Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Worum genau geht es? Es geht um die Einführung einer unmittelbaren Pfandpflicht auf ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen, unabhängig von Quoten, von Füllmengen sowie vom Getränk selbst. Dabei gelten als ökologisch nachteilig jene Verpakkungssysteme, die nach den Erkenntnissen des Umweltbundesamtes in Herstellung und Entsorgung problematischer sind als andere. Während das Mehrwegsystem und inzwischen auch Getränkekartons durch verbesserte Verwertbarkeit ökologisch vorteilhaft sind, belasten alle anderen Einwegverpackungen die Umwelt überdurchschnittlich.

Die alte Verpackungsverordnung sieht die Einführung einer Pfandpflicht für einige Getränkeverpackungen

(Monika Heinold)

vor, wenn der Mehrweganteil drei Jahre in Folge unter 72 % sinkt. Nach unserem Kenntnisstand ist dies eine Muss- und keine Kannvorschrift, Frau Tengler. Dazu müssten Sie uns noch einmal sagen, wie Sie darauf kommen, dass dies eine Kannvorschrift ist.

Da seit 1997 dieser Wert unterschritten wird, werden wir im kommenden Sommer gegen den sinkenden Mehrweganteil in der Getränkebranche Maßnahmen ergreifen müssen. Die Umweltminister von Bund und Ländern haben dies diskutiert und sprechen sich erfreulicherweise deutlich für die von Minister Trittin vorgeschlagene Pfandpflicht aus. Einzige Ausnahme bildet das Land Rheinland-Pfalz, welches um Wettbewerbsnachteile fürchtet, wenn auch auf Weinflaschen eine Pfandpflicht erhoben wird. Auch Umweltschutzverbände, mitteldeutsche Brauereien und der Getränkehandel haben sich für einen Pfand auf Dosen und Einwegflaschen ausgesprochen.

Das von Minister Trittin vorgestellte Modell ist einfach, verständlich und praktikabel. Alle ökologisch nachteiligen Getränkeverpackungen würden einer Pfandpflicht unterliegen, ohne komplizierte Ausnahmeregelungen oder Quoten. Auch die Einfüllmenge bleibt unberücksichtigt, um nicht schon im Vorfeld Schlupflöcher in die neue Verordnung einzubauen.

Diese Regelung wäre ein deutliches umweltpolitisches Signal, um auf den stetig steigenden Verbrauch von Einwegflaschen und Dosen zu reagieren. Mehr als 9 Milliarden l Getränke werden in Deutschland jedes Jahr in Einwegverpackungen abgefüllt, davon fast 3 Milliarden l in Dosen, Tendenz steigend. Achtlos weggeworfene PET-Flaschen und Dosen verschandeln schon jetzt Städte und Landschaften.

Die Einführung einer Pfandpflicht - so zeigen Erfahrungen aus unseren Nachbarländern wie beispielsweise Schweden - wird eine ganze Reihe positiver Auswirkungen mit sich bringen. Das Mehrwegsystem wird stabilisiert durch Aufheben des wesentlichen Wettbewerbsnachteils. Eine sortenreine Sammlung wird erheblich verbessert und es macht einen Unterschied, Frau Aschmoneit-Lücke, ob die Dose im Park liegt oder ob sie tatsächlich einem Recycling-System zugeführt wird.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Plenum dient dem Austausch von Informationen, nur ist Informationsgeber der Redner. Ich bitte darum, das zu beachten.

Ich bedanke mich, Herr Präsident. - Eine sortenreine Sammlung wird erheblich verbessert, Stoffkreisläufe werden enger geschlossen und damit die Wiederverwertbarkeit optimiert. Es werden deutlich weniger Kunststoffflaschen oder Dosen auf der Straße oder in der Landschaft herumliegen.

Gegner der Pfandpflicht argumentieren mit den Kosten, die auf Industrie und Handel zukommen. Ich bin der F.D.P. sehr dankbar, dass sie noch einmal deutlich gemacht hat, dass das ein Vorteil ist, im Sinne eines günstigen Kredites für die Wirtschaft. Insofern dürfte das wirtschaftspolitische Argument von Frau Aschmoneit-Lücke heute aus dem Weg geräumt worden sein.

(Anhaltende Unruhe)

So wird ein automatisches Rücknahmesystem -

Ich darf ernsthaft ein bisschen um Ruhe bitten.

