Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

mentation herausgegebenen Veröffentlichung die entscheidende Passage, in der nicht nur die Anerkennung und das Lob für den Akademieleiter Dietmar Albrecht steht, sondern auch die Aussage, dass es Aufgabe der Akademie sei, Verständnislosigkeit zu überwinden, dass es Aufgabe sei, sich für ein einig und friedliches Europa einzusetzen, gestrichen worden war.

Ich denke, wie so ein Vorgehen, wie diese Zensur zu werten ist, darüber sind wir uns in diesem Hause alle einig.

(Beifall)

Dahinter steckt natürlich der Kurswechsel, der sich in den zurückliegenden Monaten in der Führung der Landsmannschaft vollzogen hat. Die Persönlichkeiten, die die Pommersche Landsmannschaft in der Vergangenheit geprägt haben, waren im parteiübergreifenden Sinne liberal eingestellte Persönlichkeiten, wie Philipp von Bismarck, früherer CDU-Bundestagsabgeordneter, Heiko Hoffmann, Günter Friedrich, früherer Landtagsabgeordneter der CDU, in dessen Amtszeit ich übrigens 1993 in das Kuratorium der Ostsee-Akademie gekommen bin, oder Hendrik Genth, mein verstorbener Parteifreund und früherer Hauptgeschäftsführer der IHK zu Kiel. Diese Persönlichkeiten haben sich allesamt bei den Pommern für Aussöhnung und Verständigung insbesondere mit Polen, aber auch mit unseren osteuropäischen Nachbarn insgesamt eingesetzt. Sie sind sukzessive durch Leute abgelöst worden, die einen Rechtsaußenkurs vertreten und die Äußerungen gemacht haben, wie Renate Gröpel sie vorhin bereits angesprochen hat, in denen Verzichtserklärungen deutscher Politiker in Bezug auf die OderNeiße-Linie gegeißelt werden. Das zeigt, wes Geistes Kind die neue Mannschaft in der Pommerschen Landsmannschaft ist, die Dietmar Albrecht, den Akademieleiter, im Herbst letzten Jahres in die Wüste geschickt hat.

Dieser Vorgang lässt sich nicht auf ein normales Zerwürfnis zwischen einem Träger und seinem leitenden Angestellten reduzieren. Die Hintergründe dieses Vorgangs sind entscheidend dafür, dass wir uns als Landtag mit diesem Thema auseinander zu setzen haben; denn es handelt sich um eine Einrichtung, die fast ausschließlich mit öffentlichen Mitteln, mit Bundesund Landesmitteln, finanziert wird. Wir haben die Mittel immer mit der Zweckbestimmung der Ostseezusammenarbeit und der Verständigung mit Osteuropa und nicht für eine engstirnig definierte Vertriebenenverbandsarbeit eingesetzt. Wenn sie das dort machen wollen, dann sollen sie es nicht mit Steuermitteln,

(Dr. Ekkehard Klug)

sondern ohne öffentliche Mittel von Bund und Land tun.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Eine kleine Spitze am Rande: Eigentlich müsste es durchaus im Interesse der CDU sein, dass wir uns heute mit diesem Thema im Landtag beschäftigen, also bevor der Kollege in Lauerstellung, Uwe Greve, eines Tages möglicherweise in den Landtag nachrückt und es dann in einer solchen Debatte eventuell noch zu anderen Tönen käme.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich will damit ausdrücklich das anerkennen, was der Kollege Thorsten Geißler hier in einer für ihn schwierigen Situation gesagt hat.

Nun hat, um die vorläufige Freigabe der Bundesmittel zu erreichen, die Pommersche Landsmannschaft eingeräumt, dass Bund und Land als Zuwendungsgeber ein Vorschlags-, Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrecht in Personal-, Programm- und Grundsatzangelegenheiten bei der Ostsee-Akademie haben sollen. Die Landsmannschaft hat auch akzeptiert, dass die Trägerschaft verbreitert werden soll. Darüber wird jetzt verhandelt; es hat mehrere Runden gegeben. Es gibt aber auch Anlass zu der Annahme, dass die Führung der Landsmannschaft hierbei auf Zeit spielt. Auch deshalb ist es wichtig, dass der Landtag heute im Sinne der vorliegenden Entschließung ein Zeichen setzt und sagt, dass das der letzte Rettungsversuch für die OstseeAkademie ist. Es wäre höchst betrüblich, wenn es in der nächsten Zeit nicht zu einem positiven Ergebnis käme. Aber wenn das nicht erreichbar ist - da gebe ich Renate Gröpel Recht -, müssen wir uns in der Tat überlegen, wohin wir die Mittel in Zukunft vergeben, damit die Aufgaben der Verständigung und Zusammenarbeit und der Förderung der Ostseezusammenarbeit in anderen Bildungsstätten geleistet werden. Ich sage noch einmal: Es wäre schade um die OstseeAkademie. Aber wenn sich das, was sich in den letzten Monaten dort entwickelt hat, nicht ändert, haben wir keine andere Wahl.

