Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, wir bitten doch um Nachsicht, dass wir es Ihnen nicht ersparen können, das Thema Modellversuch „Abitur nach 12 Jahren“ auch im Parlament mit uns zu besprechen. Denn wenn es einen Ort gibt, wo man so etwas besprechen kann, dann ist es das Parlament. Daher ist es doch nur selbstverständlich, dass wir uns im Parlament über einen solchen Modellversuch unterhalten. An dieser Stelle müssen wir dann auch über das sprechen, was schief gelaufen ist.
Denn dass etwas schief gelaufen sein muss, zeigt sich allein an der Tatsache, dass es Ihnen nicht gelungen ist, die von Ihnen ursprünglich anvisierte Zahl von Gymnasien zusammenzubekommen, die sich an diesem Modellversuch beteiligen. Das muss ja Gründe haben.
Ich will es noch einmal in Erinnerung rufen: Sie wollten diesen Modellversuch ursprünglich mit 15 Gymnasien starten. Das hat nicht funktioniert; es haben sich nur elf Gymnasien gemeldet. „Macht nichts!“, haben Sie uns in der Landtagsdebatte vom 21. März dieses Jahres gesagt. Nach Ihrer Einschätzung würden sich am Ende anteilig doch genauso viele Schulen an dem Modellversuch in Schleswig-Holstein beteiligen, wie es in Baden-Württemberg der Fall war, nämlich ungefähr 10 %.
Zwei Tage später, am 23. März, geben Sie dann per Pressemitteilung bekannt, dass sich in SchleswigHolstein lediglich 3 % der Gymnasien an diesem Modellversuch beteiligen: drei öffentliche und eine private Schule, nämlich Louisenlund. Das ist aber, Frau Ministerin, Lichtjahre von dem entfernt, was Sie sich einmal als Ziel gesetzt haben. Darüber müssen wir reden.
der Erkenntnis, dass die Vorgeschichte im Wesentlichen von ständigen Fristverlängerungen gekennzeichnet ist.
Zunächst einmal wurde die Anmeldefrist für die Schulen verlängert. Sie sagten, sie sei auf den 17. November festgelegt worden. Das hat offenbar nicht gereicht, weil sich nicht genügend gemeldet haben. Diese Meldefrist ist bis zum 1. Dezember verlängert worden. Auch das war noch zu kurz, wenn man sich ansieht, wann die Schulen die Informationen erhalten haben.
Die erste schriftliche Information haben die Schulen am 26. Oktober vergangenen Jahres erhalten. Das ist ein für einen Schulversuch insofern interessantes Datum, als da schon Herbstferien waren. Das heißt, die ersten schriftlichen Unterlagen sind in den Schulen während der Herbstferien eingetroffen.
Die erweiterte Fassung, die auch nur wenige DIN-A4Seiten enthielt, die Sie angesprochen haben, kam am 6. November in die Schulen. Das heißt, die Schulen hatten nicht einmal einen ganzen Monat Zeit, darüber zu beraten, ob sie sich an dem Modellversuch beteiligen.
Dann gab es eine zweite Anmeldefrist, nämlich die Anmeldefrist für die Schüler an den Schulen, die mitmachen wollten, sprich: für die Schüler an den elf Schulen, in denen es ein Votum der Konferenz gegeben hatte, dass man mitmachen will. Auch diese Frist musste verlängert werden, weil die Anmeldungen nicht eingingen. Diese Frist wurde vom 5. auf den 23. März verlängert. Auch das war noch zu kurz. Ein Schulleiter hat der Presse gegenüber gesagt, dass einer der Gründe, aus dem sich so wenig Schulen und so wenig Schüler daran beteiligt haben, der war, dass die Informationsphase für die Eltern, für die Schulen, für die Schulkonferenzen zu kurz war. Das ist richtig.
Wenn Sie sagen, zwischen Bekanntwerden der Idee bis zu den Meldefristen lagen 16 Wochen, ist das nicht richtig. Man muss nämlich mit der Berechnung der Frist zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem die Schulen genau wussten, worüber sie zu entscheiden haben. Das haben sie viel zu spät gewusst. Es gab zu wenig und zu spät Informationen, um das mal eben schnell durchzuziehen.
Insofern ist es so, dass wir im Nachklapp auch hier im Plenum, im Parlament feststellen müssen: Die Vorgeschichte ist von wenig Koordination und viel Planlosigkeit gekennzeichnet gewesen. Das ist ein Ergebnis, das man festhalten muss.
Wir müssen uns weiter fragen, ob weitere Modalitäten geändert werden müssen, wenn dieser Modellversuch tatsächlich noch einmal in die Puschen kommen soll. Sie haben eine Möglichkeit angesprochen, nämlich dass auch Schulen in Städten, sprich: an Standorten, an denen mehr als vier Gymnasien sind, künftig die Möglichkeit haben sollen, sich mit einem Zug und nicht nur mit einem Jahrgang zu beteiligen. Das halten wir für eine vernünftige Lösung. Wir hätten es am besten gefunden, wenn man schon bei der Ausschreibung des ersten Versuches flexibel genug gewesen wäre.
Ihnen war bekannt, dass zum Beispiel die Elternvertreter in Kiel so etwas gewünscht haben und die Zahl der Schulen, die sich beteiligt hätten - hätte es diese Möglichkeit gegeben - deutlich größer gewesen wären. Wenn Sie schon so viele Fristen verlängern und so flexibel sind, hätten Sie auch das machen können. Dann wäre Ihre Bilanz heute wahrscheinlich besser gewesen.
Ansonsten bedauern wir, dass Sie nicht bereit sind, weitere Änderungen an den Modalitäten des Modellversuchs vorzunehmen. Wir hätten uns gewünscht, dass es tatsächlich zu einer substanziellen Anpassung der Lehrpläne an die Erfordernisse eines Abiturs nach zwölf Jahren käme. Das ist wichtig. Das wäre richtig, weil es zeigen würde, dass es zwischen den inhaltlichen und den formalen Anforderungen einen Akkord gibt.
Darüber hinaus hätten wir uns auch gewünscht, dass dieser Modellversuch am Ende nicht mit etwas durchgeführt wird, das formal „Springerklasse“ heißt, weil es nicht darum geht, sozusagen das Springen zu ermöglichen, sondern darum, das Abitur nach zwölf Jahren regelhaft zu ermöglichen.
Am Ende - das ist das ceterum censeo, dass ich bei solchen Debatten zum Abitur nach zwölf Jahren immer sage - wäre es nach unserer Auffassung das Beste gewesen, keinen Modellversuch zu machen, sondern gleich damit anzufangen. Immer mehr Länder machen es. Baden-Württemberg macht es auch. Vier Bundesländer in Deutschland bieten das Abitur nach zwölf Jahren als Regelvoraussetzung an. Es werden immer mehr. Auch Sie werden sich dem auf Dauer nicht verschließen können.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich mich für den Bericht der Ministerin bedanken. Er enthielt - mit einer Ausnahme - in der Tat nichts Neues. Wir haben in diesem Jahr zweimal im Parlament und dreimal im Ausschuss darüber beraten.
Deswegen will ich mich auf drei kurze Punkte beziehen, die von Ihnen und dem Kollegen de Jager angesprochen worden sind.
Um eine größere Bestandsbreite zu haben, kann man natürlich darüber nachdenken, dort G 8 zuzulassen, wo ein Mehr an Gymnasialangeboten vorhanden ist und man bereit ist, das in einem Zug zu machen. Das erhöht die Zahl der beteiligten Schulen.
Ich muss allerdings auch sagen, dass die Lösung, G 8 als einen Zug an einer bestehenden Schule zu machen und an derselben Schule einen G-9-Zug zu haben, im Kern nicht das ideale Modell darstellt, Schulzeitverkürzung umzusetzen. Die Entwicklungsprobleme innerhalb einer Schule würden mit Sicherheit nicht kleiner, sondern größer. Es ist aber wohl zur Profilierung und Erfolgssicherung dieses Vorhabens unumgänglich und deswegen als Kompromiss zu tragen.
Dass nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in anderen Bundesländern die Zahl derjenigen, die dabei sein wollen, nicht ins Unermessliche steigt, zeigt auch, dass G 8 entgegen öffentlicher Behauptungen nicht der Renner ist, wie uns das von machen eingeredet wird. Deswegen sehen wir der Entwicklung sehr gelassen entgegen.
