Protokoll der Sitzung vom 22.02.2001

Ganz wichtig ist, dass das in das Landesarchiv eingebunden wird, damit man die entsprechende Infrastruktur hat. Das halten wir für richtig und so sollte es dann auch sein.

Über die Einrichtung eines Archivs ist schon früher diskutiert worden. Es ist dann immer wieder zu den Akten gelegt worden. Es gibt bestimmte Problemstellungen bei den Städten, die Sie angesprochen haben, zum Beispiel in Flensburg und in Lübeck, wo das traditionsreiche „lübische Archiv“ schon seit vielen Jahrhunderten - hätte ich beinahe gesagt - existiert, die

(Uwe Eichelberg)

darauf gründen, ob man diese Dinge an zentrale Stellen abgeben kann. Man muss überprüfen, ob man das mit den modernen Kommunikationsmitteln miteinander verbinden kann. Wir stehen dem Ganzen offen gegenüber. Wir warten voll Spannung auf die Prüfung und werden das intensiv prüfen.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Wir werden es danach intensiv diskutieren. Wenn wir das realisieren könnten, es kostet nicht zu viel und alle ziehen an einem Strang - wir wollen uns mit bemühen -, dann wäre das der richtige Weg.

(Beifall bei CDU und SSW)

Ich erteile Frau Abgeordneter Aschmoneit-Lücke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, wir werden uns einer Prüfung im Ausschuss natürlich überhaupt nicht entziehen. Das ist klar. Ich möchte hier heute aber auch schon sagen, dass wir dem ganzen Vorhaben außerordentlich skeptisch gegenüberstehen.

(Beifall bei F.D.P. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegensatz zu den anderen Ländern, die Sie genannt haben, haben wir hier in Kiel direkt um die Ecke - ich empfehle, dort einmal hinzugehen - das Institut für Weltwirtschaft mit einem Zentralarchiv für wirtschaftswissenschaftliche Fragen. Wir haben dort natürlich auch ein zentrales Wirtschaftsarchiv, das zwar nicht - um das ganz klar zu sagen - auf Schleswig-Holstein bezogen ist, aber natürlich auch Schleswig-Holstein beinhaltet. Dies ist der erste Punkt.

Ein anderer Punkt ist, wie ich glaube, inzwischen viel Wesentlicher geworden. Ich weiß nicht, ob Sie gestern gelesen haben - offensichtlich haben Sie dies nicht getan -, dass jetzt auch für Schleswig-Holstein eine zentrale Möglichkeit der Internetnutzung gerade auch für wirtschaftsgeschichtliche Fragen eingerichtet worden ist. Dort kann sich jeder einklinken, dort kann jeder seine Informationen hineingeben und dort können Informationen auch abgerufen werden.

Sie alle haben betont, dass wir über dieses Archiv bereits über 20 Jahre lang sprechen. Möglicherweise ich gebe dies zu bedenken - ist die Zeit dafür, ein solches zentrales Archiv, wie Sie es fordern, Frau Kollegin, einzurichten, inzwischen einfach abgelaufen und

ein solches Institut ist aufgrund der neuen Möglichkeiten überflüssig geworden.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Sie schütteln den Kopf.

Ich meine, wir sollen über dieses Thema - deswegen werden wir uns einer Ausschussüberweisung natürlich nicht verschließen - im Ausschuss diskutieren. Über eines müssen wir uns klar sein: Wir haben hier in Schleswig-Holstein - darüber sprechen wir immer wieder - Geld dafür nicht übrig,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

um es möglicherweise einer Institution zukommen zu lassen, die aus unserer Sicht - dies gilt zumindest aus heutiger Perspektive - eventuell überflüssig ist. Frau Kollegin, ich habe gerade vorgestern gehört, dass die Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit einem schleswig-holsteinischen Verlag bereit sind, ein solches zentrales Wirtschaftsarchiv, wie Sie es fordern, freiwillig auf privater Basis einzurichten. Wenn sich dies bestätigt - man kann in dieser Hinsicht ja noch einmal nachfragen -, ist die Frage der Überflüssigkeit in unserem Sinne, wie ich denke, positiv beantwortet. Selbstverständlich werden wir der Ausschussüberweisung trotzdem zustimmen.

(Beifall bei F.D.P., CDU und der Abgeord- neten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal sind die Beiträge der F.D.P. wirklich Gold wert. Vielen Dank, Frau Aschmoneit-Lücke.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Meine Fraktion hat sich bewusst dafür entschieden, dass ich als finanzpolitische Sprecherin zu diesem Tagesordnungspunkt Stellung nehme. Wir alle diskutieren das ganze Jahr über eigentlich immer darüber, wie wir Strukturen in Schleswig-Holstein abbauen können. Dies ist nun - nach dem Antrag betreffend den Aufbau eines Hauses der Geschichte - der zweite Antrag, der sich damit beschäftigt, wie wir neue Strukturen aufbauen können. Die CDU sagt ganz locker:

(Monika Heinold)

Wenn es nicht viel kostet, kann man über ein solches Projekt einmal nachdenken.

(Uwe Eichelberg [CDU]: Das haben wir nicht gesagt! Wir haben gesagt: Prüfen!)

- Sie haben gesagt: Wenn es nicht so viel kostet, kann man das prüfen. - Wir lassen das einmal so stehen.

Ich habe natürlich überhaupt nichts gegen eine Ausschussberatung. Ich finde, dass die Ausschüsse immer qualifiziert beraten sollten. Das Thema ist unstrittig wichtig. Der Beitrag von Frau Aschmoneit-Lücke hat auch gezeigt, dass wir Ansatzpunkte haben. Das Weltwirtschaftsinstitut wird aus Landesmitteln sehr stark unterstützt. Man kann hinterfragen, ob das, was dieses Institut tut, richtig ist und ob dort zum Beispiel in freiwilliger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wie es hier gesagt wurde, nicht noch weitere Strukturen aufgebaut werden könnten.

Wir sind damit einverstanden, dass die Vorlage in den Bildungs- und den Wirtschaftsausschuss geht. Wir möchten aber darum bitten, dass auch der Finanzausschuss beteiligt wird. Sollte es uns in der Debatte gelingen, die Wirtschaft zu motivieren, ein solches Wirtschaftsarchiv - vielleicht auch mit Hilfestellung aus den zuständigen Ministerien - aufzubauen, so ist das in Ordnung. Ich sage aber noch einmal: Mir ist sehr daran gelegen, dass wir im Land Strukturen abbauen, damit wir überhaupt wieder handlungsfähig werden. Ich will das an dieser Stelle ehrlich und sehr deutlich sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Weber zu einem „Kürzestbeitrag“ das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss doch die Gelegenheit nutzen, Frau Heinold in diesem Punkt heftig zu widersprechen. Ich finde es verwunderlich, dass eine solche Admonition interessanterweise immer bei kulturpolitischen Themen kommt. Bei anderen Themen könnte man genauso argumentieren. Es geht gar nicht um den Aufbau neuer Strukturen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wir sammeln akribisch - ich habe noch keinen gehört, der sagte, wir sollten dies nicht tun - die Überlieferungen von staatlichen Einrichtungen - von Ämtern, von Städten, von Kommunen - und auch sehr viele private Nachlässe. Es geht doch nur darum, durch Überzeu

gungsarbeit - wo und in welcher Form auch immer sicherzustellen, dass ein wesentlicher Teil unseres Miteinanders, nämlich das, was in privatwirtschaftlichen Unternehmen und Betrieben passiert, auch der historischen Überlieferung zur Verfügung zu stellen. Um mehr geht es gar nicht. Die Förderung dieses Anliegens kann man nicht mit einem Federstrich oder mit einem Hinweis auf Finanzen abtun. Es geht gar nicht darum, neue Kostenstrukturen aufzubauen, sondern darum, dafür Sorge zu tragen, dass die Möglichkeiten der Archivierung, die wir schon haben, auf freiwilliger Basis - dies haben wir alle deutlich unterstrichen auch auf den Bereich der Privatwirtschaft ausgeweitet werden. Dies sollte, wie ich meine, hier noch einmal sehr deutlich formuliert werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Jetzt erteile ich der Ministerin Frau Moser das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Abgeordneten Weber sehr dankbar dafür, dass er noch einmal klargestellt hat, dass es nicht darum gehen kann, quasi nach der Rasenmähermethode Strukturen abzubauen. Dafür steht diese Landesregierung jedenfalls nicht zur Verfügung.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das ist auch nicht die Intention des Antrages!)

Es geht darum, Prioritäten zu setzen. Man kann darüber streiten, ob dieses Vorhaben zu den Prioritäten gehört. Man kann es jedenfalls nicht in den Kontext stellen: Wir wollen Strukturen abbauen; auf keinen Fall wollen wir neue Strukturen. - Dies würde ich nicht für eine angemessene Reaktion auf diesen Antrag halten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich kann Sie, wenn es um andere Strukturen geht, gelegentlich ebenfalls an diesen Aspekt erinnern.

Durch den Antrag des SSW wird eine Diskussion wieder aufgenommen - das wurde schon gesagt -, die bereits Mitte der 80er-Jahre im Lande geführt wurde, als einige Wirtschafts- und Sozialhistoriker in Fachpublikationen eine solche Diskussion führten. Die Diskussion hat dazu geführt, dass die Industrie- und Handelskammern mittels eines Aufrufes an alle Betriebe die Bereitschaft eruiert haben, ob die Betriebe ihr Material für die Gründung eines Wirtschaftsarchivs zur Verfügung stellen würden. Die Resonanz war aus sehr unterschiedlichen Gründen mager. Einige Betriebe hatten ihre Aktenbestände nämlich schon an städtische Archive abgegeben.

(Ministerin Heide Moser)

Der vorliegende Antrag gibt uns Gelegenheit, den Faden wieder aufzunehmen. Von unserer Seite aus sind dabei aber von vornherein folgende Gesichtspunkte zu beachten.

Erstens. Der Wunsch und die Bereitschaft, ein Wirtschaftsarchiv einzurichten, muss von einer stabilen Basis getragen werden, das heißt, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Unternehmensverbände, Sparkassen, Banken und Versicherungen, um nur einige Beispiele zu nennen, müssen zur Kooperation bereit sein und sich dazu auch bereit erklären. Es muss also eine Verbindlichkeit gegeben sein. Selbstverständlich kann das Vorhaben nur auf der Basis der Freiwilligkeit umgesetzt werden. Wir wollen die Unternehmen nicht zwingen, ihre Bestände einem Archiv zu überstellen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Zweitens. Bei der Einrichtung und Führung eines Wirtschaftsarchivs kann das Land nur beratend tätig sein. Dies sei zu Ihrer Beruhigung gesagt, Frau Heinold. Wir wollen und können die Gründer, Träger und Betreiber nicht aus ihrer Eigenverantwortung entlassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die beiden soeben genannten Punkte korrespondieren insofern miteinander.

Drittens. Das Zusammenwirken von Wirtschaftsarchiv und abgebenden Unternehmen - Firmen, Gesellschaften, Vereinen - muss auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gegründet sein. Das hat Herr Weber bereits gesagt. Dies ist ein entscheidender Punkt für das Funktionieren.

Viertens. Über technische Hilfen, Raumkapazitäten und fachliche Beratung kann mit den Archiveinrichtungen des Landes gesprochen werden. Gleichzeitig sind damit aber auch die Grenzen einer möglichen Mitwirkung beschrieben. Über all diese Dinge wird mit den Beteiligten ausführlich zu reden sein. Der Wert einer zentralen, wissenschaftlichen arbeitenden Auffangstelle für Archivalien aus der Wirtschaft ist sicherlich unstreitig. Frau Aschmoneit-Lücke, es ist etwas ganz anderes, ob Sie ein wissenschaftlich geführtes Archiv haben oder eine Internetplattform, auf der man natürlich auch Informationen anbieten und nutzen kann.