Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

Ich erteile Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja schon ein Lehrstück, das sich derzeit abspielt. Da versucht eine Gruppe von Ewiggestrigen, deren Einfluss in der Vergangenheit offenbar weiter gereicht hat, als wir das vermutet hatten, mittlerweile zwei Regierungen und Parlamente buchstäblich mit Intrigen und Machenschaften an der Nase herumzuführen. Das lassen wir uns nicht gefallen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei SPD, FDP und SSW)

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft und Existenz dieser Ostsee-Akademie. Das muss hier heute in großer Klarheit gesagt werden, und zwar vor dem Hintergrund, dass über ein Jahrzehnt lang die Arbeit des bisherigen Akademieleiters, Herrn Dr. Albrecht, der unter - man muss es wohl sagen mehr als fragwürdigen Umständen aus dem Amt entfernt worden ist, im In- und Ausland breiten Respekt und hohe Anerkennung gefunden hat. Diese Arbeit von Herrn Dr. Albrecht gründete in einem Handel und Denken, das eindeutig von Versöhnung und Ver

ständigung geprägt war. Er hat damit eine Richtung verfolgt, die er mit durchaus klaren Positionen auch gegenüber der Pommerschen Landmannschaft immer wieder vertreten hat und offenbar vertreten musste.

Auf der einen Seite konnte die Ostsee-Akademie damit im Gesamtbild der Arbeit der schleswig-holsteinischen Bildungsstätten und weit darüber hinaus ein großes Gewicht erhalten. Andererseits hat er sich im Laufe der Zeit bei Teilen der Pommerschen Landsmannschaft - bei der Führung - missliebig gemacht.

Der Schleswig-Holsteinischen Landtag hat aus guten Gründen für gut zwei Drittel der vom Land gewährten institutionellen Mittel eine Haushaltssperre verhängt. Es gibt derzeit keinen einzigen Grund, diese Haushaltssperre aufzuheben.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Die Pommersche Landsmannschaft hatte in einer Besprechung mit Vertretern des Bundes, der bekanntermaßen 800.000 DM für die Arbeit bereitstellt, meines Ministeriums und des Fördervereins erklärt, dass der bisherige verständigungspolitische Kurs auch nach der Kündigung von Herrn Dr. Albrecht fortgesetzt werden sollte. Wenn ich mir das jetzige Verhalten und Taktieren anschaue und bewerte, muss ich an der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens erhebliche Zweifel anmelden.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Lars Harms [SSW])

Unser Ziel muss es sein, die Institution der OstseeAkademie in die Obhut einer breiter angelegten Trägerschaft zu geben. Es ist gut, dass die, die hierzu gesprochen haben, dieser Auffassung sind. Eine entsprechende Vereinbarung ist ja zwischen Landsmannschaft, Bund und Land getroffen worden. Vollkommen unmissverständlich. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, weil diese Forderung noch nicht eingelöst ist, dass der Bund seine Haushaltssperre inzwischen völlig aufgehoben hat. Man muss sich wirklich fragen, wer da wie gespielt hat. Für uns sehe ich allerdings keine Veranlassung, ebenfalls so zu handeln, jedenfalls solange nicht, bis sich die Landsmannschaft als bisheriger Träger nicht in der verabredeten Weise bewegt. Es ist höchste Zeit, dass wirklich Taten zu sehen sind. Dazu sind alle Beteiligten - sowohl die bisherigen als auch die potenziellen künftigen - aufzufordern, denn wir brauchen die bisherige Arbeit betone ich - der Ostsee-Akademie in Zukunft noch lange. Es beweist gerade das Agieren und Taktieren der Landsmannschaft, dass diese Arbeit nach wie vor notwendig ist.

(Beifall bei SPD, FDP und SSW)

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Nun Klartext: Die Chance, eine verbreiterte Trägerschaft zu erreichen, ist nur noch wenige Wochen offen. Wenn es nämlich in der nächsten Zeit zu keiner Einigung über die Trägerschaft kommt, ist die OstseeAkademie nicht zu erhalten, weil nämlich der Bund seine einseitige Finanzzuweisung - wie er erklärt hat spätestens Ende dieses Jahres einstellen wird. Die Verantwortung für eine solche Entwicklung trüge allein die Pommersche Landsmannschaft mit ihrer gegenwärtigen Führung.

Wir dagegen - das entnehme ich dieser Diskussion würden die Arbeit gern auch in Zukunft mit unseren Mitteln sichern. Wir würden dabei allerdings ganz auf die Stimmen und Einflussnahme der Unbelehrbaren und Ewiggestrigen verzichten, die immer noch nicht begriffen haben, dass ein friedliches Zusammenleben im Ostseeraum nur im nachbarschaftlichen Miteinander und in der Akzeptanz der Realitäten möglich ist.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. - Es ist nur Abstimmung in der Sache beantragt worden und wie ich hörte alternative Abstimmung. - Gibt es dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich zunächst über den Ursprungsantrag der Fraktionen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/941, abstimmen.