(Beifall im ganzen Haus)

Bevor ich als Nächstem Herrn Abgeordneten Steenblock das Wort erteile, möchte ich in der Loge noch den früheren Kollegen Günter Friedrich begrüßen.

(Beifall)

Herr Abgeordneter Steenblock, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch die in Rede stehenden Vorgänge, insbesondere durch die Absetzung des Leiters der Ostsee-Akademie, ist ein Schaden entstanden, der weit über die Akademie hinausgeht und der sich auch auf die Kooperationsarbeit im Ostseeraum, die gerade von SchleswigHolstein sehr positiv und im Sinne von Völkerverständigung in den letzten zehn, 15 Jahren getragen worden ist, erstreckt. Die Vorgänge werfen einen braunen Schatten auf diese Arbeit. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir als Parlamentarier ein sehr deutliches Wort dazu sagen. Ich kann das, was Herr Klug am Schluss seiner Rede gesagt hat, nur unterstützen. Wir werden einer weiteren Finanzierung der OstseeAkademie nur dann zustimmen, wenn eindeutig klar ist, dass der Leiter wieder eingesetzt wird. Ohne Erfüllung dieser Bedingung wird eine glaubwürdige Arbeit dieser Akademie in dem Sinne, wie wir Politik verstehen, wie wir diese mitgestalten wollen und wofür wir die Steuergelder der Bürger dieses Landes zur Verfügung stellen, nicht geleistet werden können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur ein Hauch des Verdachts von Revanchismus auf der Arbeit dieser Akademie lastet. Damit würde man auch der Akzeptanz unserer vielen Initiativen einen schlechten Dienst erweisen.

Das, was dort passiert ist, ist nicht nur ein interner politischer Vorgang, sondern es ist im Grunde ein Schlag in das Gesicht der vielen tausend Menschen in Schleswig-Holstein, die sich in dieser Arbeit zur Völkerverständigung im Ostseeraum engagiert haben. Für diese Menschen stehen wir hier.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Deshalb geht es auch nicht nur um Personalpolitik, sondern auch darum, einen politischen Konflikt politisch zu beantworten. Diejenigen, die im Vorfeld dieser Debatte gesagt haben, der Landtag habe nicht das Recht, sich in Personalpolitik einzumischen, verkennen die Dimension dieses politischen Konfliktes. Wir sind heute aufgefordert, klar und eindeutig zu sagen, dass es vonseiten des Schleswig-Holsteinischen Landtags keine Unterstützung der Ostsee-Akademie mehr geben wird. Notfalls wird die Ostsee-Akademie in dieser Form sterben müssen. Aber diese Konsequenz müssen wir ziehen. Da sollten wir nicht erpressbar sein; denn es geht um das Image der Politik SchleswigHolsteins. Es geht um die Chance einer Völkerverständigung. Es geht auch darum, ein deutliches Nein

(Rainder Steenblock)

gegenüber revanchistischen Tendenzen in dieser Arbeit auszusprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Herr Geißler, um es deutlich zu sagen: Unter den Vertriebenenverbänden ist die Pommersche Landsmannschaft in den letzten Jahrzehnten sicherlich eine gewesen, mit der auch wir durchaus sprechen konnten. Aber die Leute, die jetzt dort Politik machen, verdienen eine sehr klare und deutliche Absage an ihre Politik. Das ist eine Hilfe für das, was wir wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Deswegen hoffe ich, dass wir zu einem Konsens kommen. Das heißt: Wiedereinsetzung des Leiters! Wir müssen aber auch die Chance nutzen, mehr Organisationen in die Trägerschaft hineinzubekommen. Dann hätten wir die Ostsee-Akademie so, wie wir sie wollen, nämlich als zuverlässigen konstruktiven Partner in internationalen Dialogen. Das wünsche ich mir. Wenn es nicht möglich ist, dann müssen wir auch konsequent sagen: So geht es nicht weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass wir uns in dieser Woche sowohl mit der Zukunft als auch mit der Vergangenheit des deutsch-polnischen Verhältnisses befassen; erst gestern sind Politiker und Jugendliche von ihrem Czas-Sprung in die Zukunft zurückgekehrt und heute müssen wir ein Signal gegen jene setzen, die lieber in eine dunkle Vergangenheit zurückspringen wollen.

