Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen Zeit für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Ein Land wie Schleswig-Holstein kann sich nicht innerhalb von Monaten entwickeln, sondern das braucht Jahre und Jahrzehnte.

Was im letzten Jahrzehnt geschaffen wurde - ich sage das jetzt ganz bewusst: auch in der Zeit, als die Grünen nicht an der Regierung waren - aus einem Land, das in der Tradition von Landwirtschaft, Tourismus und Werften stand, ist enorm. Es hat sich sehr viel verändert; das kann man überall beobachten. Und das ist eine Leistung, die auch anerkannt werden muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab grundsätzlich Folgendes: Die neuen und auch in Schleswig-Holstein neuartigen Aktivitäten in der Außenwirtschaftspolitik sind nur zu begrüßen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Herr Kollege Eichelberg, da gibt es dann auch nichts

(Lars Harms)

schlecht zu reden. Wir sollten gemeinsam vorausgucken.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Dabei sind Delegationsreisen unter dem Dach der Landesregierung oder des Landtages in der Öffentlichkeit ja oft umstritten. Wenn man nicht mit den Menschen spricht, sprechen sie mit anderen - und dann eben nicht mit uns. Wer Export haben will, muss sich nach außen begeben. Deshalb ist die „Reisediplomatie“ der Landesregierung und des Landtages auch sehr sinnvoll.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Die traditionelle Zusammenarbeit Schleswig-Holsteins mit Dänemark zeigt, dass Außenwirtschaftspolitik oft langfristig angelegt ist und neben den kurzfristigen Erfolgen immer auch zu weiteren Kontakten führt. So bekommt die Zusammenarbeit mit dem Ausland auch eine Eigendynamik, von der alle Seiten profitieren. Ähnlich sollte es selbstverständlich auch bei anderen Ländern sein. Deshalb ist es wichtig, ständig neue Kontakte zu schließen, um viele dieser längerfristigen Erfolge einfahren zu können. Andere Bundesländer - da gebe ich Ihnen Recht, Herr Eichelberg sind diesen Weg in den letzten Jahrzehnten schon offensiver angegangen.

Die Außenhandelsquote liegt in Schleswig-Holstein bei 31 % und somit 3 % unter dem Bundesdurchschnitt. Das muss ein Ansporn sein, weiter nach vorn zu kommen. Die vorliegenden Zahlen allerdings stimmen uns hoffnungsvoll: Im verarbeitenden Gewerbe stieg der Auslandsumsatz 1999 in Schleswig-Holstein um 10,3 %. Deutschlandweit lag die Quote im gleichen Zeitraum nur bei 6,3 %. Die neuesten Zahlen weisen für Schleswig-Holstein von Januar bis August 2000 wiederum eine Steigerung von 11,1 % aus. Das sieht gar nicht so schlecht aus. Diese Zahlen zeigen, dass es funktioniert und dass man sich im Außenhandel engagieren sollte.

Neben dem Ostseeraum sollten wir selbstverständlich auch unser Augenmerk neu auf den Nordseeraum lenken.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD]) - Martin Kayenburg [CDU]: Das sagen wir schon lange!)

Als Land zwischen Nord- und Ostsee haben wir gerade als Verbindung dieser beiden Räume mit ihren so unterschiedlichen Strukturen eine zentrale Funktion. Dies meine ich nicht nur im Sinne einer zentralen Funktion als inhaltliche Aufgabe, sondern auch im

wahrsten Sinne des Wortes: Schleswig-Holstein ist das Zentrum der nordeuropäischen Region rund um die beiden Meere. Dessen müssen wir uns bewusst sein und entsprechend offensiv und selbstbewusst müssen wir handeln.

In Zeiten der Globalisierung, die nicht immer nur positiv gesehen werden kann, muss man aber auch auf anderen Kontinenten seine Chancen nutzen. Was die Überbrückung von Raum und Zeit angeht, kommen sich die verschiedenen Kontinente immer näher. Wenn also Delegationen mit Wirtschaftsvertretern nach China oder in die USA reisen, so zeugt dies von Weitsicht und zeigt, dass man in Schleswig-Holstein gewillt ist, sich den internationalen Märkten zu stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Die schleswig-holsteinischen Unternehmer bekommen so die Tür zu weltweiten Kontakten geöffnet. Natürlich lässt sich manche Tür durch die Unternehmer auch von allein öffnen, aber für manche Kooperationen oder Geschäfte ist eben Hilfe von außen, beispielsweise auch von der Politik, notwendig.

Hilfe von außen stellt daher auch der Einsatz von so genannten Standortbeauftragten dar. Dass erfahrene Manager aus Unternehmen dafür gewonnen wurden, dem Land und seinen Unternehmen mit ihren Kontakten zu helfen, ist nur zu begrüßen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Hier wird gerade die persönliche Komponente nutzbar gemacht. Sie kennen die Länder, sie kennen die Mentalitäten, sie wissen um die möglichen Probleme, die auftauchen können, und sie kennen die jeweiligen Ansprechpartner. Weiter kann man die Türen fast nicht öffnen. Ich stimme mit Herrn Minister Rohwer überein, dass die persönliche Komponente gegenüber der finanziellen Komponente immer wichtiger wird. Daher ist dieser Weg auch fortschrittlich.