(Thorsten Geißler [CDU]: Alternative Ab- stimmung!)

Alternative Abstimmung habe ich eben gesagt, Herr Kollege Geißler.

Wer dem eben genannten Antrag Drucksache 15/941 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/942 zustimmen, den bitte ich um das Handzeichen. - Der erste Antrag der Fraktionen von SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW ist mit den Stimmen dieser Fraktionen angenommen worden. Damit ist dem Antrag so zugestimmt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Verfahren zum Modellversuch „Abitur nach 12 Jahren“

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/904

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Wie ich sehe, ist ein Bericht in dieser Sitzung beantragt worden. Das bedeutet, dass dieser Bericht jetzt zu Beginn gegeben wird. - Darf ich um

etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit bitten? Ich möchte sehr darum bitten, die Gespräche - auch mit unseren ehemaligen Kollegen - draußen zu führen.

Für den erwarteten Bericht erteile ich zunächst Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort. Frau Ministerin, ist es richtig, dass zunächst der Bericht gegeben wird? Dann haben Sie nämlich jetzt das Wort.

Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich hatte gar nicht zu hoffen gewagt, dass ich schon wieder an der Reihe bin.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir über dieses Thema im Landtag diskutieren. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich kann es Ihnen und mir nicht ersparen zu sagen, dass ich das Informationsbedürfnis, das in Ihrer Kleinen Anfrage, meine Damen und Herren von der CDU, zum Ausdruck kommt, gern im Ausschuss und ausführlicher als in ein paar Minuten befriedigt hätte.

(Beifall bei SPD und SSW)

Dort hätte ich dann auch auf Nachfragen angemessen reagieren können.

Nun will ich Ihre Fragen aber an dieser Stelle und in der gebotenen Kürze beantworten. Erstens. Zum Ablauf des Modellversuches ist Folgendes zu sagen: Bereits auf der Direktorenversammlung im November 1999 habe ich erste Informationen über den geplanten Versuch gegeben. Am 29. April des vergangenen Jahres wurde der Landeselternbeirat „Gymnasien“ über die beabsichtigten Verkürzungsmaßnahmen informiert. Im Juni gab es ein Schreiben an die Gymnasien, in dem die wesentlichen Eckpunkte des geplanten Modellversuches dargestellt wurden. Darin wurde eine Meldefrist bis zum 17. November gesetzt. Im September fand eine Fortbildung der Schulleiter der Gymnasien statt. Im November erhielten die Gymnasien und der Landeselternbeirat ein weiteres ausführliches Informationsschreiben, in dem zugleich die Verlängerung der Meldefrist bis zum 1. Dezember 2000 mitgeteilt wurde.

Werten wir also den Brief vom Juni als offizielle Erstinformation, dann hätten die Schulen - abzüglich der Sommer- und Herbstferien - volle 16 Wochen Zeit für ihre Entscheidung. Immerhin elf Gymnasien haben es geschafft, innerhalb dieses Zeitraums ihre Bewerbung abzugeben.

(Glocke der Präsidentin)

Einen Moment, Frau Ministerin. Ich möchte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit und Ruhe bitten.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Ich verstehe ja fast, Frau Präsidentin, dass so viel Unruhe ist. Wir besprechen das Thema ja nun wirklich nicht zum ersten Mal in diesem Haus.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Gymnasien hatten also fast volle 16 Wochen für ihre Entscheidung und immerhin elf haben es geschafft, innerhalb dieses Zeitraums ihre Bewerbung abzugeben. Für das kommende Schuljahr werden Schulen und Elternbeiräte noch vor den Sommerferien über die geplanten Abläufe, wie sie sich dann in der Praxis darstellen, informiert werden.

Zweitens. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Modellversuch haben sich im Laufe der Vorbereitung nicht geändert. Das betrifft - wohl gemerkt - die rechtlichen Rahmenbedingungen. Sowohl die Bedingungen für die Beteiligung der Schulen an einer der beiden Modellvarianten als auch die Voraussetzung der freien Elternentscheidung standen von Anfang an fest. Nach Abschluss der Anmeldephase wurde wegen des sehr vorsichtigen Anmeldeverhaltens der Eltern lediglich die Mindestanzahl der Schüler, mit der eine Klasse im verkürzten Bildungsgang gebildet werden kann, von 25 auf 20 reduziert. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, das mit veränderten Bedinungen meinen, dann muss ich Ihnen sagen, dass wir diese Veränderung zwar vorgenommen haben, dass das aber keine Veränderung einer rechtlichen Bedingung ist.

