(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])
Wir werden Ihnen dann gern darstellen, dass beispielsweise im Oktober bereits eine ausführliche Fachtagung zu diesem Thema hier in Kiel stattgefunden hat, an der 200 Frauen, aber auch einige Männer teilgenommen haben und die sich mit diesem Thema, aber insbesondere mit den Anfängen der Umsetzung von Gender Mainstreaming in europäischen Ländern auseinander gesetzt hat. Diese Tagung - ich denke, aber auch die heutige Debatte - zeigt, dass mehr als fünfzig Jahre nach der Formulierung des Artikels 3 des Grundgesetzes, mehr als vierzig Jahre nach dem Gleichberechtigungsgesetz, mehr als zwanzig Jahre nach der Abschaffung des Schuldprinzips und damit der Einführung des Rechts zum Getrenntleben für Frauen - nicht nur für Männer, das es ja damals verkappt immer gab - und keine zehn Jahre nach der Begründung der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe die Debatte um Frauenpolitik und die politische Umsetzung von Fraueninteressen beileibe nicht beendet sind
und sich viele Männer - wenn ich mir das erlauben darf zu sagen, Herr Kubicki -, noch mit diesem Themenbereich auseinander setzen müssen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])
Gender Mainstreaming ernst genommen, bedeutet, das Angebot an Führungskräften in Politik und Verwaltung, sich mit diesem Thema ernsthaft in Form von
Schulungen auseinander zu setzen; denn Artikel 3 ernst genommen, ist sehr schwierig in der Praxis umzusetzen.
Sie haben zwar darauf hingewiesen - da will ich Ihnen gar nicht widersprechen -, dass die Landesregierung selbstverständlich an Recht und Gesetz und insbesondere an die Verfassung gebunden ist, aber Verfassungswirklichkeit, Umsetzung des Verfassungsanspruchs und der hehre Anspruch, der hinter der Formulierung der Verfassung steht, sind ja leider - wie wir alle wissen - noch immer nicht deckungsgleich. Daran zu arbeiten, ist oberste Verpflichtung insbesondere eines Ministeriums wie dem meinen. Deshalb denke ich, dass wir hier zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen müssen; denn Frauenpolitik ist ein hartes Geschäft - um das einmal so zu sagen. Wir haben zwar viel erreicht und das Prinzip des Gender Mainstreaming ist in einigen Programmen der Landesregierung bereits durchgesetzt - nehmen Sie „ziel“, nehmen Sie das „Regionalprogramm 2000“ oder nehmen Sie „Arbeit für Schleswig-Holstein“.
- Wahrlich nicht, aber Schleswig-Holstein arbeitet an der Umsetzung dieses generellen Leitprinzips, das im Übrigen keine EU-Erfindung ist, sondern im Rahmen der Frauenbewegung schon sehr lange diskutiert worden ist. Der qualitative Sprung, den wir haben, ist, dass das im Amsterdamer Vertrag von den Vertragsstaaten unterzeichnet worden ist und damit zu einer staatlichen Verpflichtung erhoben worden ist.
Aber nach 25 Jahren Frauenbewegung ist es wahrlich nicht eine Frage des Urheberrechts, sondern eine Frage des Umsetzens gerade dieser Erkenntnisse. Daran arbeiten wir und deshalb ist der heutige Antrag sicherlich sehr lobenswert.
Wenn ich mir aber noch einmal den Hinweis erlauben darf, dass die Landesregierung daran arbeitet und die Landesregierung auf allen Ebenen in der Politik das Prinzip des Gender Mainstreaming gern umsetzen will, möchte ich auch noch einmal hervorheben, dass es wie Sie sehr genau wissen - der Ausarbeitung von sehr genauen Kriterien bedarf. Ihr Hinweis, dass es sehr schwer messbar ist, ob nun wirklich Gleichberechtigung gegeben ist oder wie sich die einzelnen Lebensverhältnisse gleichberechtigt zueinander verhalten, ist sehr schwierig. Die EU ist auch noch nicht so weit, dass sie einzelne Kriterien entwickelt hätte.