Im zukünftigen Bericht - ich gebe hier Kollegen Hentschel Recht; eigentlich sollten wir solche Sachen erst nach der Vorlage des Berichts diskutieren

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

sollte auch dargestellt werden, welche Planungen die Wirtschaft hat, damit wir sie in ihren Bemühungen auch unterstützen können.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das steht doch schon in der Zeitung!)

Denn über eines müssen wir uns auch im Klaren sein: Wir müssen uns in der Förderung der Außenwirtschaft

(Lars Harms)

an den Wünschen der einzelnen Unternehmen orientieren, um mit unseren Maßnahmen Erfolg zu haben. Wenn sowohl Wirtschaft als auch Regierung hier an einem Strang ziehen, haben wir große Chancen auf Erfolg. Diese Chancen sollten wir nutzen. Deshalb stimmen wir dem Antrag der SPD zu.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Rohwer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die außenwirtschaftliche Entwicklung Schleswig-Holsteins ist eine Erfolgsstory, Herr Eichelberg, auch wenn ich einräume, dass man manches Kapitel noch hinzufügen kann. Ich bin gern bereit, dazu meinen Beitrag zu leisten.

(Beifall der Abgeordneten Bernd Schröder [SPD] und Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Dieses Land hat in den letzten 15 Jahren seine Exportquote mehr als verdoppelt. Dieses hat kein anderes Land in Deutschland so geschafft wie SchleswigHolstein. Seinen Rückstand zum westdeutschen Durchschnitt hat es damit von acht Punkten auf drei Punkte reduziert.

Um es ganz deutlich zu sagen, weil die Euro-Debatte eine völlig falsche Akzentuierung bringt:

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD], Christel Aschmoneit-Lücke [F.D.P.] und Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Die Euro-Debatte ist eine Debatte um die kurzfristige Entwicklung in diesem Jahr; mit dieser Entwicklung des Euros erklärt sich, warum sich in diesem Jahr die Exporte in Deutschland oder auch in SchleswigHolstein relativ günstig entwickeln.

Der Aufholeffekt, Herr Eichelberg, den ich eingangs skizziert habe, hat mit dem Euro überhaupt nichts zu tun. Das ist eine strukturelle Entwicklung, die wir allein dem außenwirtschaftlichen Engagement der schleswig-holsteinischen Wirtschaft zu verdanken haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die schleswig-holsteinischen Unternehmen haben in den Jahren 1990 bis 1998 ihre Direktinvestitionen im Ausland fast verdreifacht, und umgekehrt haben aus

ländische Unternehmen in Schleswig-Holstein ihre Direktinvestitionen um mehr als das Zweieinhalbfache erhöht. Auch dies, das Engagement von Unternehmen auf beiden Seiten, ist Außenwirtschaft.

Die vorhandenen außenwirtschaftlichen Chancen sind - da sind wir uns einig - noch längst nicht ausgeschöpft und steigen künftig weiter mit der Globalisierung und der technologischen Profilierung unseres Standortes. Jedes Prozent Steigerung der Exportquote allein im verarbeitenden Gewerbe Schleswig-Holsteins bedeutet rund 1.500 Arbeitsplätze. Das zeigt, wie wichtig und lohnend Außenwirtschaftspolitik ist.

Schleswig-Holsteinische Standortpolitik kann wesentlich dazu beitragen, dass sich die Außenwirtschaft positiv entwickelt. Um ein Beispiel zu geben: Die Neuansiedlung einer zweiten Chip-Fabrik in Itzehoe wäre nicht möglich gewesen, wenn wir in Itzehoe nicht frühzeitig einen Mikroelektronikstandort aufgebaut hätten.

(Beifall bei der SPD)

Die Neuansiedlung eines großen amerikanischen Versenders im Raum Schwarzenbek wäre nicht möglich gewesen, wenn wir dort nicht ein attraktives Gewerbegebiet gefördert hätten. Hier wird vorausschauende Standortpolitik gemacht. Herr Eichelberg, der Standort Schleswig-Holstein hat Positives zu bieten, er hat qualifizierte Arbeitskräfte, er hat ein gutes Innovationsklima, er hat eine Wirtschaftsförderung der kurzen Wege - alles Faktoren, die zu den Erfolgen beitragen.

Auch Verkehrspolitik ist Standortpolitik und vor allen Dingen Außenwirtschaftspolitik.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Ja, das finden wir auch! - Dr. Johann Wadephul [CDU]: Schön, dass Sie das wenigstens verstehen!)

Ein attraktiver Airport Hamburg ist eines der wichtigsten Instrumente, um für Schleswig-Holstein amerikanische Investoren zu motivieren. Wir haben das in Gesprächen selbst kennen gelernt. Die Beseitigung des Verkehrsengpasses Hamburg ist ebenfalls entscheidend.