Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

Das macht deutlich, Herr Hildebrand: Ich will nicht sagen, dass all das, was Sie hier erzählt haben, Blödsinn ist - das wäre unparlamentarisch -, aber: Es ist schlicht und ergreifend falsch gewesen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir haben diese Enquetekommission unter anderem damals deshalb begrüßt, weil Herr Kayenburg hier im Landtag eine sehr schlüsselige Begründung für diese Enquetekommission geliefert hat. Herr Kayenburg sagte:

„Wir erwarten von der Kommission Aussagen und Empfehlungen zu vielfältigen Problemstellungen, die Sie unserem Antrag entnehmen können. Da geht es zum Beispiel um die Auswirkungen des derzeit gültigen Finanzausgleichsgesetzes auf die Angemessenheit der finanziellen Ausstattung der kommunalen Haushalte. Es geht um das zentralörtliche System, um Misch- und Mehrfachzuständigkeiten, um Umwandlungsmöglichkeiten von staatlichen Pflicht- und Weisungsaufgaben zu Selbstverwaltungsaufgaben und weitere Dinge mehr.“

(Martin Kayenburg [CDU]: Das Ziel besteht weiter! Nur, die SPD blockiert! Das ist das Problem!)

So weit das Zitat, aus dem deutlich wird, wie groß der Themenkomplex ist, den wir uns alle miteinander vorgenommen hatten, dort zu bearbeiten!

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das hätten Sie dann mal tun sollen!)

Wir sind davon ausgegangen - wohl etwas zu gutgläubig -, dass die CDU tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an dieser längerfristigen sachorientierten Fachdebatte hat. Heute stellt sich das anders dar. Die Fachprobleme scheinen in den Hintergrund getreten zu sein. Man will sie mal eben im Innen- und Rechtsausschuss mit erledigen. Ich sage: Wir werden das wohl tun müssen, denn die Probleme haben sich nicht dadurch erledigt, dass CDU und F.D.P. keinen Bock mehr darauf haben, in der Enquetekommission mitzuarbeiten.

Sie wussten im Sommer, spätestens, als wir den Sonderausschuss eingerichtet haben, allerspätestens, als der Sonderausschuss beschlossen hatte, dass es eine Änderung der Finanzmittel für die Kommunen geben

wird. Das hat der Sonderausschuss beschlossen. Es wäre ehrlicher von Ihnen gewesen, nach dem Beschluss des Sonderausschusses die Auflösung der Enquetekommission zu fordern. Denn dann hätten wir uns tatsächlich Arbeit sparen oder uns damals auf andere Verfahren einigen können.

Sie haben den Antrag auf Auflösung der Enquetekommission erst eingebracht, als der Vorsitzende, dem ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für seine Arbeit danken möchte, zurückgetreten ist, wohl in der Annahme, damit ein Stück Publicity zu bekommen. Eine schöne Pressemitteilung scheint Ihnen - ich sage ausdrücklich „leider“ - wichtiger gewesen zu sein als die notwendige Sacharbeit im Interesse der Kommunen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Schlie [CDU]: Das ist ein Unsinn! - Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das sagen ausge- rechnet Sie! - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das ist es!)

Ich schließe meinen Beitrag damit, dass ich es außerordentlich bedauere,

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Ihr Beitrag ist au- ßerordentlich bedauerlich!)

dass die CDU, wenn sie einmal eine gute Idee hatte, die sie dann auch durchgesetzt hat, das anschließend wieder rückgängig macht und in das Nörgelritual zurückfällt.

Ich habe damals meiner Fraktion auch als Person stark empfohlen, die Enquetekommission offensiv zu begrüßen. Ich werde mir in Zukunft sehr viel gründlicher überlegen, ob ich eine Initiative der CDU, der Opposition, begrüße. Aber - nun komme ich zu den Worten von Herrn Wadephul, die ich schon am Anfang zitiert habe -: Der Blick nach vorn gerichtet! Insofern hoffe ich auch weiterhin auf eine vernünftige Zusammenarbeit im Interesse der Kommunen, denn die Probleme sind mit den acht Sitzungen, die wir hatten, nicht kleiner geworden, sondern eher größer. Wir kennen sie ein Stück mehr.

Lassen Sie uns also mit der konstruktiven Arbeit beginnen, dann eben im Innen- und Rechtsausschuss. Wir enthalten uns der Stimme. Wir sind gegen die Auflösung, aber es wäre absurd, dort ohne die Opposition weiterzuarbeiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich erteile Frau Abgeordneter Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es schon beim Rücktritt von Klaus-Peter Puls gesagt: Der SSW sieht das Schicksal der Enquetekommission mit Bedauern, aber wir haben auch Verständnis. Wir haben bedauert, dass der Kommissionsvorsitzende zurückgetreten ist. Aber wir haben Verständnis dafür gehabt, dass Herr Puls unter den gegebenen Umständen, die er gerade eben noch einmal geschildert hat, nicht weitermachen wollte. Wir bedauern aber auch, dass wir heute der Enquetekommission das letzte Geleit geben müssen. Wir haben Verständnis dafür, dass man dem Elend ein Ende bereiten will.

Der SSW hat nämlich die Gründung der Enquetekommission begrüßt. Das haben wir getan, weil wir die Hoffnung hatten - Frau Heinold hat das schon richtig beschrieben -, dort könnten wir auch fernab vom Alltagsgeschäft tragfähige Lösungen für grundlegende Probleme finden. Wir haben gehofft, dass man dort die Ruhe bekommen würde, um über Problemlösungen nachzudenken, die über Tagespolitik, Wahlkämpfe und Legislaturperioden hinausreichen. Es gibt genug Probleme im kommunalen Bereich, die genauer Analyse und langfristiger Lösungsansätze bedürfen. Wäre der Wille vorhanden gewesen, dann hätte man diese in der Enquetekommission gemeinsam beraten und zu einer Lösung bringen können.

Leider ist offensichtlich nicht der Wille da gewesen, die Tagespolitik hinter sich zu lassen, um wirklich für die Zukunft zu schmieden. Es ist enttäuschend, dass die regierungstragenden Fraktionen die Arbeit der Kommission respektlos ignorierten,

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

wenn es um schnelle Lösungen aktueller einzelner Probleme ging.

Es ist ebenso enttäuschend, dass sich die Politiker der Opposition mehr der kurzfristigen politischen Profilierung verschrieben haben als der Erarbeitung nachhaltiger Lösungen grundlegender Problemkomplexe. Ich verweise auf Ihren gestrigen Antrag zur Gemeindeordnung.

(Klaus Schlie [CDU]: Das sehen wir ganz differenziert!)

Wir haben schon bei Einsetzung der Kommission und des Sonderausschusses deutlich gemacht, dass die Zweiteilung nur funktionieren kann, wenn die Themen klar abgegrenzt sind und wenn klar ist, dass der Sonderausschuss die kurzfristigen Sachen macht und sich die Enquetekommission der längerfristigen Angelegenheiten annimmt.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Der Sonder- ausschuss diente nur dem Frisieren!)

Dass man dies so gut wie gar nicht beachtet hat, dürfte maßgeblich zum Scheitern der Enquetekommission beigetragen haben.

(Beifall beim SSW)

Heute müssen wir dazu Stellung nehmen, dass die CDU und die F.D.P. die Enquetekommission beerdigen wollen. Die Entscheidung ist auch uns nicht leicht gefallen. Denn eine Enquetekommission ist ja einerseits eigentlich das richtige Mittel, um die grundlegenden Probleme anzugehen. Die Probleme werden jetzt nicht mit der Kommission beerdigt. Wir werden uns stattdessen tröpfchenweise in den Ausschüssen damit beschäftigen. Dort werden wir dann unter weit schlechteren Rahmenbedingungen und größerem zeitlichen Druck die Kommissionsarbeit nachholen müssen, als Erstes mit dem CDU-Entwurf zum kommunalen Verfassungsrecht.

Darüber hinaus besteht für uns als SSW ein weiteres Problem. Wie Sie wissen, haben wir in den Ausschüssen kein Stimmrecht. Durch die Beerdigung der Kommission entziehen Sie uns der Möglichkeit, durch eine Stimmabgabe bereits in der Kommission unseren Willen kundzutun.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist bedauer- lich!)

Man darf bezweifeln, dass sich so nachhaltige Lösungen längerfristig erarbeiten lassen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Andererseits sehen wir aber auch, dass die dahinsiechende Enquetekommission mit der ignoranten und opportunistischen Einstellung der Fraktionen zu ihrem Arbeitsauftrag zum Scheitern verurteilt ist. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über Ihre Anträge, den der CDU und den der F.D.P., enthalten.

Möge die Enquetekommission in Frieden ruhen und hoffentlich wieder auferstehen, wenn die Menschen klüger geworden sind.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung - auf die Feststellung lege ich Wert - hat gern mit der Enquetekommission zusammengearbeitet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte an dieser Stelle - vielleicht ein wenig ungewöhnlich, aber keiner der Redner hat das bisher erwähnt - einfach einmal meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken,

(Beifall im ganzen Haus)

die in besonderem Maße und mit vielen Überstunden die vielfältigen Materialanforderungen erfüllt haben.

(Zuruf von der SPD: Das haben wir auch ge- tan!)

- Entschuldigung, das hatte ich nicht mitgehört. Ich bitte um Nachsicht.

Ich hatte die Erwartung, die Enquetekommission würde das finanzielle Beziehungsgeflecht zwischen Land und Kommunen gründlich untersuchen und Vorschläge für eine sachgerechte, effiziente Neuordnung erarbeiten. Gerade die bis Mai 2005 umzusetzende Neugestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs wird sich - ich glaube, da sind wir uns alle einige - zwangsläufig auf die Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen auswirken. Es versteht sich, dass eine solche in die Zukunft weisende Aufgabe parteiübergreifend von allen politisch Verantwortlichen im Lande mitgetragen werden sollte, da es um mehr geht als um die Durchsetzung parteipolitischer Vorstellungen. Wenn sich die Initiatoren der Enquetekommission jetzt von der Aufgabe zurückziehen wollen, wird damit einer parteiübergreifenden Konzeption der Boden entzogen und der Sinn einer solchen Enquetekommission tatsächlich - das ist so - infrage gestellt. - Schade drum, sage ich nur. Ich jedenfalls und die Landesregierung haben in der Enquetekommission eine gute Chance für unser Land und seine Kommunen gesehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir werden über beide Anträge in der Sache abstimmen.

Ich rufe zunächst den Antrag der Fraktionen von CDU und F.D.P. auf, die Arbeit der Enquetekommission zu beenden, Drucksache 15/640. Wer diesem Antrag