Wir haben aber die Verpflichtung, für die einzelnen Lebenssachverhalte und für die einzelnen Politikfelder diese Kriterien zu entwickeln und uns der Tatsache zu stellen, dass die Umsetzung von Gender Mainstreaming manchmal auch sehr banal ist, dass nämlich das Denken von Gleichheit und Differenz, das ja Artikel 3 fordert, im Konkreten manchmal nichts anderes bedeutet, als wirklich über die Höhe der Bürgersteige nachzudenken und sich in der Verkehrspolitik wirklich darüber Gedanken zu machen, ob eine Straßenbahn so gestaltet ist, dass eine Frau mit dem Kinderwagen hineinkommt. Das ist ein ganz schwieriges Unterfangen.
Man muss sich selber klar machen, dass es immer um sehr konkrete Sachverhalte geht, die parallel zu einer sehr theoretischen Analyse der Gesellschaft führen. Sich dem zu stellen heißt aber, dass man sich beispielsweise in der Verkehrspolitik verdeutlichen muss, dass Frauen diejenigen sind, die den öffentlichen Personennahverkehr benutzen, während Männer in der Regel diejenigen sind, die den Individualverkehr bedienen und einen eigenen PKW haben. Das heißt, bei aller verkehrspolitischen und ökologischen Betrachtungsweise ist auch an eine Geschlechterkomponente mit zu denken.
Das führt dann, wenn es konsequent geschieht, zu sehr positiven Verhältnissen der Menschen untereinander und insbesondere für den Lebensalltag von Frauen zu qualitativ ganz anderen Verhältnissen, die wir dann durchaus mit Freude betrachten.
Die Debatte ist sehr notwendig; denn trotz aller rein formalen Gleichheit, der langen Geschichte des Artikel 3 GG, hat Alice Schwarzer - die ich nicht oft zitiere, aber sehr lange kenne - in der Vergangenheit, vor einigen Wochen, im „Spiegel“ für die heutige Situation eine sehr gute Formulierung gefunden. Sie hat darauf hingewiesen, dass Frauenpolitik in der heutigen Zeit gegen eine gläserne Wand läuft und sich mit einer „wortlosen Unterströmung“ in der Gesellschaft auseinander zu setzen hat. Diese wortlose Unterströmung bedeutet, dass zwar verbal niemand die Gleichheit von Frauen und Männern, die Durchsetzung von Artikel 3 GG in Frage stellt - das ist nicht zeitgemäß; Gender Mainsstreaming ist auch ein Modewort, das oft im Munde geführt wird -,
aber gleichzeitig zeigen die Umsetzung desselben und die unterschwellige Belustigung, die dieses Thema bei vielen hervorruft, dass die Analyse von der Kollegin Schwarzer durchaus richtig ist. Immer dann, wenn die
Umsetzung von Artikel 3 GG im alltäglichen Leben in die Lebensrealität des einzelnen Mannes vordringt und er sich die banale Frage stellt: Wer spült denn heute? - um es einmal ganz banal zu sagen -, dann stellt sich die Frage des Gender Mainstreaming in jedem einzelnen Haushalt und in jedem einzelnen Leben. Wir wissen, dass wir da immer noch an unsere Grenzen stoßen. Und wir wissen, dass wir parallel zu der notwendigen Frauenförderpolitik - das ist hier in den Vorreden auch schon beschrieben worden; Gender Mainstreaming ist keine Alternative zur herkömmlichen Frauenförderpolitik, sondern ein qualitativer Sprung in der Frauenpolitik -, diese gesellschaftliche Unterströmung nur durch sehr lautes, klares Benennen, aber auch ebenso klares Handeln in den Griff bekommen.
