Zweitens. Der Atomkonsens, über den Sie gesprochen haben, Herr Minister, ist rechtlich nicht mehr als wertloses Papier. Lesen Sie einmal - ich will es Ihnen nicht zumuten; lassen Sie Ihre Mitarbeiter lesen, die juristisch interessiert sind - in der Oktober-Ausgabe der NVwZ, der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht, den Artikel von Herrn Schorkopf nach. Er hat zum Atomkonsens Folgendes zu Papier gebracht:
- wohlgemerkt: es handelt sich um eine vertragliche Regelung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgern
„setzt voraus, dass der Vertragsgegenstand der Bestimmungsmacht beider Parteien unterliegt. Der Abschluss einer quasi vertraglichen Vereinbarung zwischen Bundesregierung und EVU nährt in der Öffentlichkeit den Eindruck, staatliche Verfügungsmacht sei der Handelbarkeit unterworfen.“
Schorkopf spricht von der „Durchbrechung der formalen Trennung von Rechtssetzern und Rechtsunterworfenem“.
Hieran wird ganz deutlich: Die Bundesregierung hat mit diesem Atomkonsens die Verfassungsorgane und die formal vorgeschriebenen Verfahren unserer Verfassung verlassen und missachtet.
Auf diese Weise ist die Bundesregierung als Krämerladen auf dem Gebiet des Atomrechts hervorgetreten. Das ist bestimmt nicht das, was Sie immer predigen.
Wenn man sich den Bericht selbst ansieht, stellt man fest: Er ist genau wie Spaghetti, lang, dünn und hohl.
(Zuruf von der CDU: Er schmeckt wie Mak- karoni! - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Spa- ghetti sind eben nicht hohl!)
Er ist nichts als Selbstbeweihräucherung und auf die wirklichen ernsten Fragen, die sich heutzutage stellen, geht er überhaupt nicht ein.
Tatsächlich zerbröselt der Atomkonsens ja auch bereits, Herr Minister! Wenn ich zum Beispiel die Weigerung Frankreichs sehe, in La Hague die Castorbehälter anzunehmen, wenn ich die Problematik beim Bau und der Errichtung der Zwischenlager sehe, die jetzt ja offensichtlich von allen Ihren politischen Freunden, die Sie immer unterstützt haben, heftigst bekämpft werden, und wenn ich schließlich diese selbst programmierte Entsorgungskrise betrachte denn Sie haben ja die Entscheidung zu Gorleben getroffen und unterstützt -, wenn ich also auch diese Entsorgungskrise sehe, dann zeigt sich, dass alles das, was Sie da haben vereinbaren wollen, jetzt schon wieder zerbröselt.
Wir haben ja in der vergangenen Debatte bereits darauf hingewiesen, Herr Minister, dass Sie die Zwischenlager in Schleswig-Holstein - so, wie Sie dies auch in dem Bericht darstellen - so nicht wollen, dass Sie auf diese Weise natürlich die Fortsetzung der Blockade unserer schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke und die Fortsetzung der Auseinandersetzung um die Transporte wieder vorprogrammiert haben und dies offensichtlich auch wollen!
Natürlich haben wir ebenso darauf hingewiesen, dass dies auch eine Fortsetzung der Verunsicherung der Unternehmen und der Arbeitnehmer in diesen Unternehmen bedeutet, die dort ihre Arbeitsplätze haben und diese Arbeitsplätze auch behalten wollen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die wirklichen Vereinbarungen, zum Beispiel diejenige vom 9. November - vor wenigen Tagen - zwischen Bundesregierung, Industrie und Wirtschaft, kommen in Ihrem Bericht überhaupt noch nicht vor, obwohl Ihnen diese Vereinbarung mit Sicherheit bekannt gewesen ist. Da rühmt sich die Bundesregierung einer Reduktion der CO2-Emissionen um 15.000 bis 20.000 t. Wenn Ihre Kernenergieausstiegspläne wahr werden, dann werden wir mit einer zusätzlichen CO2-Fracht von 170.000 t zu leben haben. Darum geht es. Dagegen sind natürlich die 15.000 bis 20.0000 t ein Tropfen auf den heißen Stein.
Sagen wir es ganz deutlich, Herr Minister: Die Polkappen schmelzen und die rot-grüne Regierung leistet tüchtig ihren eigenen deutschen Beitrag dazu.
