Protokoll der Sitzung vom 24.01.2001

Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir an einer neuen Art der Landwirtschaft nicht vorbeikommen. Dies gilt für alle Bereiche der Landwirtschaft.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Wir sollten die Chancen nutzen und die gesamte Landwirtschaft nach und nach umstrukturieren. In diesem Zusammenhang freut es mich, dass im Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die von uns in der letzten Landtagstagung geforderte Einschränkung von Tiertransporten aufgenommen worden ist.

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass es über die allgemeine Diskussion zum Thema BSE zwei wichtige Punkte gibt, über die in der nahen Zukunft entschieden werden muss und von denen ich der Meinung bin, dass der Bürger ein Anrecht darauf hat zu hören, wie die Parteien darüber denken. Das ist zum Einen die Frage der Keulung und zum Anderen die

(Lars Harms)

Frage der Durchführung einer EU-Aufkaufaktion von Rindern.

Nach dem heutigen Stand des Wissens oder des Nichtwissens kann man sagen, dass die Übertragungswege von BSE noch völlig unzureichend ergründet sind. Das bedeutet, dass man davon ausgehen kann und davon ausgehen muss, dass Tiere, die unter den gleichen Bedingungen gelebt haben, zumindest rein theoretisch auch der gleichen Ansteckungsgefahr ausgesetzt waren. BSE-Erreger sind mit den heutigen Mitteln erst bei hoch infektiösen Tieren nachweisbar. Ist die Menge der Erreger zu gering, so schlägt der BSE-Test nicht an. Gleichwohl besteht aber die Gefahr, dass der Erreger im Körper des Tieres in einer bestimmten Menge vorhanden ist. BSE-getestet heißt also nicht unbedingt BSE-frei!

Auf der einen Seite gibt es Indizien, die darauf schließen lassen, dass eine mögliche Übertragung gegeben sein könnte, auf der anderen Seite gibt es noch kein Testverfahren, das die Infizierung eines Rindes ausschließt. Solange das so ist, ist es besser, den gesamten Rinderbestand zu schlachten und aus dem Verkehr zu ziehen. So hart wie dies auch für den einzelnen Landwirt und aus Sicht des Tierschutzes ist, so wichtig ist es im Sinne des Verbraucherschutzes.

Darüber hinaus glaube ich auch nicht, dass es im Interesse der Landwirte sein kann, dass Teile der Herde am Leben bleiben. Ist erst einmal bei einem Rind BSE nachgewiesen, wird kein Fleisch verarbeitendes Unternehmen und keine Molkerei irgendwelche Produkte des Landwirtes mehr abnehmen wollen. Er bleibt somit auf seiner Herde und auf seiner Milch sitzen.

Unter den derzeitigen Bedingungen hat der Landwirt keine andere Wahl, als seinen gesamten Bestand keulen zu lassen. Sollte man später Verfahren entwickeln, die BSE einwandfrei verlässlich bei dem einzelnen Tier ausschließen können, würde sich natürlich die Lage entsprechend verändern. Solange dies aber nicht der Fall ist, gibt es keine andere Wahl als das Töten des gesamten Bestandes.

Was den Aufkauf von Rindern durch die EU und deren Schlachtung und Vernichtung angeht, so muss ich sagen, dass die eher technokratische Begründung, dies solle zur Marktbereinigung geschehen, aus ethischen Gründen nicht tragbar ist. Doch leider sehen wir derzeit keine Alternative. Wir müssen uns aber im Klaren darüber sein, dass dies nur eine einmalige Maßnahme sein kann. Damit es nicht zu einer Wiederholung kommt, muss die Landwirtschaft dafür Sorge tragen, dass die vorhandenen Strukturen nachhaltig geändert werden. Es ist unsinnig, dass die Ställe überquellen. Das ist richtig. Es darf aber nicht angehen, dass die Produktion wie bisher fortgeführt wird. Sollte

dies nicht geschehen, sehen wir die Gefahr, dass wir binnen kurzer Zeit wieder vor einem vergleichbaren Problem stehen. Das können wir nicht akzeptieren.

