Protokoll der Sitzung vom 22.03.2001

(Lars Harms)

dem man in aller erster Linie Qualität verbindet, und zwar basierend auf einer entsprechenden unabhängigen Kontrolle. Hier könnte Schleswig-Holstein durchaus wieder - wie damals - eine Vorreiterrolle übernehmen, indem man versucht, unsere guten Qualitätskriterien auf ganz Deutschland zu übertragen. Einen Versuch wäre das zumindest wert. Unsere Gespräche mit der Landwirtschaftskammer haben gezeigt, dass man sich dort durchaus mit diesem Gedanken beschäftigt. Denn die sprechen schon mit Bayern.

Es freut uns, dass der Regierungserklärung heute zu entnehmen war, dass auch die Landesregierung dies erkannt hat. So soll ein Produkt erst bestimmte Qualitätstore durchlaufen, bevor es durch ein nachvollziehbares Gütesiegel prämiert wird. Die angestrebten Qualitätskriterien lassen sich auf jedes landwirtschaftliche Produkt anwenden und auch auf andere Länder übertragen. Das ist eigentlich die Kernaussage, die dahinter steckt. Diesen Schritt der Landesregierung begrüßen wir außerordentlich, auch wenn das für uns nichts Neues ist.

Hat man ein deutschlandweites Gütesiegel, so braucht man nicht unbedingt auf eine zusätzliche regionale Kennung zu verzichten. Dass ein Produkt in Schleswig-Holstein hergestellt oder veredelt wurde, lässt sich ohne weiteres durch ein Schleswig-Holstein-Logo oder Ähnliches ausdrücken.

(Holger Astrup [SPD]: Das stimmt!)

Dieser Gedanke lag zum Beispiel auch der damaligen Dachmarkenidee im Tourismus zugrunde. Zwar ist diese Idee aufgrund von Regionalismen vorerst ins Stocken geraten, doch sollte man sich weiter mit diesem Gedanken beschäftigen - was ja nun anscheinend auch wieder in Gang kommt.

Zumindest ist für den SSW in der Diskussion um das Gütezeichen deutlich geworden, dass ein weiteres Festhalten am Gütezeichen „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“ auch bei höheren qualitativen Anforderungen durchaus die Konsequenz haben kann, dass wir uns auf dem europäischen Markt nicht mehr richtig positionieren. Eine solche Entwicklung gilt es in jedem Fall zu verhindern.

(Beifall bei SSW und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Zunächst schlage ich vor, dass wir den Bericht dem Agrarausschuss zur abschließenden Beratung überweisen. Mitberatung ist nicht gewünscht. Wer so verfahren will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ge

genstimmen? - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!

Es ist beantragt worden, über den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/842, den ich hier nun wirklich nicht verlesen muss, in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen?

(Zurufe von CDU und F.D.P.)

Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und F.D.P. abgelehnt.

(Heinz Maurus [CDU]: Deutlicher geht es nicht mehr! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Der SSW ist unglaublich! - Unruhe)

Bitte seien Sie geneigt, mir zuzuhören. Wer das nicht tun will, den bitte ich, nach draußen zu gehen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Gesundheitspolitische Aktivitäten der Landesregierung zur BSE-Problematik/neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sowie gesundheitspolitische Konsequenzen aus dem Auftreten von BSE

Landtagsbeschluss vom 21. Februar 2001 Drucksache 15/717

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/831

Ich erteile der Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Frau Moser, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Modellsystemen weisen - wie dies in der Sprache der Wissenschaft heißt - die Erreger von BSE und der so genannten neuen Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit praktisch dieselben biochemischen und biologischen Eigenschaften auf. Dies und der zeitlich-räumliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten von BSE und der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit machen einen ursächlichen Zusammenhang der beiden Krankheiten wahrscheinlich. Die Befunde - alle Befunde, muss man wohl sagen - deuten darauf hin, dass diese neue Variante einer seit Jahrzehnten bekannten Krankheit, die vor allem bei jüngeren Menschen auftritt, sozusagen die Manifestation von BSE beim Menschen darstellt.

Die gesundheitspolitische Konsequenz aus dieser wissenschaftlichen Einschätzung - mehr als eine Einschätzung ist es eben noch nicht - kann daher nur lauten: Alle Aktivitäten, alle Initiativen und alle Maß

(Ministerin Heide Moser)

nahmen müssen darauf gerichtet sein, das Infektionsrisiko für die Menschen nach Möglichkeit völlig auszuschließen. Einen Zielkonflikt kann es eigentlich nur da geben, wo bei lebensnotwendigen und lebenserhaltenden Arzneimitteln noch kein völliger Risikoausschluss möglich ist, zum Beispiel bei Gelantinekapseln, verbunden mit bestimmten Medikamenten.

Präventiver Gesundheitsschutz heißt: Wir dürfen nicht erst handeln, wenn die Gefahren wissenschaftlich bewiesen sind. Losgelöst davon ist es natürlich erforderlich, die Forschung zu BSE und Creutzfeldt-Jakob auf allen Ebenen zu intensivieren. Besonders wichtig ist dabei die Erforschung der Übertragungswege von Tierart auf Tierart, von Tier auf Mensch und die Entwicklung von Diagnosemethoden und Tests am lebenden Tier und Menschen.

Parallel dazu müssen ab sofort auf allen politischen Ebenen in Kooperation mit den beteiligten Einrichtungen, Verbänden, Organisationen und der Ernährungsund Landwirtschaft weiterhin die notwendigen und am jeweiligen wissenschaftlichen Kenntnisstand ausgerichteten Entscheidungen im Sinne dieses vorbeugenden Gesundheitsschutzes getroffen werden. Die Gesundheit der Bevölkerung und die Sicherheit der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Vorrang vor allen anderen Interessen, auch vor wirtschaftlichen Erwägungen.

Alle in unserem Bericht dargestellten gesundheitspolitisch relevanten Maßnahmen und Initiativen der Landesregierung - ich verweise im Einzelnen auf den Bericht - orientieren sich an dieser Leitlinie. Die darüber hinausgehenden berechtigten Fragen, die in Ihrem Antrag aufgeworfen worden sind, haben wir nach unserem heutigen Kenntnisstand beantwortet. Dabei wird deutlich, dass es noch gewaltiger Anstrengungen bedarf, um den häufig zitierten Paradigmenwechsel im gesundheitlichen Verbraucherschutz erfolgreich zu gestalten. Ich werde mich an diesen Anstrengungen hoch motiviert beteiligen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Weil externer Sachverstand bei der Bewältigung der Krise eingebunden werden muss und alle Erkenntnisse und Kompetenzen, über die wir im Land verfügen, herangezogen werden müssen, habe ich am 12. März zu einem Gesprächskreis zum Thema Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten eingeladen. Ziel war - ich glaube, wir sind dem auch ein Stück näher gekommen -, bei der Herstellung sicherer Arzneimittel und Medizinprodukte problemangemessene Standards, Selbstverpflichtungen und entsprechende Kontrollen zu entwickeln, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen.

Ich hatte Ihnen bereits im Rahmen der letzten Landtagstagung berichtet, dass mich die BSE-Problematik darin bestärkt, auch im Bereich Gesundheitsförderung insgesamt neue Impulse zu setzen. Umfassende Information und Beratung der Bürgerinnen und Bürger ist angesagt. Ich setze intensiv auf eine Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, mit den Akteuren des Gesundheitswesens und mit den Gesundheitsämtern. Das bringen wir - das heißt, mein Haus und ich - sozusagen als Basiserweiterung für den Verbraucherschutz ein.

Die BSE-Problematik und das nicht auszuschließende Infektionsrisiko erfordern im Übrigen - lassen Sie mich das sagen - einen besonderen, verantwortlichen Umgang mit allen bisherigen Defiziten und allen zukünftigen Lösungen. Für scheinheilige Schuldzuweisungen und parteipolitischen Eskapismus ist bei diesem Thema eigentlich kein Platz.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Vertrauen in den gesundheitlichen Verbraucherschutz kann Politik nur dann wieder herstellen, wenn die Leute nicht nur dem Fleisch auf ihrem Teller vertrauen, sondern auch wieder stärker der Sachorientierung von Politikern vertrauen können.

(Beifall bei der F.D.P. sowie der Abgeordne- ten Jutta Schümann [SPD], Jürgen Weber [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Lassen Sie mich folgenden Gedanken ein bisschen polemisch zusammenfassen. Die Opposition ist heute Morgen ihrer politischen Deklarationspflicht nicht nachgekommen. Insofern gleicht sie ein wenig der Kalbsleberwurst ohne Kalbsleber.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte bei der Vorlage dieses dritten Berichts zu diesem Thema heute in diesem Haus die Gelegenheit nutzen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den betroffenen Ressorts für ihre intensive Arbeit bei der Problembewältigung der BSE-Krise zu danken.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Allein zu dieser Tagung sind - wie gesagt - drei Berichte erstellt worden. Wir haben eine Fülle von Kleinen Anfragen beantwortet. Wir haben vor allen Dingen die Besorgnisse der Bürgerinnen und Bürger aufgegriffen und arbeiten in zahlreichen Bund-Länder-Arbeitsgruppen, in Fachministerkonferenzen und in Gremien auf euro

(Ministerin Heide Moser)

päischer Ebene mit. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Häusern gebührt ein großes Dankeschön für ihren Beitrag zur Problembewältigung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Vielen Dank für diesen Bericht, Frau Ministerin!

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst Herr Abgeordnete Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Moser, ich möchte Ihnen für den guten und informativen Bericht und gleichfalls allen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Was Sie vorgelegt haben, ist eine Hilfe für die weitere Diskussion und umfasst alle wesentlichen Problembereiche, die wir angesprochen haben.

Verbraucherschutz ist vorbeugende Gesundheitspolitik. Herr Hay hat heute Morgen gesagt, er habe von der Opposition nichts gehört. Ich möchte ihn an die Debatte in der letzten Landtagstagung erinnern, in der wir Kompetenzbündelung und diverse andere Maßnahmen angeregt haben, die auch in diesem Bericht deutlich geworden sind. Zu behaupten, von der Opposition sei nichts gekommen, halte ich nicht für richtig.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Richtig!)

Wir wollen mehr Gesundheits- und Verbraucherschutz. Ich möchte dazu einige Punkte nennen und zusätzlich auf einige Problembereiche aufmerksam machen, was Sie sicherlich nicht anders erwarten.