Der Bundesumweltminister sagt, dass ein automatisches Rücknahmesystem erst einmal 1 Milliarde DM an Kosten verursachen wird. Wenn es um die Interessen der Wirtschaft geht, müssen wir aber auch die mittelständischen Unternehmen erwähnen, die in den vergangenen Jahren im Vertrauen auf geltende Regelungen Milliardenbeträge in Mehrwegsysteme investiert haben.

Wir sind uns hoffentlich parteiübergreifend einig, dass es sinnvoller ist, in Maßnahmen der Müllvermeidung zu investieren, als die Kosten für die Beseitigung von vermeidbarem Müll zu tragen. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, vor allem auch von der CDU, die Sie ja damals zu dieser Verordnung beigetragen haben, unserem Antrag zuzustimmen und die Landesregierung damit zu beauftragen, sich für eine Novellierung der Verpackungsverordnung einzusetzen - wie sie es ja auch schon gemacht hat; aber der Streit ist nicht beendet -, welche eine unmittelbare Pfandpflicht auf ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen unabhängig von Quoten, Füllmengen sowie vom Getränk zur Folge hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für den SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.

(Lothar Hay [SPD]: Gibt es eigentlich Whis- ky in Dosen? - Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Diskussion um die Pfandpflicht für alle Getränkeverpackungen wird ab und zu der Untergang des Abendlandes beschrieben. Das haben wir auch gerade eben wieder erleben können. Diese Schwarzseherei ist nicht im Entferntesten berechtigt. Ich möchte dies anhand einiger Thesen darlegen.

Erste These! Es gibt derzeit massive Marktvorteile für ökologisch nachteilige Einwegverpackungen gegenüber Mehrwegverpackungen. Dies ist auch ein Wettbewerbsnachteil für die Marktteilnehmer, die auf Mehrwegverpackungen setzen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser unberechtigte Vorteil darf so nicht weiter bestehen. Einwegverpackungen spielen vor allem bei Großunternehmen eine wichtige Rolle. In mittelständischen Unternehmen sind Einweggetränkeverpackungen eher die Ausnahme beziehungsweise sie weisen nur einen geringen Anteil an der Gesamtproduktion auf. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen würden durch die Einführung von Pfandsystemen gestärkt werden und dies sollte auch im Interesse der Betriebe in Schleswig-Holstein sein.

Zweite These! Das Erheben von Pfand für alle Getränkeverpackungen wird die derzeit gleichen Ausgangsbedingungen für Anbieter von Getränken in Einwegverpackungen untereinander nicht verändern. Da die Investitionen in Pfandsysteme für alle gleich sind, bleiben auch zukünftig die Ausgangslagen für die ehemaligen Einwegverpacker untereinander gleich.

Dritte These! Die Motivation der Wirtschaft, in Mehrwegsysteme zu investieren, wird sich erhöhen und damit erreichen wir das verfolgte ökologische Ziel des Mehrwegsystems. Es wird erreicht, dass man Verpackungen wieder verwerten wird, anstatt sie nur zu entsorgen. Wiederverwertung wird auf Dauer gesehen für ein Unternehmen wirtschaftlicher sein, als die Verpackungen zu sammeln und dann unter Aufwand einer hohen Logistikleistung einer reinen Entsorgung zuzuführen. Dies geht vor allem dann, wenn mit einem Pfand auch eine Rücknahmepflicht verbunden ist. Das sollte man allerdings auch in einem Gesetzentwurf bedenken.

(Beifall beim SSW)

Vierte These! Die Rücklaufquote bei Dosen, Einwegglas und Kunststoffverpackungen wird sich steigern und damit wird sich die Verwertungsquote erhöhen. Man wird zu Hause wie gehabt sammeln und trennen und dadurch wird sich die Rücklaufquote geringfügig ändern. Aber außerhalb der eigenen vier Wände wird die Cola-Dose nicht mehr zusammen mit sämtlichen anderem in den Mülleimer geworfen und wird dann auch nicht mehr auf die Halde verbracht. Aus diesen Gründen ist eine Pfandpflicht ebenfalls sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich sinnvoll.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nun zitiere ich einmal nicht Dänemark, wie es meine Vorgänger gemacht haben, nun zitiere ich einmal Schweden.

(Zurufe)

In Schweden wird bereits Pfand auf Getränkedosen erhoben und dort ist die Welt noch nicht untergegangen. Dort wurden Möglichkeiten geschaffen, überall an Automaten Dosen getrennt abzugeben.

(Zurufe)

Dort stellt es kein Problem dar. Es war nur eine Frage der Gewöhnung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Daher bin ich zuversichtlich, dass ein solches Steuerungsinstrument auch in Deutschland erfolgreich Einzug halten kann. Die Pfandpflicht darf sich jedoch nicht nur auf bestimmte Getränkearten beziehen, sondern muss grundsätzlich für alle Getränkeverpackungen gelten. Bei der genauen Festlegung für eine Pfandpflicht sollte man sich daran orientieren, wie die Ökobilanz einer bestimmten Getränkeverpackung ausfällt.

(Beifall bei der F.D.P.)

Das haben die Vorredner auch schon erwähnt. Wir sollten eine Pfandpflicht für ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen so schnell wie möglich einführen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb stimmt der SSW dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Frau Tengler, Sie haben vorhin damit geendet, wir hätten keinen Zeitdruck, wir könnten uns dieses Themas weiter in Ruhe annehmen. Ich möchte Ihnen da gern deutlich widersprechen. Wir erleben zum einen, dass wir eine erhebliche Verunsicherung in der Diskussion haben, und zwar deshalb, weil sie jetzt schon sehr lange andauert; zum anderen haben wir bei zahlreichen Firmen, insbesondere dem Einzelhandel, eine erhebliche Planungsunsicherheit. Sie können sich nicht darauf einstellen, was kommendes Jahr verlässlich passieren wird.

Der Ausgangspunkt dieser Diskussion ist der alte „Töpfer“-Automatismus. Die alte Bundesregierung hat damals beschlossen: Wenn die Mehrwegquote unter 72 % sinkt, tritt ein Automatismus in Kraft. Insofern sind Ihre Ausführungen auch nicht ganz korrekt, dass es hier eine Wahlmöglichkeit gibt. Wir erwarten die Zahlen in Kürze. Voraussichtlich wird die Mehrwegquote im dritten Jahr in Folge unterschritten sein, sodass wir bei Bier und Mineralwasser für Dosen ein Pflichtpfand einführen müssten; bei Cola-Dosen, wo diese Entwicklung nicht eingetreten ist, wäre dies nicht der Fall. Dies wäre eine Entwicklung, die Sie keiner Verbraucherin, keinem Verbraucher erklären könnten.

Im letzten Jahr hat das Bundesland Rheinland-Pfalz versucht, an der Quote zu drehen, um noch ein bisschen Zeit zu gewinnen, um das Problem auszusitzen. Zu Recht hat diese Position des Aussitzens im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

In der Landesregierung sind wir uns einig, dass der Schutz von ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen wirtschafts- und umweltpolitisch sinnvoll ist. Die Ökobilanz II, die in diesem Sommer vorgestellt worden ist, hat dies eindrücklich bewiesen; sie ist unstrittig und wird auch von niemanden angezweifelt. Auch deshalb ist der CDU-Antrag meines Erachtens unverständlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Die Ökobilanz-II-Studie hat belegt, dass der Schutz und die Förderung von Mehrweg nach wie vor ökolo

gisch gerechtfertigt sind, Kartonverpackungen ökologisch aufgestiegen sind, aber Dosen und Einweg aus Glas und PET nach wie vor ökologisch die Schlusslichter sind und dass hier deshalb ein Pfand legitim ist. Ein Pfand ist auch absolut glasklar mit EUUmweltrecht vereinbar; die gegenwärtige Quotenregelung ist es allerdings nicht unbedingt.

Auf der Umweltministerkonferenz - lassen Sie mich hier aus dem Nähkästchen plaudern - haben die BLänder - ich erinnere mich noch gut an Herrn Schnappauf aus Bayern, an Herrn Müller aus BadenWürttemberg, an die Kollegen aus dem Saarland, aus Hessen, aus Thürigen; sie sind alle unverdächtig, ein rotes oder ein grünes Parteibuch zu besitzen - mit dazu beitragen, dass sich die Umweltministerkonferenz mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz - parteiübergreifend einig war, dass erstens Handlungsdruck besteht, dass zweitens die Lage ökologisch und wirtschaftspolitisch klar ist und wir hier vorankommen müssen.