In diesem Zusammenhang bin ich ebenfalls der Meinung, dass wir den Export der Tiere in andere Länder von vornherein ausschließen sollten. Unser Problem, in andere Länder oder gar in die Dritte Welt zu verschieben, wäre nicht die richtige Lösung. Daher halte ich die Verbrennung der Tiere unter allen Vorbehalten, die es gibt, unter den gegebenen Bedingungen leider für einen Zwang, dem wir uns nicht entziehen können. Es gilt allerdings zu prüfen, ob es sinnvoll ist, die auf Grund eines BSE-Falles gekeulten Bestände mit in die entsprechende EU-Ankaufsquote einzubeziehen, um den betroffenen Landwirten finanziell unter die Arme zu greifen.

Im Zusammenhang in dem Berichtsantrag der Fraktion der CDU zum „Gütezeichen Schleswig-Holstein“ möchte ich für den SSW anregen, gerade unter dem Eindruck der aktuellen BSE-Krise einmal darüber nachzudenken, ob das knapp über 35 Jahre alte Gütezeichen noch der Weisheit letzter Schluss ist. Um es vorweg zu sagen: Niemand stellt die Qualität der unter dem Gütezeichen produzierten Waren infrage. Auch die Arbeit an dem Gütezeichen wird von uns nicht infrage gestellt. Aber die Ziele, die wir in der Landwirtschaft mit dem Gütezeichen erreichen wollen, können - so glauben wir - so nicht mehr erreicht werden.

Verkürzt dargestellt, sollten wir mit dem Gütezeichen zwei Dinge erzielen: Wir wollen die Herkunft nachweisen und wir wollen einen Hinweis auf die Qualität geben. Die Herkunft - also die Herstellung in Schleswig-Holstein - kann man auch mit einem anderen Logo dokumentieren. Beispielsweise hat man vor nicht allzu langer Zeit darüber nachgedacht, das damalige Dachmarkenkonzept aus dem Tourismus auch auf andere Wirtschaftszweige auszudehnen. Etwas Ähnliches ließe sich ohne Schwierigkeiten immer noch anschieben.

Der Hinweis auf die Qualität der Produkte ist ohnehin schon schwierig. Es gibt ja nicht nur das eine Gütezeichen, es gibt viele Gütezeichen einzelner Bundesländer, einzelner Regionen und einzelner Organisationen innerhalb Deutschlands, die in irgendeiner Art und Weise dem Kunden die Herkunft und Qualität der Produkte näher bringen sollen. Kein Kunde kennt aber die genauen Kriterien, die für die Produktauswahl für die einzelnen Gütezeichen gelten. Das kann man von einem Kunden auch nicht erwarten.

Darüber hinaus sind die Stellen, die die Gütezeichen gewähren, höchst unterschiedlich organisiert. Bei den Kunden kommt immer wieder die Frage nach der Un

(Lars Harms)

abhängigkeit der einzelnen Institutionen auf. Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht einfachere, übersichtlichere und verbraucherfreundlichere Lösungen gibt, wenn man sich mit dem Thema Qualitätsnachweis beschäftigt. Ich sehe dieses Thema keineswegs isoliert auf Schleswig-Holstein allein bezogen. Ich glaube, wir sollten hier einmal nach Norden blicken.

In Dänemark gibt es ein staatliches Gütesiegel, das darüber Auskunft gibt, ob ein Produkt nach bestimmten Qualitätskriterien produziert wurde oder nicht. Mithilfe einer staatlichen Kontrollinstanz sind die Waren aus verschiedenen Regionen Dänemarks ohne Schwierigkeiten miteinander vergleichbar und der Kunde hat die Gewissheit, dass die Produkte einheitlich bestimmten Qualitätskriterien entsprechen.

