- Das ist das Problem. Ich bin Frau Schlosser-Keichel, die den Antrag für die SPD mit unterschrieben hat, Frau Fröhlich und auch Frau Schümann sehr dankbar, dass sie dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir mit allen Bestandteilen und allen Formulierungen des vorliegenden Antrags einverstanden sind. Ich bin zum Beispiel nicht mit dem zweiten Satz des ersten Absatzes einverstanden, in dem davon die Rede ist, dass „unter dem Schein der rechtlichen Gleichheit die traditionellen Ausgrenzungen faktisch nicht fortgesetzt werden dürfen.“
- Herr Kubicki, das hört sich so an, als ob sich in den letzten Jahren zum Thema Gleichstellung von Männern und Frauen und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nichts getan hätte.
Das ist nun wirklich nicht der Fall. Auch wenn es immer wieder von SPD und Grünen verschwiegen wird: Gerade in den Regierungsjahren von CDU und F.D.P. in Bonn von 1982 bis 1998 sind beachtliche Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt worden. Diese Fortschritte sind im besten Sinne des Wortes alltäglich geworden. Ein Leben ohne Erziehungsurlaub und Erziehungsgeld, ohne Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung - jeweils sowohl für die Frau als auch für den Mann, je nachdem, wer die Kinder erzieht beziehungsweise erzogen hat
oder ein Leben ohne Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz können wir uns gar nicht mehr vorstellen. Gerade diese gleichstellungs- und familienpolitischen Errungenschaften haben bewirkt, dass die Ausgrenzung von Frauen abgebaut wurde und nicht fortgesetzt wird. Die Errungenschaften haben weiter bewirkt, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter als Querschnittsaufgabe wahrgenommen wurde und wird.
Wir geben zu, dass nichtsdestoweniger noch viele Defizite festzustellen sind. Zu nennen sind zum Bei
spiel der erschreckend geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen - trotz besserer Schulabschlüsse. Frauen oder Mädchen machen bessere Schulabschlüsse als Männer oder Jungen.
Weiter sind die ungerechten Einkommenssituationen, die unterschiedliche Teilnahme am öffentlichen Leben, Gewalt gegen Frauen und leider vieles mehr zu nennen. Auch das Verhältnis von Gender Mainstreaming zur traditionellen Gleichstellungsförderpolitik ist offensichtlich von SPD und Grünen nicht ganz richtig verstanden worden. Jedenfalls habe ich nach dem Antrag diesen Eindruck.
Die im dritten Absatz des Antrags genannten Instrumente einer spezifischen Frauenförderpolitik - wie Frauenförderprogramme, Frauenförderpläne und Gleichstellungsbeauftragte auf der einen Seite und Gender Mainstreaming auf der anderen Seite - sind zwei unterschiedliche Strategien für die Erreichung der selben Zielsetzung, nämlich der Gleichstellung von Männern und Frauen.
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Politikansätzen besteht in den beteiligten Akteuren und den konzeptionellen Ansatzpunkten. Die bisherige Frauenförder- oder Gleichstellungspolitik geht von einer konkreten Problemstellung aus, die die Ungleichheit der Geschlechter betrifft. Über bestimmte organisatorische Einheiten, die für die Gleichstellungspolitik zuständig sind, wird eine konkrete Lösung für dieses Problem entwickelt. Das ist der Optimalfall.
Demgegenüber setzt Gender Mainstreaming an allen politischen Entscheidungen an, auch da, wo auf den ersten Blick kein geschlechtsspezifischer Problemgehalt erkennbar ist. Alle diese Maßnahmen werden unter einer geschlechterbezogenen Perspektive betrachtet, das heißt, die möglicherweise unterschiedlichen Ausgangsbedingungen oder Auswirkungen der Maßnahmen auf beide Geschlechter müssen abgefragt und ermittelt werden. Die unterschiedlichen Realitäten von Frauen und Männern werden deutlich und zum politischen Entscheidungskriterium für die Eignung und Qualität der Maßnahme erhoben. Es muss sozusagen eine Bilanz erstellt werden.