Im kommenden Schuljahr werden sich die Modalitäten für eine Beteiligung am Modellversuch im Wesentlichen nicht ändern. Wir möchten bei Schulen an Standorten mit mehreren Gymnasien nicht ohne Ausnahme auf der Forderung nach der Teilnahme eines ganzen Jahrgangs bestehen. Vielmehr wollen wir auch die Teilnahme mit nur einem Zug genehmigen, um die Teilnahmemöglichkeiten zu verbreitern. Denn wir wissen aus vielen Stellungnahmen und Diskussionen mit den Kieler Schulen und deren Schulleitern, dass die Bereitschaft für einen Zug dort sehr wohl vorhanden war, nicht aber für die Beteiligung einer ganzen Schule. Dennoch hoffe ich, dass sich nach dem guten Beispiel der Schule in Neumünster, für die es viel Zuspruch gegeben hat, als sie sich mit dem ganzen

Jahrgang angemeldet hat, auch in Kiel eine Schule zu einem solchen Schritt entschließt.

Drittens. Uns ist nicht bekannt, an welchen Gymnasien eine Beteiligung am Modellversuch in diesem Jahr am Elternvotum gescheitert ist. Grundlage der Entscheidung war jeweils das Votum der gesamten Schulkonferenz, in der die Eltern über ein Drittel der Stimmen verfügen.

Viertens. Eine Anpassung der Lehrpläne und Curricula in größerem Umfang ist nicht notwendig. Zum einen ist durch die leichte Erhöhung der Wochenstundenzahl in allen Jahrgängen und durch die frühere Einführung bestimmter Fächer der Verlust an Unterrichtsstunden gegenüber dem jetzigen Soll in der gesamten Gymnasialzeit sehr gering. Er beträgt insgesamt neuen Jahreswochenstunden. Ich glaube, da haben Sie in Ihrer Frage etwas verwechselt. Zum anderen richtet sich der Modellversuch gerade an Schüler, die zu einem komprimierten Lernen in der Lage sind. Die Wahl der zweiten Fremdsprache wird sich nach den Möglichkeiten der jeweiligen Schule richten.

Fünftens. Die CDU-Fraktion fragt weiter, ob die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auch weiterhin mit einer Reduzierung der Jahreswochenstundenzahl einhergehen werde. Ich glaube, an diesem Punkt liegt das Missverständnis, denn die Verkürzung geht ja nicht mit einer Reduzierung der jeweiligen Jahreswochenstundenzahl einher, sondern - im Gegenteil - mit einer leichten Erhöhung der Jahreswochenstundenzahl, weil wir den Unterrichtsstoff auf acht Jahre komprimieren. Wenn Sie einen Blick auf die Stundentafel werfen, wird Ihnen das deutlich werden.

Sechstens. Die Erfahrungen aus Baden-Württemberg zeigen mir - das ist der vielleicht entscheidende Punkt, denn natürlich war auch ich enttäuscht, dass es relativ wenige Schulen sind, die sich letztlich zur Teilnahme an dem Modellversuch haben entschließen können -, dass auch dort - darüber habe ich neulich auch noch einmal mit der Kollegin Schavan gesprochen - die Beteiligung der Eltern und der Zugang zu diesen Zügen zunächst sehr zögerlich waren. Das war ähnlich, wie es bei uns im Moment ist. Inzwischen sind es in Baden-Württemberg aber an die 40 Gymnasien, die mit Zügen an dem neuen Projekt teilnehmen. Das Anmeldeverhalten beziehungsweise die Bereitschaft der schleswig-holsteinischen Eltern ist also kein Einzelfall. Vielleicht ist es einfach wichtig, dass der Modellversuch jetzt anläuft, und zwar in beiden Varianten. Ich gehe davon aus, dass der Verlauf dieses Versuches das Vertrauen der Eltern stärken wird.

Im Übrigen wollen wir auch an den Grundschulen mehr für dieses Projekt werben. Ich bin ziemlich sicher - so sicher, wie man ein Jahr vorher sein kann -,

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

dass es im nächsten Jahr zu einer deutlichen Ausweitung dieses Versuches kommen wird und dass sich erheblich mehr Gymnasien daran beteiligen werden. Das wäre im Sinne einer breiten Anlage dieses Versuches auch höchst wünschenswert. Wir werden alles tun - und ich lade Sie gerne dazu ein, daran mitzuwirken -, dass das auch so kommt.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne nunmehr die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter de Jager.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, wir bitten doch um Nachsicht, dass wir es Ihnen nicht ersparen können, das Thema Modellversuch „Abitur nach 12 Jahren“ auch im Parlament mit uns zu besprechen. Denn wenn es einen Ort gibt, wo man so etwas besprechen kann, dann ist es das Parlament. Daher ist es doch nur selbstverständlich, dass wir uns im Parlament über einen solchen Modellversuch unterhalten. An dieser Stelle müssen wir dann auch über das sprechen, was schief gelaufen ist.