Auf uns bezogen, würde das bedeuten -

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Selbstverständlich! - Auf uns bezogen würde dies bedeuten: Wenn wir ein Herkunftslogo und ein deutschlandweites Gütesiegel verwenden würden, hätten wir möglicherweise noch bessere Effekte als bisher. Die Herkunft wäre immer noch ersichtlich und die Qualität wäre immer noch nachgewiesen und sogar mit Produkten aus anderen Bundesländern vergleichbar, was gerade im Sinne des Verbraucherschutzes ist.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die BSE-Krise trifft das Land Schleswig-Holstein schwer. Aber dadurch, dass uns die Krise so hart trifft, haben wir auch die Chance, uns grundlegende Gedanken über die zukünftige Landwirtschaftspolitik zu machen. Diese Chance sollten wir ergreifen und

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, formulieren Sie bitte Ihren Schlusssatz.

- ein Umdenken nicht nur in der Rinderhaltung, sondern in der gesamten Landwirtschaft fördern. Dieses Umdenken wird uns anfangs schwer fallen. Aber ich bin davon überzeugt, dass es uns gelingen wird.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich das Wort weitergebe, will ich Besucher begrüßen. Zwischenzeitlich hat sich die Tribüne mit Schülerinnen und Schülern der Gelehrtenschule Meldorf mit ihren Lehrkräften wieder gefüllt. Herzlich Willkommen hier im Landtag.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die Redezeiten der Fraktionen sind - bis auf den Anteil der Fraktion der CDU erschöpft. Hier sind noch zwei Redner aus dem Kontingent aufzurufen.

Ich rufe zunächst Herrn Abgeordneten Hopp auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr bedauerlich, dass die Zeit bei einem solch wichtigen Thema wieder nicht reicht. Vielleicht sollten wir einmal darüber nachdenken.

Ich möchte Aspekte aufgreifen, auf die bereits einige Redner eingegangen sind. Es geht um die Frage, was der Verbraucher von uns heute hier im SchleswigHolsteinischen Landtag erwartet. Er erwartet ganz bestimmt nicht, dass wir uns nur gegenseitig in die Pfanne hauen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich habe volles Verständnis dafür, wenn man einmal ein bisschen lauter ausholt. Dieses Thema ist mit dem Blick auf die Gesamtsituation jedoch viel zu ernst, um parteipolitisch Punkte zu machen.

Davor warne ich.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wer leiden muss? - Das sind die Bäuerinnen und Bauern und ihre Familien; das sind aber auch alle Verbraucher. Ganz besonders müssen aber - das geht in der heutigen Debatte noch ein bisschen unter - andere leiden: Schon jetzt sind 3.500 Arbeitsplätze im Bereich der Kurzarbeit betroffen. In den nächsten Wochen und Monaten könnten es bis zu 12.000 sein, wenn sich die Situation nicht ganz schnell ändert.

(Beifall bei der CDU)

Wenn sich möglicherweise, traurigerweise der vierte BSE-Verdachtsfall in Schleswig-Holstein bestätigt, dann dürfen wir nicht warten, bis sich ein weiterer Fall ankündigt, sondern müssen sehen, dass wir nach Möglichkeit schon vorher Ergebnisse haben.

Meine Aufgabe ist es, heute darüber zu sprechen, wie es mit unserem Gütesiegel aussieht. „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“ - das ist, meine Damen

(Claus Hopp)

und Herren, ein Instrument, das wir haben und das wir pflegen müssen. In dieser Situation aber die Mittel zu kürzen ist sicher gerade der falsche Weg.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Auch das, was unsere Ministerpräsidentin in den „Kieler Nachrichten“ zum Thema Verbraucherzentrale gesagt hat, ist nicht hilfreich, Frau Ministerpräsidentin.

(Beifall bei der CDU)

Es wird niemandem etwas nützen, jetzt zu sagen, dies oder das hätte man anders machen können. Sicher wird noch jemand Fälle ausgraben können, in denen die Landesregierung schon einen Fingerzeig bekommen, aber nicht reagiert hat. Es können noch zehn Minister zurücktreten, aber das Problem werden wir dann noch immer nicht gelöst haben. Lassen Sie uns darüber noch einmal nachdenken.

Als unser Kollege Eichelberg in seinen Unterlagen gekramt hat, ist er auf ein Gutachten gestoßen, was im Oktober des letzten Jahres vom Wirtschaftsminister in Auftrag gegeben wurde. Darin heißt es wie folgt: