Protokoll der Sitzung vom 22.03.2001

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Warum ist es denn dem Bundestag im Dezember gelungen, ein solch gutes Gesetz innerhalb von drei Tagen zu verabschieden? - Weil die Lobbyisten keine Zeit bekommen haben, Stellung zu nehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Das ist auch eine tolle Aussage!)

- Genauso ist es gewesen. Sie werfen mir vor, ich würde nach Großbritannien schauen und so Panik verbreiten. Der Vorwurf an uns alle - auch an Sie muss doch lauten: Wir haben 15 Jahr lang nicht dort hingeguckt, haben gedacht, das sei nicht nötig. Da liegt der Fehler, nicht darin, jetzt einmal hinzuschauen. Das war höchste Zeit; das hätten Sie einmal viel früher machen sollen. Sie haben das - genau wie wir - mitverschuldet.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen, man solle vielmehr auf die Schweiz schauen, die sei der Maßstab. Frau Künast ist doch mit ihren Experten dort hingefahren. Aber sie ist nicht mit dem Ergebnis, das Sie wollen, zurückgekommen. Die Maßnahmen der Schweiz sind bei uns nicht anwendbar. Das wussten wir auch vorher.

Zum SSW will ich sagen: Das Ausmaß der staatlichen Kontrollen haben wir noch nicht beschrieben. Wir haben im Haushalt 2001 die Zahl der Stellen zum Teil schon erhöht und werden die Vorgehensweise in diesem Bereich, natürlich gemeinsam mit dem Parlament, diskutieren. Heute ist in Cottbus Agrarministerkonferenz - ich sehe nicht, dass ich da noch hinkomme -, auf der die Bundesregierung dazu Vorschläge unterbreitet. Wir werden uns das sehr genau anschauen. Denn Vorschläge machen kann jeder. Die Frage ist, wer die Kosten übernimmt.

Unsere Philosophie ist - ich denke, das hat Frau Simonis hier sehr gut vorgetragen -, alle gemeinsam in die Verantwortung zu nehmen. Wir wollen die Selbstzertifizierung und intelligentes Controlling statt Kontrolle. Darin liegt eher die Lösung als darin, dass jeder noch 100 Leute zusätzlich bekommt. Wir wollen doch alle nicht, dass der Staat die volle Kontrolle übernimmt. Wenn das so wäre, sagten die Landwirte zu Recht: Was wollen Sie hier denn drei Tage in der Woche?

Zu Herrn Ehlers sage ich: Ich freue mich, wenn wir uns zu manchem einiger werden. Die Tendenz diesbezüglich ist ja steigend, insbesondere wenn wir uns nicht in diesem Hause treffen. Aber das alte Gedankengut schimmert immer wieder durch. Sie haben das sehr gut versteckt, aber wir kennen uns ja lange genug. Sie haben wieder das Lied gesungen: Wenn wir unsere Standards erhöhen, steigen bei uns die Kosten, und deshalb muss das EU-weit geregelt werden. - Das könnte man unterschreiben, wenn man nicht wüsste, was Sie damit gemeint haben. Jahrelang haben Sie Hand in Hand mit dem Bauernverband und vielen anderen verhindert, dass das Risikomaterial aus der Nahrungskette herausgenommen wurde. Erst am 1. Oktober 2000 ist das beschlossen worden, bis dahin haben Sie immer argumentiert: Das verursacht für uns zu hohe Kosten, das geht nicht - und das, obwohl wir jahrelang gewusst haben, was das für ein Mist ist, den wir in die Lebensmittel tun.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Und jetzt schauen Sie sich einmal um: Das ist BSErelevant. Welche Kosten verursacht das denn für Kosten und wie steht das im Verhältnis zu den 5 Millionen DM, die das gekostet hätte?

(Klaus Schlie [CDU]: Seit wann regieren Sie eigentlich in Schleswig-Holstein? Das ist ein Unsinn, den Sie erzählen!)

Seien Sie einmal ehrlich und sagen Sie das, was Sie meinen. Wenn Sie sagen „EU-weit“, dann meinen Sie: Bloß nicht bei uns, bloß keine eigene Verantwortung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Glocke des Präsidenten)

Wir müssen die Spitze sein, wenn wir eine EU-weite Regelung fordern.

Frau Ministerin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - Was das Tiermehl angeht, so haben Sie keine Aussage gemacht. Aber Reimer Böge ist schon mit der Forderung zu hören, das Verbot nicht zu verlängern.

Abschließend will ich mich noch kurz dem Oppositionsführer zuwenden: Wenn man einfach den alten Hut aus dem letzten Wahlkampfprogramm holt, MUNF und MLR zusammenlegt und ein bisschen BSE-Soße darauf tut, so ist dies keine Lösung. Sie wollen zwar glauben machen, dass das eine neue Politik ist, aber mit den Lösungen, die der Verbraucher von uns in Sachen BSE erwartet, hat dies nichts zu tun. Dafür sind Sie auch nicht gewählt worden.

(Lebhafter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Umweltminister Müller, ich darf darauf hinweisen, dass dies die dritte Debatte zum Thema BSE ist. Wir als F.D.P.-Fraktion haben schon in der ersten Debatte zurückgeblickt und festgestellt, dass es selbstverständlich auch Versäumnisse der schwarz-gelben Bundesregierung gegeben hat, und dies hier dargestellt. Zu Recht hat die Landwirtschaftsministerin darauf hingewiesen, dass es insbesondere an der Verweigerung gelegen hat, Risikomaterial frühzeitig aus der Nahrungsmittelkette herauszunehmen.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Richtig!)

Wir haben das schon lange geleistet, als Sie noch nicht einmal wussten, wie viele Versäumnisse Sie begangen haben.

Es wurde immer wieder beklagt, dass die F.D.P. keine eigenen Vorschläge gehabt habe. Immerhin hatte sie so viele Vorschläge, dass die rot-grüne Mehrheit in der letzten Agrarausschussitzung ein Drittel unserer Vorschläge übernommen hat - immerhin ein Drittel! Das ist gar nicht einmal so schlecht. Wir haben Dinge aufgegriffen, die Sie überhaupt nicht berücksichtigt haben. Sie hatten in Ihren Vorschlägen in keinster Weise die Forschung berücksichtigt, genauso wenig den Erhalt der Wettbewerbsbedingungen. Ich danke Herrn Kollegen Steenblock, dass insbesondere er sich für meine Vorschläge eingesetzt hat.

Kollege Jensen-Nissen hat hier noch einmal deutlich das Einmaleins der EU-Agrarpolitik aufgezeigt.

(Lachen bei der SPD)

Er hat darauf verwiesen, wie begrenzt zurzeit unsere Möglichkeiten tatsächlich sind. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite des Hauses, Sie haben ordentlich zugehört; denn was dort gesagt wurde, muss man wissen, wenn man mit Vorschlägen kommt. Etwas im Hauruck-Verfahren zu ändern, geht eben nicht.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Die hoch gepriesene Grünlandprämie ist von der F.D.P. lange gefordert worden. Rot-Grün hat sich eben nicht dafür eingesetzt, dass sie Bestandteil der Agenda 2000 wird. Jetzt beklagt man es - ein bisschen spät.

Ganz große Verwunderung ergreift mich, wenn hier immer wieder auf die Gemeinschaftsaufgabe verwiesen wird. Wir wissen doch alle: In den letzten Jahren hat Rot-Grün die Mittel, die für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verfügung standen, nie abgefordert,

(Zuruf von der F.D.P.: So ist das!)

weil Sie gar nicht das Geld hatten, das im Landeshaushalt gegenzufinanzieren. Trotzdem wollen Sie jetzt weiter auf die Gemeinschaftsaufgabe setzen. Was soll das denn? Sie bauen damit einen Popanz auf.

(Zuruf von der F.D.P.: Sie haben sie nie ge- nutzt!)

- Sie haben die Mittel nie genutzt und werden sie auch in Zukunft nicht nutzen!

(Vereinzelter Beifall bei F.D.P. und CDU)

Herr Umweltminister, es ist schon entnervend, wenn Sie kritisieren, die Oppositionsfraktionen hätten nie nach den Lebensmittelkontrollen gefragt. Heißt das, Sie arbeiten erst dann, wenn wir einen Berichtsantrag stellen?

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Zurufe der Ab- geordneten Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Klaus Schlie [CDU])

Sie bestätigen damit, dass die Regierungsfraktionen von der Opposition, die wach gewesen ist und die mit ihren Fragen, Berichtsanträgen und Resolutionen doch die richtigen Maßnahmen vorgeschlagen hat, in eine Regierungserklärung getrieben worden sind. Kollege Steenblock, ich bin dankbar, dass jemand den Reden der Opposition zugehört hat. Das ist nicht gerade üblich; daher möchte ich das herausstellen. Ich meine, dass wir beim Thema Tierschutz mit unseren Meinungen nicht weit auseinander liegen. Als Opposition müssen wir darauf aufmerksam machen, dass die besten Tierschutzbestimmungen nichts nützen, wenn es

(Dr. Christel Happach-Kasan)

im Land keine Tiere mehr gibt, auf die sie Anwendung finden.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh)

Herr Eichstädt, auch in Lauenburg weiß man das. Stellen Sie unseren Kreis doch nicht in ein so schlechtes Licht. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der F.D.P.)

Beim Thema Tierschutz müssen wir sehr wohl auf EU-Bestimmungen achten. Wir sollten darauf achten, sie als Qualitätsmerkmal darzustellen. Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir damit nicht die Betriebe aus dem Lande treiben.

Bei allen Beiträgen vermisse ich ein wenig die Berücksichtigung der Tatsache, dass die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, tatsächlich höhere Preise zu akzeptieren, vergleichsweise gering ist. Sie kennen sicherlich alle die Umfragen aus dem Lebensmittelhandel. 80 % der Bürgerinnen und Bürger sagen, sie seien bereit, höhere Preise zu zahlen, bevor sie den Laden betreten. Wenn sie aus dem Laden kommen, stellt man fest, dass sie zu 95 % zu den billigsten Produkten gegriffen haben. Theorie und Praxis liegen da weit auseinander. Frau Ministerin Franzen, es ist immer leicht, der Opposition Lobbyarbeit vorzuwerfen, wenn man keine Argumente hat, warum man den Standpunkt nicht differenzierter behandelt.

Staatssekretär Wille - nicht gerade ein Freund der F.D.P. - hat auf der Grünen Woche noch einmal deutlich gemacht, dass man beim Thema Tiermehl etwas differenzierter vorgehen muss und nicht nur den Absolutheitsanspruch durchsetzen darf. Mir geht es bei diesem Thema nicht um die Tiermehlproduktion, sondern um das Thema Tierernährung. Schweine in der Zucht brauchen schlicht und ergreifend bestimmte Aminosäuren. Wir können wählen, ob wir diese über Tiermehl zuführen, wobei sie hier aus Schlachtabfällen hergestellt werden, oder ob wir sie als chemische Produkte - synthetisch hergestellt - zuführen wollen. Die beiden Alternativen haben wir. Es gibt keine Nullhypothese.

Das zweite Thema ist der Umweltschutz. Es ist sehr wohl umweltrelevant, ob wir die Tonnen von Tiermehl, die es gibt, tatsächlich thermisch verwerten wollen. Die Folge wäre eine hohe NOx-Belastung. Das ist ein Umweltthema, auf das wir achten müssen.

Das dritte Thema ist die Nachhaltigkeit. Es wird immer wieder gesagt, für 1 kg Rinderbraten brauchte man 5 kg Weizen. Das ist richtig. Wenn wir aber berücksichtigen, dass etwa zwei Drittel des Schlachtkörpers aus Abfall besteht, dann heißt das, dass für 1 kg Rinderbraten 15 kg Weizen gebraucht werden. Da

muss man sich fragen, ob das Thema Nachhaltigkeit nicht auch einmal im Rahmen einer solchen Debatte diskutiert werden kann und nicht immer nur dann, wenn es um die Agenda 21 geht. Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema, das bei allen Themen Berücksichtigung finden muss. Ich würde mir wünschen, dass die rot-grünen Fraktionen nicht nur darüber redeten, sondern wirklich darüber nachdächten.

Kollege Astrup, ich könnte noch einen weiteren Diskurs anfügen. Mit Rücksicht auf Ihre Mittagsstimmung bin ich aber gern bereit, dies jetzt zu beenden.

(Holger Astrup [SPD]: Ich bedanke mich!)