In dieser Hinsicht habe ich allerdings das sichere Gefühl, dass diese Bilanzierung bei der schleswigholsteinischen Landesregierung heftig zu kurz gekommen ist.
Ein aktuelles Beispiel aus der jüngsten Zeit ist die Beschaffungsordnung der GMSH, die allenfalls dafür geeignet ist,
Mithilfe der „traditionellen“ Frauenförderoder Gleichstellungsmechanismen, vorausgesetzt, sie werden vernünftig angewendet - kann rasch und zielorientiert gehandelt werden. Die jeweilige Maßnahme beschränkt sich jedoch auf eine spezifische politische Problemstellung. Gender Mainstreaming dagegen setzt als Strategie grundlegender und sehr viel breiter an. In einem effektiven Gesamtkonzept ergänzen sich beide Politiken, aber nur dann, wenn es sich nicht um isolierte Maßnahmen handelt, wie es bei einer großen Anzahl von Aktivitäten der Landesregierung zur Frauenförderung der Fall ist, die ohne größeren Einfluss auf die Gesamtsituation der Geschlechtergleichstellung und ohne wesentlichen Einfluss auf politische Konzepte insgesamt bleiben.
Der Weg muss also sein: Schwerpunktverlagerung, weg von isolierten Maßnahmen zugunsten von Frauen hin zu einem stärker integrierten Ansatz! Die europäischen Strukturfonds gehen nach diesem Prinzip vor, wie es unter anderem auf der Internetseite der Frauenministerin, Frau Lütkes, zum Thema „Frauen im Erwerbsleben“ deutlich wird. Allerdings möchte Frau Lütkes auf dieser Internetseite - kennen Sie die?
den Eindruck vermitteln, dass die Einbeziehung von Gender Mainstreaming in die Kriterien der EUFördermittelvergabe eine schleswig-holsteinische Erfindung sei. Das ist nun wirklich nicht so. Das ist Bestandteil einer entsprechenden Entschließung des EU-Rates.
Ich halte also Folgendes fest. Obwohl spezielle Maßnahmen als Teil eines dualen Ansatzes in der Gleichstellungspolitik in nächster Zukunft wohl noch not
wendig sein werden, erfordert das Gender Mainstreaming insgesamt einen umfassenderen Ansatz auch hier im Land.
Die fünf im Antrag aufgeführten Punkte sind nach meiner Meinung nur bedingt tauglich, diesen umfassenden und integrativen Ansatz zu verfolgen.
Wir beantragen, den Antrag an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Das habe ich mit den Kolleginnen der SPD und der Grünen abgesprochen. Wir wollen dort dem von SPD und Grünen formulierten Auftrag an die Landesregierung noch einige Aspekte aus unserer Sicht hinzufügen, die diesem integrierten Ansatz der EU und übrigens auch dem von der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 gewollten Ansatz entsprechen.
Zum SSW-Änderungsantrag möchte ich noch einen Satz hinzufügen. Sie beantragen, dass alle zwei Jahre ein Rechenschaftsbericht darüber abgegeben wird.
Die SPD hat ihren Antrag dahin gehend geändert, dass das in regelmäßigen Abständen erfolgen sollte. Ich könnte mir vorstellen, dass es zusammen mit dem Gleichstellungsbericht geschieht, der einmal in der Legislaturperiode abgegeben werden soll.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kollege Baasch, ich bin bis zur letzten Minute vom Krankenhausbett in Bäk instruiert worden, Ihnen das vorzutragen, was ich Ihnen gleich vortragen werde. Unsere frauenpolitische Sprecherin, Frau Dr. Christel Happach-Kasan, befürchtete, dass ich aus einer männlichen Beklommenheit heraus mög
licherweise zu milde mit dem Antrag von Rot-Grün umgehen würde. Deswegen gab sie mir die folgenden Worte mit auf den Weg.
Nach der Definition der EU-Kommission bedeutet Gender Mainstreaming, „die Bemühungen um das Vorantreiben der Chancengleichheit nicht auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen zu beschränken, sondern zur Verwirklichung der Gleichberechtigung ausdrücklich sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen einzuspannen“. Das heißt also: Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe.