Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

(Silke Hinrichsen)

und Bürger zu stärken. Das wäre ja eigentlich das Wichtigste. Sie behaupten das leider immer.

Es lässt sich also nicht kriminologisch belegen, dass die Videoüberwachung die beabsichtigten Wirkungen entfaltet. Es lässt sich aber sagen, dass die Gefahr erheblicher nicht beabsichtigter negativer Nebenwirkungen besteht.

Bei einem so erheblichen Eingriff wie der öffentlichen Videoüberwachung muss gründlich abgewogen werden, ob die zu erwartende Maßnahme auch in einem angemessenen Verhältnis zu den ökonomischen und sozialen Kosten steht. Wir meinen, dass das Mittel der öffentlichen Videoüberwachung weder erforderlich noch geeignet, noch verhältnismäßig ist.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sehr gut!)

Der Nutzen der Videoüberwachung ist derart zweifelhaft, dass er keinen solchen drastischen Einschnitt in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger rechtfertigt.

Sicherlich gibt es in bestimmten öffentlichen Räumen längerfristige Probleme, die ein öffentliches Eingreifen erfordern. Es gibt aber andere Mittel als die Videoüberwachung, die besser geeignet sind und weniger einschneidende Folgen für die Allgemeinheit zeitigen.

Wir sind uns alle einig, dass es keine flächendeckende Videoüberwachung geben darf. Wir reden über wenige Brennpunkte. Gerade deshalb ist die Videoüberwachung nicht erforderlich. In dieser begrenzten Anzahl von Fällen lässt sich nämlich durch polizeiliche Präsenz oder Veränderungen der Umwelt, insbesondere auch durch bauliche Veränderungen, ein besserer Erfolg erzielen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und bei der F.D.P.)

Dafür brauchen wir die Videoüberwachung nicht, die nur die Symptome verdrängt, aber das Übel nicht wirklich angeht, und zwar dort, wo es eigentlich geschieht.

Oder lassen Sie es mich noch deutlicher sagen: Wir brauchen im Bereich der inneren Sicherheit keine aktionistischen Maßnahmen, die sich prima verkaufen lassen, aber in Wirklichkeit die Probleme, die herrschen, nicht lösen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und bei der F.D.P.)

Schleswig-Holstein hat schon öfter eine Vorreiterrolle eingenommen, wenn es um die Förderung datenschutzrechtlicher Regelungen geht. Das gilt wahrscheinlich auch für den Bereich der Videoüberwachung und das

begrüßen wir ausdrücklich. Es ist sehr bedauerlich, dass keines der anderen Bundesländer ein Interesse daran hat, der Videoüberwachung im öffentlich zugänglichen privaten Raum deutliche Grenzen zu setzen. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass die angesprochene zweite Stufe der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes nicht ewig auf sich warten lässt.

Schleswig-Holstein ist beim Datenschutz führend, nicht zuletzt aufgrund der Kapazitäten, die wir im Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz haben. Ich hoffe sehr, dass die Landesregierung auch für den Bereich der Videoüberwachung daran arbeiten wird, diese Vorreiterstellung zu halten.

(Beifall bei der F.D.P. und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Jutta Schümann [SPD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf einmal zum Verfahren fragen: Ein Antrag wurde nicht gestellt, aber ich gehe davon aus, dass dieser Bericht dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung überwiesen werden soll.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ja, zur abschlie- ßenden Beratung! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das müssen Sie Herrn Wadephul fragen! Der muss sich nun entscheiden! - Weitere Zurufe)

- Deswegen frage ich. Falls weiterer Beratungsbedarf gewünscht wird, muss ein Antrag gestellt werden, sonst ist der Tagesordnungspunkt wegen Nichtstellung von Anträgen erledigt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Erledigt! - Wolf- gang Kubicki [F.D.P.]: Ja!)

- Gut. Dann stelle ich fest, dass Anträge nicht gestellt sind. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Kommentierungen sind ja nicht üblich.

Jetzt kommen wir zum Tagesordnungspunkt 24:

Maßnahmen zum Abbau der Diskriminierung von Lesben und Schwulen

Landtagsbeschluss vom 28. September 2000 Drucksache 15/373

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/625

Für die Regierung erteile ich der Ministerin für Justiz, Frauen, Jugend und Familie, Frau Lütkes, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Maßnahmen zum Abbau der Diskriminierung von Lesben und Schwulen bedeuten, auf Veränderungen in der Gesellschaft hinzuarbeiten, Aufklärung, Wissensvermittlung und Einstellungsveränderungen herbeizuführen, heißt aber auch Veränderung von bundes- und landesrechtlichen Rahmenbedingungen. Diese Maßnahmen sind notwendig, weil sich nach wie vor das Verhalten innerhalb der Gesellschaft gegen Homosexuelle nicht grundlegend verändert hat, Benachteiligungen, Vorurteile und Ablehnung immer noch vorhanden sind, das Thema nicht offen behandelt wird und keine Alltagsnormalität erfahren hat.

Insofern sind vielfältige Aktionen, Fortbildungen und eben auch Gesetzesänderungen nötig, um die Gleichstellung und vor allem auch die Anerkennung schwuer und lesbischer Lebenspartnerschaften im Alltag und in der Gesellschaft zu erreichen. Die wichtigste Veränderung ist aber die Veränderung in den Köpfen der Menschen. Hierauf hinzuarbeiten, ist eine der wesentlichen Arbeitsaufgaben der Landesregierung in diesem Referat.

Der vorgelegte Bericht kann Ihnen natürlich weder qualitativ noch quantitativ eine solche Veränderung darlegen, sondern wir haben uns bemüht, die Maßnahmen in allen gesellschaftlich wesentlichen Bereichen darzustellen und aufzuzeigen, wie die konkrete Arbeit sein kann.

Ich möchte Ihr Augenmerk insbesondere auf die Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugend- und Familienpolitik und der Familien- und Jugendarbeit lenken. Der Umgang mit dem Thema „Sexuelle Orientierung“ muss und wird auch bereits in der Jugendhilfe gefördert.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU] und Silke Hinrich- sen [SSW])

Dort werden Fortbildungen, Veranstaltungen, aber auch das Instrument des Runden Tisches durchgeführt. Wir haben eine Fülle von Broschüren insbesondere für Pädagoginnen und Pädagogen und „betroffene“ Eltern entwickelt. Die Nachfrage ist sehr groß.

Homosexualität, sexuelle Orientierung, Liebe, Partnerschaft sollen und müssen ganz normale Themen überall dort sein, wo mit Kindern und Jugendlichen pädagogisch gearbeitet wird.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern arbeitet die Landesregierung, aber auch die gesamte gesellschaftliche Jugendarbeit daran, klarzustellen, es zum Alltag werden zu lassen, dass beispielsweise homosexuelle gleichgeschlechtliche Eltern gleiche Geeignetheit oder Nichtgeeignetheit für die Erziehung oder den Umgang mit Kindern haben wie heterosexuelle Paare. Insofern ist auch die Entwicklung im Bundesrecht ein Schritt in die richtige Richtung, wenn durch das neue Lebenspartnerschaftsgesetz das so genannte kleine Sorgerecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften normiert wird.

Sie wissen, dass diese bundesrechtlichen Änderungen mit auf maßgebliche Arbeit von Schleswig-Holstein zurückzuführen sind.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das hat aber eine ganze Weile gedauert!)

- Das hat eine ganze Weile gedauert, aber es ist immerhin ein Schritt, und das, was nunmehr als Gesetz vorliegt, ist mehr als ein symbolischer Schritt. Leider ist es noch nicht soweit, dass auch das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz abschließend beraten worden ist. Ich hoffe sehr, dass der Vermittlungsausschuss oder im Anschluss daran eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hier noch zu Lösungen kommt, die vielleicht doch die Zustimmung aller Länder erreichen können. Auch hier ist Schleswig-Holstein bemüht, an Vermittlungen mitzuarbeiten, um die Absicherung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften insbesondere auch beispielsweise auf steuerrechtlicher Ebene zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Denn die Normierung von Unterhaltspflichten muss beispielsweise auch die Normierung von steuerrechtlicher Beachtung je nach Verpflichtungen mit sich bringen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hieran arbeiten wir. Diese Arbeit hat es - wie ich eben schon andeutete - mittlerweile erbracht - spät, aber nicht zu spät -, dass Veränderungen im Mietrecht, im Erbrecht, im Namensrecht, die Angleichung in der Kranken- und Pflegeversicherung oder eben - wie ich es schon erwähnte - die wechselseitige Unterhaltsverpflichtung normiert sind. Das sind ganz entscheidende Schritte, die zu einer gesellschaftlichen alltäglichen Veränderung führen können.

Aber diese Schritte sind nicht ausreichend. Die Maßnahmen müssen fortgeführt werden. Die mühselige Arbeit im Kleinen aber auch in großen gesellschaftlichen Debatten muss geführt werden. Diese Arbeit

(Ministerin Anne Lütkes)

erfordert sehr viel Geduld, sehr großes Engagement und sehr viel Sensibilität. Ich hoffe, Sie haben dem Bericht angesehen, dass die Mitarbeiterin und der Mitarbeiter in unserem Ministerium dieses Engagement, diese intensive Arbeit am Thema und Sensibilität auch in diesen Bericht hineingesteckt haben. Insofern möchte ich ihnen an dieser Stelle ganz ausdrücklich für diese Arbeit danken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich hoffe, dass die Kraft erhalten bleibt, weiter zu arbeiten.

Gestatten Sie mir - auch wenn die Lampe vor mir schon blinkt - noch eine Anmerkung. Wir haben in diesem Bericht ein Thema sicherlich nicht ausreichend und noch lange nicht abschließend behandelt. Das ist das Thema der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts gegenüber Homosexuellen. Das bedeutet nicht nur das Unrecht, wie es manchmal zu kurz diskutiert wird, von Menschen, die Opfer des alten § 175 StGB geworden sind, sondern das heißt auch die Aufarbeitung, das Öffentlichmachen des Schicksals von lesbischen Frauen, die auch unter dem Nationalsozialismus verfolgt wurden, nur nicht in diesem strafrechtlichen Bereich.