Worüber wir wirklich reden müssten, wäre ein Energiemix aller möglichen Energieträger, die umweltpolitisch richtig und ökonomisch im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft vertretbar sind und die nicht neue Subventionsgräber darstellen. Das bedeutet Effektivität der Vermeidung der Treibhausgase als oberste Priorität - da müssten Sie sozusagen Ihre sich selbst gesetzten Prioritäten ändern -, ordnungspolitische Korrektheit, Wettbewerb auch in der Energiewirtschaft - dieser Wettbewerb darf nicht rückgängig gemacht werden -, keine neuen Subventionsfriedhöfe Sie sind dabei genau die zu errichten -, Förderung nur mit dem Ziel der Marktreife und schließlich Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente zur Erzielung weltweiter Klimaschutzeffekte.
Das ist es, worüber gegenwärtig in Den Haag geredet wird und worüber Ihre Kollegen ja nicht so gern reden wollen.
Diesen wirklich entscheidenden Fragen widmet sich der Bericht über 50 Seiten hinweg überhaupt nicht. Er ist im Grunde ein Stück wertloses Papier. Es tut mir Leid, es nicht anders sagen zu können.
Zunächst danke ich der Landesregierung für die ausführliche und grundlegende Auskunft auf unsere Anfrage vom Sommer dieses Jahres. Aus gegebenem Anlass möchte ich eingangs noch einmal betonen, dass wir als SPD den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie weiterhin für unabdingbar halten, weil wir die möglichen Auswirkungen eines Schadensfalles für nicht hinnehmbar halten.
Gerade erleben wir bei dem schrecklichen Unglück in Österreich, dass es bei technischen Anlagen trotz aller Ingenieurleistungen immer wieder zu Ereignissen kommt, die nicht vorhersehbar sind. Was passieren kann, passiert - das sagt Murphy’s Gesetz; es findet hier in Österreich auf tragische Weise eine Bestätigung. Was bei einem solchen Unfall als schlimmes, aber letztlich lokales Ereignis stattfindet, hätte im Falle der Kernenergie unabschätzbare Folgen.
Hoffen wird gemeinsam, dass so etwas während der vereinbarten Restlaufzeiten in unserem Land nicht geschieht.
Unser Ziel muss es sein, dass auch andere Länder von diesem Weg überzeugt werden. Das Ans-Netz-Gehen so umstrittener Anlagen wie der in Tschechien kann nicht der richtige Weg sein.
Für die Zeit bis zum endgültigen Ausstieg zeigt uns die Antwort der Landesregierung den Weg auf, den wir als Sozialdemokraten unterstützen. Die für diesen Ausstieg notwendigen Schritte werden wir nicht nur positiv begleiten, sondern vorantreiben. Der Bau von Zwischenlagern gehört genauso dazu wie die Notwendigkeit, das Problem der Endlagerung zu lösen. Wir wissen, dass dies nicht ohne Diskussionen an den je
weiligen Standorten abgehen wird; trotzdem - oder besser gesagt: wegen des damit verbundenen Zieles, dem Ausstieg aus der Atomenergie - stellen wir uns diesen Diskussionen und werden sie auch ausführlich führen. An den jetzigen AKW-Standorten werden wir, wie von mir schon im Juli an dieser Stelle gesagt, für Ersatzarbeitsplätze sorgen, damit den betroffenen Mitarbeitern eine Perspektive gegeben wird.
Meine Damen und Herren, nicht nur der Sicherheitsaspekt ist Grund für uns Sozialdemokraten, der Kernenergienutzung den Rücken zu kehren. Während wir hier tagen, ist in Den Haag die Klimaschutzkonferenz zusammengetreten, um die nächsten Schritte zum Abbau der CO2-Emissionen zu beschließen. Ich freue mich, dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf diesen Aspekt hingewiesen hat. Wegen der Aktualität des Themas CO2 und weil von der Opposition wiederholt behauptet wurde, dass Kernenergienutzung die bessere Alternative für das Erdklima sei, lassen Sie mich aus der Antwort einen Satz zitieren. Basierend auf Modellrechnungen über die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten heißt es:
„Danach hat eine Versorgungsstruktur, die die Nachfrage nach Wärme und Strom durch eine Kombination von Atomkraftwerken und Heizungsanlagen auf Öloder Gasbasis deckt, eine deutlich negativere Umwelt- und CO2-Bilanz als eine, die dies durch Systeme mit Kraft-Wärme-Kopplung auf der Basis von Erdgas und Biogas bewerkstelligt.“
Ausstieg aus der Kernenergie heißt also nicht nur Abkehr von einer hoch gefährlichen Technologie, sondern ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz auf dieser Erde.