe der Angaben aus der Antwort zur Großen Anfrage möchte ich das von mir eben gezeichnete Bild untermauern. Die Älteren stellen 24,2 % der Wohnbevölkerung, aber lediglich 5 % der Opfer von Straftaten. Die Seniorinnen und Senioren leben in SchleswigHolstein sicherer als in anderen Bundesländern. Im Bundesdurchschnitt liegt dieser Wert bei 5,3 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass Seniorinnen und Senioren in Schleswig-Holstein Opfer einer Straftat werden, ist damit relativ gering.

Nur 2,7 % der Bevölkerung in Schleswig-Holstein ist pflegebedürftig. Dies hat sich seit 1999 nicht verändert. 1 % werden stationär, 0,5 % ambulant und 1,2 % durch Angehörige gepflegt. Trotz höheren Anteils Älterer an der Gesamtbevölkerung in SchleswigHolstein steigt die Zahl der Pflegebedürftigen kaum.

(Werner Kalinka [CDU]: Danke, liebe Lan- desregierung!)

Die Anzahl und der Anteil Älterer in der Gesellschaft ist deutlich gewachsen. Es wird damit gerechnet, dass der Anteil der „alten Alten“, derjenigen, die 70 Jahre und älter sind, zunimmt. 2012 soll deren Anteil bei 16 % liegen.

Gegenüber den Jüngeren gibt es überproportional viele Ältere mit höherem Einkommen. Der Anteil der über 65-Jährigen ohne Einkommen ist mit 2,6 % verhältnismäßig klein. 62 % der über 65-Jährigen haben monatlich über 900 € zur Verfügung. Bei den unter 65-Jährigen sind es nur 47 %.

Bei den Kreditinstituten erweist sich die Filiale vor Ort als bedeutender Vertriebsweg. 2002 waren 59 % der 60- bis 70-Jährigen Kunde bei einer Kreissparkasse. Das sind 4 % mehr gegenüber 1997.

Es ist das Bestreben Älterer, Wohnungseigentum bis ins hohe Alter zu bewohnen. Dadurch wird der finanzielle monatliche Aufwand um 519 bis 613 € durch Ersparnis der Miete entlastet.

(Das Saalmikrofon fällt aus)

(Andreas Beran)

- Hallo? - Ja, jetzt geht es wieder.

(Heiterkeit und Beifall)

Da hat mir oben vom Präsidium jemand den Saft abgestellt. Die Zahlen scheinen zu gut zu sein, da muss man den Saft einfach wegnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Statistisch gesehen gibt es keine Wartezeiten für eine Aufnahme in stationäre Pflegeeinrichtungen. So gab es 2001 590 Einrichtungen mit rund 33.100 Plätzen. Es gibt 428 ambulante Pflegedienste und immer mehr Ärzte, die Fort- und sogar Weiterbildung im Bereich klinische Geriatrie betreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle will ich mit der Untermauerung der von mir aufgezeigten Lebenssituation der Älteren in Schleswig-Holstein aufhören. Ihnen allen liegt die Antwort der Landesregierung vor und ich kann nur empfehlen, sich mit ihr auch auseinander zu setzen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Mit der Landesre- gierung?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können uns auf dem Erreichten jedoch nicht ausruhen, denn - wie gesagt - Stillstand ist Rückschritt. Die Antwort auf die Große Anfrage bietet eine Vielzahl von Informationen. Sie dienen uns, der Politik, dazu, politische Entscheidungen auf einer soliden Basis zu treffen.

Ich sehe für die Zukunft Handlungsbedarf auf folgenden Feldern. Durch einen höheren Anteil Älterer an der Bevölkerung in Schleswig-Holstein nehmen die absoluten Zahlen Demenzkranker zu. Wir sind gefordert, Zukunftsmodelle zu entwickeln, sodass auch Demenzkranke möglichst lange selbst bestimmt und daher sicher leben können.

(Werner Kalinka [CDU]: Das sagen wir schon seit zwei Jahren!)

Die Pflege und Unterstützung alter Migrantinnen und Migranten wird an Bedeutung gewinnen. Die Seniorenpolitik für Migrantinnen und Migranten wird im Hinblick auf ihre Sprache, Kultur und Religion besonderen Anforderungen entsprechen müssen. Hierfür müssen wir Konzepte entwickeln. Ältere Menschen sind unsicherer bei der Bewertung angebotener Dienstleistungen und Waren. Wir müssen unsere Verbraucherpolitik darauf ausrichten, diese Unsicherheit zu beseitigen. Ein Instrument hierfür ist der Erhalt von Verbraucherzentralen. Auch müssen die Produkte verstärkt an die Bedürfnisse Älterer angepasst werden; ich nenne als Beispiel Handys für Senioren.

Nur 5 % der Senioren leben in Wohnungen, die spezifisch altersgerecht sind. 20 % der Älteren leben in Wohnungen, die für sie zu groß und die unangepasst an altersgerechte Wohnformen sind. Das kann die gewünschte Eigenständigkeit im Alter einschränken. Grundsätzlich müssen Wohnungen so gestaltet werden, dass sie durch wenige Veränderungen jederzeit barrierefrei hergerichtet werden können.

(Veronika Kolb [FDP]: Dann fangt mal an!)

Auch wenn die medizinische und pflegerische Versorgung flächendeckend ausreichend ist, so fehlt es doch an Angeboten im Umfeld. Ich nenne als Beispiel Hilfen im Haushalt oder beim Einkaufen, Fahrdienste oder soziale Betreuungsangebote. Auch die Wohnorte, also die Kommunen, sind aufgefordert, für diese Infrastruktur zu sorgen. Vielleicht können hier auch die so genannten Ein-Euro-Jobs helfen.

Der Anteil Älterer an den Opfern im Straßenverkehr ist verhältnismäßig hoch, obwohl es ein vielfältiges Angebot an Aufklärung speziell für Seniorinnen und Senioren gibt. Vielleicht liegt dies auch an der mit zunehmendem Alter abnehmenden Reaktionsfähigkeit. Die Älteren müssen noch mehr ermuntert werden, zu ihrer eigenen Sicherheit an Trainingsprogrammen teilzunehmen.

Dieser Katalog an Handlungsbedarf hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Studium der Antwort auf die Große Anfrage hat mir gezeigt, dass es immer wieder neue Aspekte und Ideen gibt, die ein Potenzial für politisches Handeln beinhalten. Die Auswertung der Informationen hat mir noch etwas deutlich gemacht: Es gibt keine Allgemeingültigkeit, nach der sich Seniorinnen und Senioren ihre Lebensumstände, ihr Lebensumfeld, ihre Lebensbedingungen und ihre Lebensgestaltung vorschreiben lassen wollen. Individuelle Lösungen für die Einzelne beziehungsweise den Einzelnen sind gefragt.

So mag es heute eine ausreichende Anzahl an stationären Einrichtungen geben, aber ihre strukturelle Gestaltung und ihre teilweise ungünstigen Lagen, die eine Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe nicht zulassen, werden von den kommenden Generationen Älterer nicht mehr akzeptiert werden. Hierauf werden sich die Politik und die Anbieter von Leistungen einzustellen haben.

Zum Schluss möchte ich noch einmal auf die eigentlichen Ziele einer aktiven Seniorenpolitik hinweisen: eine möglichst selbstständige und selbst bestimmte Lebensführung im Alter und die Verbesserung der Teilhabe der Seniorinnen und Senioren an unserer Gesellschaft, in der sie einen erheblichen Teil darstellen.

(Andreas Beran)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, die Sozialdemokraten, werden die Seniorenpolitik der Landesregierung weiter unterstützen, damit es sich auch in Zukunft als älterer Mensch gut in unserem SchleswigHolstein leben lässt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kleiner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg zwei Bemerkungen: Erstens. Wenn eine Regierungsfraktion eine Große Anfrage an die von ihr getragene Landesregierung richtet und über deren Antwort gut zwei Monate vor der nächsten Landtagswahl im Plenum diskutiert wird, kann und muss die Opposition davon ausgehen, dass die von der Regierungsfraktion erbetenen Antworten in erster Linie dazu dienen sollen, die Landesregierung öffentlich in einem guten Lichte dastehen zu lassen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kritische Fragen werden also ganz gewiss nicht gestellt.

(Lothar Hay [SPD]: Das machen Sie aber ganz anders!)

- Lieber Herr Hay, das muss doch einmal gesagt werden. Ganz blöd sind wir auch nicht.

(Beifall bei CDU und FDP - Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Es liegt in einer solchen Situation auch auf der Hand, dass sich die Opposition bei ihrem Beitrag nicht darin erschöpft, in den Jubel der Regierungsfraktion und der Landesregierung einzustimmen, sondern ihre Aufgabe vornehmlich darin sieht, auf bewusst oder unbewusst offen gelassene Lücken hinzuweisen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Hauptlücke in dem Fragenkatalog der größten Regierungsfraktion besteht darin, dass die Seniorenpolitik auf die inner-schleswig-holsteinischen Vorgänge reduziert wird; Herr Beran hat uns hier ja das Paradies aufgezeigt.

(Lachen und Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Älterwerden in Schleswig-Holstein erfolgt aber nicht nur unter dem fürsorglich aufgespannten Schirm der rot-grünen Landesregierung, sondern auch unter dem kalten Regen, in dem die rot-grüne Bundesregierung in Berlin die in unserem Land lebenden Senioren stehen lässt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich werde auf diesen für das Älterwerden überall in unserem Vaterland wichtigen Bereich später noch eingehen.

In den Antworten der Landesregierung werden eine Fülle von statistischen Daten präsentiert. Soweit ich es übersehe, haben die Ministerialbeamten des Sozialministeriums nicht nur fleißig, sondern auch sorgfältig gearbeitet. Ich will den Beamten meine Anerkennung für ihre umfangreiche und genaue Arbeit aussprechen.

(Beifall)

Wer in der nächsten Legislaturperiode bei der Bearbeitung von seniorenpolitischen Themen statistische Einzelheiten braucht, wird hierauf sehr gut zurückgreifen können.