Ich kann Ihnen versichern: Die Landesregierung ist dabei. Ich möchte jetzt nicht der Frau Ministerpräsidentin vorgreifen und hier Schulungen für Führungskräfte in der Landesregierung und in der Landesverwaltung ankündigen, aber sicherlich werden wir auch darüber diskutieren müssen; denn Gender Mainstreaming ist die Querschnittsanlage, Frauenpolitik die Querschnittsaufgabe.
Das Ergebnis muss aber sein, dass die Gleichheit und Differenz von Geschlechtern in jeder einzelnen Handlung - nicht nur von einer Regierung - mitgedacht wird und eine solche Diskussion dann vielleicht in fünf Jahren überflüssig ist; denn ich gehe davon aus, dass das, was im Rahmen der hier schon zitierten Weltfrauenkonferenz ausgerechnet worden ist, dass wir nämlich - wenn die Gleichberechtigungs- und Gleichstellungspolitik in dem Tempo weitergeht, wie sie bisher gelaufen ist - exakt 476 Jahre brauchen, um eine tatsächliche Gleichheit zu erreichen, richtig ist. Ich bin nun hier etwas länger als ein halbes Jahr Ministerin, glaube auch, es noch etwa länger zu sein, aber 476 Jahre habe auch ich nicht Zeit. Ich denke, wir sollten gemeinsam etwas schneller arbeiten - aber gemeinsam.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frauen sind anders als Männer, das ist unbestritten. Sie fühlen anders - meistens jedenfalls -, gehen Pro
bleme anders an und lösen diese auch anders. Sie sind auch sehr mutig, wenn es darum geht, Stellung zu beziehen. Frauen zeichnen sich durch besondere Fähigkeiten aus. Gerade in diesem Anderssein liegen aber auch der Reiz und auch die Verpflichtung, Frauen intensiv an der Mitgestaltung der Gesellschaft zu beteiligen. Nur im Miteinander von Frauen und Männern bei Entscheidungsprozessen und im alltäglichen Leben kann es eine Welt geben, in der sich sowohl Männer als auch Frauen wohl fühlen.
(Beifall bei CDU und F.D.P. sowie der Ab- geordneten Jutta Schümann [SPD] und Moni- ka Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Um dies zu erreichen, muss nicht nur - leider immer noch - in den Köpfen vieler Männer - ich denke, hier natürlich nicht!
etwas geschehen oder ein Umdenken verordnet werden, sondern auch die Frauen müssen sich der Herausforderung und ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft stellen und Verpflichtungen und Aufgaben übernehmen wollen. Unser politisches Ansinnen muss es sein, die Frauen darin zu bestärken und den Weg dorthin zu erleichtern.
Ich warne aber vor allzu viel Reglement. In diesem Zusammenhang - das wurde heute schon erwähnt verweise ich auf die Neuordnung des Beschaffungswesens in der Landesverwaltung und die Errichtung einer zentralen Beschaffungsstelle der GMSH mit den Förderplänen, die den Frauen mehr schaden können, als sie ihnen nützen.
Damit können sich Frauen als Bremsklotz des Mittelstandes fühlen und das wollen Frauen nicht. Mir ist die politisch verordnete Geschlechtergerechtigkeit des vorliegenden Antrages ein wenig zu viel. Es drängt sich mir gelegentlich der Eindruck auf, als sei das Frausein an sich eine Behinderung, der man sich besonders annehmen müsse.
(Jutta Schümann [SPD]: Nein, das ist jetzt falsch! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das ist richtig! Nein, der Eindruck ist falsch! Das wollte ich sagen!)
Ich wünsche mir für die Frauen mehr Selbstverständlichkeit, mehr Beachtung ihrer besonderen Fähigkeiten
Es ist Ausschussüberweisung - zur abschließenden Beratung - an den Innen- und Rechtsausschuss beantragt worden. Wird eine Mitberatung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die so verfahren wollen, den Antrag zur abschließenden Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir so beschlossen.
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Aschmoneit-Lücke.