Ich will einen einzigen Punkt hervorheben. Wir werden auch in Schleswig-Holstein das Angebot im Bereich G 8 durch Werbemaßnahmen, dadurch, dass das Projekt sozusagen insgesamt Beine bekommt und sich die Dinge vorbildhaft weiterentwickeln, erhöhen können.
Der Kollege de Jager sprach schon von Regelangeboten. Außer in Sachsen und im Saarland gibt es verbindliche Vorgaben nicht. Deshalb will ich deutlich sagen: Wir in Schleswig-Holstein werden auf keinen Fall eine Zwangsverkürzung im Bereich der Gymnasialzeit mitmachen.
Das wird es mit uns nicht geben. Es wird eine Angebotsbreite geben. Wir werden dann sehen, wie sich die Nachfrage tatsächlich weiterentwickelt. Über alles
andere im Detail, Fristen, Daten, Zahlen und Zeiten, kann man im Ausschuss intensiver und breiter streiten. Meines Erachtens ist zum jetzigen Zeitpunkt alles zum Thema gesagt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus dem Turbo-Abi wird in Schleswig-Holstein fürs Erste nur ein rot-grüner Bildungstrabbi. Der im letzten Jahr mit großen Brimborium gestartete Modellversuch schrumpfte auf Bonsaigröße zusammen. In „Schule aktuell“ im November letzten Jahres hat das Bildungsministerium noch verkündet, man wolle das Jahrgangsmodell an fünf städtischen Standorten und das Zug-Modell an zwölf „ländlichen“ Standorten - insgesamt waren also 17 Modellversuche als Maximalvorstellung im Auge - durchführen. Daraus sind zumindest im Bereich der öffentlichen Schulen eins plus zwei geworden; das private Gymnasium Louisenlund kommt als vierte Schule hinzu.
Dass dieser Modellversuch zumindest im ersten Anlauf ein ziemlicher Flop geworden ist, hat gute Gründe. Diese Modellversuche waren miserabel vorbereitet und nicht durchdacht. Das Misstrauen der Eltern ist gerade in der Entscheidungsphase nur zu verständlich.
Ich will einmal ein Beispiel dazu anführen. Laut „Kieler Nachrichten“ vom 22. September letzten Jahres hat die Ministerpräsidentin, Frau Simonis, auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammern und der Unternehmensverbände im Kieler Schloss erklärt:
„... bei der Bildung müssten auch Abstriche einkalkuliert werden. So wäre die Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre aus Sicht der Ministerpräsidentin der richtige Schritt.“
Abstriche bei der Bildung, ein „Abitur light“, genau diese Befürchtungen hatten viele Eltern beim Thema Verkürzung der gymnasialen Schulzeit.
Ich habe schon in früheren Landtagsdebatten über dieses Thema deutlich gesagt: Nur dann, wenn man den Gymnasien eine gute Personalausstattung garantiert, wenn man sie in die Lage versetzt, ein anspruchsvolles Pensum auch in kürzerer Zeit - in acht Jahren - mit dem Ergebnis eines anspruchsvollen Abiturs zu vermitteln, nur dann klappt die Sache, nur
Es ist angesichts der Art und Weise - es kommt noch Weiteres hinzu, Jürgen Weber -, wie das hier angefangen worden ist, kein Wunder, dass das Misstrauen so groß war.
Sogar hier im Landeshaus ist in den Monaten der Entscheidungsphase hinter vorgehaltener Hand gesagt worden, man habe im Bildungsministerium ausgerechnet, à la longue könne man 120 Stellen sparen. Das ist mir jedenfalls so berichtet worden.
Das passt jedenfalls zu dem Originalton in den „Kieler Nachrichten“ vom September: „Abstriche bei der Bildung“.
Ein Kardinalfehler war auch, dass man den Schulen, die eine Teilnahme am Modellversuch in Erwägung gezogen haben, nicht die Möglichkeit einräumen wollte, ihre Schüler selbst auszusuchen. Ein anspruchsvolles Abitur in acht Jahren Gymnasium gewährleisten zu sollen, gleichzeitig aber jeden angemeldeten Schüler aufnehmen zu müssen, war für viele in unseren Schulen ein zu großes Wagnis.