Der Sinn der Polenreise war es, vor dem Hintergrund der Vergangenheit den Weg in eine Zukunft zu erkunden, die von der respektvollen Verständigung zwischen Nachbarn geprägt ist. Eben dies ist bisher auch das Markenzeichen der Ostsee-Akademie gewesen. Sie hat unter der Leitung von Herrn Dr. Albrecht und eines klugen Kuratoriums über Jahre eine hervorragende Arbeit zur Verständigung im Ostseeraum geleistet, die breite Anerkennung im In- und Ausland gefunden hat.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Umso schlimmer ist es, dass heute von dieser Arbeit nur ein Scherbenhaufen übrig geblieben ist.

Gerade das Land Schleswig-Holstein hat sich seit über einem Jahrzehnt als Motor in der Ostseekooperation hervorgetan. Deshalb ist es nur konsequent gewesen, dass wir im Finanzausschuss einmütig die Mittel für die Ostsee-Akademie zurückgehalten haben. Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundestagsausschuss eine ähnlich konsequente Haltung eingenommen hätte.

(Beifall bei SSW, SPD und FDP)

Weder der Landtag noch der Bundestag können hinnehmen, dass Herr Dr. Albrecht als Akademieleiter entlassen wurde und dass seitdem versucht wird, mithilfe der Akademie revanchistische Vertriebenenarbeit zu verwirklichen. Für Schleswig-Holstein ist die Zusammenarbeit im Ostseeraum mehr als ein Lippenbekenntnis. Darum muss in dieser Sache auch Klartext geredet werden. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Versöhnungspolitik durch ewiggestrige Vorstellungen kaputtgeschlagen wird. Wenn sich die Pommersche Landsmannschaft in eine mehr als zweifelhafte rechte Ecke stellen will, so ist das ihre Sache. Wir werden aber nicht zulassen, dass sie die OstseeAkademie mit hineinzieht.

Wir werden bestimmt nicht hinnehmen, dass die Radikalisierung der Pommerschen Landsmannschaft mit Steuergeldern geschieht. Die Landsmannschaft ist zwar Trägerin der Akademie, aber sie erbringt überhaupt keine finanzielle Eigenleistung ein. Das geht aus unserem Antrag hervor. In einem Artikel hat es ein früherer Mitarbeiter der Akademie treffend so formuliert:

„Den Ruhm trug die Pommersche Landsmannschaft, die Finanzierung trugen die Steuerzahler und die Leidtragenden sind jetzt Mitarbeiter, Leiter, Partner und Veranstaltungsteilnehmer der Akademie."

Diese Leidtragenden brauchen unsere Unterstützung ebenso wie jene aus der Pommerschen Landsmannschaft, die sich gegen den hirnlosen Extremismus einsetzen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich nenne stellvertretend für mehrere den früheren Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Heiko Hoffmann, dem ich an dieser Stelle für seinen Einsatz danke.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich bedanke mich auch bei dem Kollegen Ekkehard Klug, dass er es in die Hand genommen hat, diesen

(Anke Spoorendonk)

interfraktionellen Antrag auf den Weg zu bringen. Dafür herzlichen Dank.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag wird ganz sicher keinen Jota von der friedlichen Aussöhnung mit unseren östlichen Ostseenachbarn zurückweichen. Im Gegenteil. Wir dürfen keinen Steuerpfennig ausgeben, solange die Zukunft der Ostsee-Akademie nicht geklärt ist. Wir hoffen, dass auch der Bundestag wieder die Mittel für die Akademie sperren wird, bis eindeutig geklärt ist, dass die Trägerschaft der Ostsee-Akademie für ein respektvolles Miteinander guter Nachbarn arbeitet. Wenn die Pommersche Landsmannschaft nicht wieder die Linie von Herrn Dr. Albrecht aufgreift, sich nicht von Geschichtsklittung distanziert und nicht für Verständigung arbeitet, soll sie nicht weiter die Trägerschaft für die Ostsee-Akademie innehaben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau! - Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was im Übrigen zu den Verhandlungen über eine Erweiterung gesagt worden ist, will ich hier nicht wiederholen.

(Beifall bei SSW, SPD und FDP)

Ich erteile Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.