Für mich ist das eigentliche Thema dieser Aktuellen Stunde nicht der Bericht des Statistischen Landesamtes, sondern es sind die Einlassungen des Wirtschaftsministers dazu, der - ich wiederhole es - gesagt hat: „Es ist zwar nicht schön, aber es ist auch nicht dramatisch.“ Wenn man das Ganze an dem misst, was die Regierung immer gesagt hat, und auch an dem, was der Kollege Schröder eben gesagt hat, sind die Daten tatsächlich dramatisch. Das hätte der Wirtschaftsminister dann auch ausführen müssen.
Der Herr Kollege Kayenburg hat schon auf die einzelnen Daten hingewiesen. Ich habe mir nicht nur den Bericht angeguckt, sondern bin etwas tiefer in die Daten eingestiegen.
Da ist mir etwas aufgefallen, was für SchleswigHolstein bedauerlicherweise überhaupt nicht witzig ist, nämlich das Produktivitätswachstum. Wir müssen feststellen, dass wir ein negatives Wachstum haben, und zwar in Höhe von minus 0,2 %.
Da frage ich mich dann schon, ob man noch davon sprechen kann, dass der Strukturwandel in SchleswigHolstein schon stattgefunden hat, das die New Economy hier ihren Platz gefunden hat. Dieses negative Produktivitätswachstum nämlich lässt darauf schließen, dass wir hier bisher keinesfalls die großen Hightech-Arbeitsplätze angesiedelt haben,
Auch das, was der Bericht darüber sagt - Sie alle haben das angeführt -, die Produktionsrückgänge seien auf einen Rückgang der Energieproduktion zurückzuführen, einen Rückgang im Baugewerbe - was wir alle wissen; Herr Schröder, Sie haben es angesprochen und in der Ernährungswirtschaft, lässt doch nur den Schluss zu, dass gerade in diesen klassischen Bereichen in Schleswig-Holstein immer noch der Schwerpunkt liegt. Sonst könnte sich dieser Rückgang nicht so dramatisch auswirken.
Zur Energieproduktion! Ich habe das Vergnügen gehabt, am letzten Freitag unserem Energieminister zuzuhören, der gesagt hat, es sei doch überraschend, dass in diesem Zusammenhang zum ersten Mal gesagt werde, die Wirtschaftsdaten der schleswig-holsteinischen Wirtschaft seien auch von der Energieproduktion abhängig.
Offensichtlich hat der Herr Finanz- und Energieminister in den letzten neun Jahren nie zugehört, wenn wir hier über die Wirtschaftsdaten in Schleswig-Holstein gesprochen haben.
Ich möchte gern die Fragen anschließen: Wie sieht es eigentlich aus? Ist es tatsächlich so, dass im Jahr 1999, also vor der Landtagswahl, die positiven Daten, die uns vorgelegt worden sind, darauf zurückzuführen sind, dass die Kernkraftwerke in der Zeit keine Stilllegungsphasen, betriebsbedingte Revisionsphasen hatten? Sind diese Phasen, diese notwendigen Arbeitsstilllegungen, möglicherweise in das Jahr 2000 verschoben worden, damit man vor der Landtagswahl die entsprechenden Zahlen vorlegen kann?
Noch ein Thema, das jemanden beschäftigte, der etwas tiefer in die Daten einsteigt, nämlich die Frage des Exportanteils! Wir haben vor einigen Monaten - es ist noch gar nicht so lange her - hier, und zwar gemeinsam, festgestellt, dass im Jahr 1999 die Exportwirtschaft in Schleswig-Holstein einen enormen Schritt nach vorn getan hat. Wir alle haben uns zu Recht darüber gefreut. Aber was ist damit eigentlich im Jahr 2000 geschehen?
Der nächste Punkt! Wenn der Wirtschaftsminister im Zusammenhang mit diesen Wirtschaftsdaten sagt: „Wir warten noch auf die Binnennachfrage“ - Schleswig-Holstein ist im Wesentlichen von der Binnennachfrage abhängig -, frage ich mich, wie diese beiden Äußerungen eigentlich zusammenpassen und wie man die Hoffnung oder die Euphorie begründen kann zu sagen: „Mit der Binnennachfrage wird es schon besser werden“? Die Zweifel, die wir ohnehin daran haben, hat Herr Kollege Kayenburg ausgeführt.
Es gibt ein Sprichwort, das ich im Zusammenhang mit den Äußerungen des Ministers, in Schleswig-Holstein hinke alles immer ein wenig, auch die Konjunkturzyklen und so weiter, umgewandelt auf SchleswigHolstein, verbunden mit einer Frage, vortragen möchte. Es heißt: „Sei in Mecklenburg, wenn die Welt untergeht, denn dort passiert alles hundert Jahre später.“ Ich wünsche mir nicht, dass dieses Sprichwort auch auf Schleswig-Holstein zutrifft.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.
Herr Kayenburg, es war klar, dass Sie angesichts der schwachen Wirtschaftszahlen eine Aktuelle Stunde beantragen mussten. Wenn man Vorturner ist, gibt es eben ideologische Pflichtübungen.
(Zurufe von der CDU - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das kennen Sie wahrscheinlich aus eigener Erfahrung!)
Erstens. In Schleswig-Holstein ist der Anteil des tertiären Sektors und der Verbrauchsgüterproduktion am Bruttosozialprodukt größer als anderswo.
Bei anziehender Konjunktur entwickeln sich aber zunächst die Investitionen und dann folgt der Konsum. Der Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen folgen später. Deshalb wird Schleswig-Holstein von einem Konjunkturabschwung stets später betroffen und beim Aufschwung dauert es länger, bis Schleswig-Holstein in Fahrt kommt. Das war auch in der Vergangenheit so.
Herr Kayenburg, Ihre Begründungen sind nicht zutreffend. Denken Sie einmal logisch. Sie haben nur bundespolitische Gründe dafür angeführt, dass Schleswig-Holstein am Aufschwung des Bundes nicht teilnimmt.
(Martin Kayenburg [CDU]: Sie müssen nicht zugehört haben! Sie waren auf einer anderen Veranstaltung!)
Das stellt man fest, wenn man sich das differenziert anguckt. Schleswig-Holstein befindet sich noch immer in einem langfristigen Strukturwandel. Der Struktur
wandel ist keineswegs erfolgreich abgeschlossen. Wir befinden uns in ihm. Wir haben die klassischen Strukturen Land- und Ernährungswirtschaft, Tourismus, einen überproportionalen Anteil der Bauwirtschaft, die Werften und als Besonderheit den hohen Anteil der Energiewirtschaft durch die drei Atomkraftwerke. Diese klassischen Strukturen sind im Moment instabil, die neuen Strukturen - Wellness, Medizintechnik, Umwelttechnik einschließlich regenerativer Energien, Informationstechnik, Softwareentwicklung und Maschinenbau
Wenn Sie sich die Zahlen differenziert ansehen, stellen Sie fest, dass die Trennlinie zwischen Minus und Plus in der wirtschaftlichen Entwicklung
fast haargenau an der Trennlinie zwischen diesen beiden Sektoren verläuft. Die neuen Sektoren machen Plus, die alten Sektoren machen Minus.
Das bedeutet Folgendes. Wenn Sie daraus Konsequenzen ziehen, ist es nicht so, wie Sie, Herr Kayenburg, dargestellt haben -