Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

Lobbyarbeit ist wohl das eine und Haushaltspolitik das andere. Will die CDU ihren Ruf der gespaltenen Zunge loswerden, so muss sie hier und heute konkrete Kürzungsvorschläge liefern.

Wir alle wissen, dass die geplante Steuergesetzgebung dazu führt, dass sich das Land auf Mindereinnahmen von geschätzten 500 Millionen DM einstellen muss. Das ist ein Härtetest, denn Veräußerungserlöse stehen nur noch in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung und große nennenswerte Einsparpotenziale haben wir nicht mehr. Wenn überhaupt, sind sie nur durch strukturelle Einschnitte zu erbringen.

Kleinvieh macht zwar auch Mist, aber wir wandern ja schon von Jahr zu Jahr - zumindest seitdem ich mit dabei bin - von Kürzungsoperation zu Kürzungsoperation. Vor Ort stellen wir immer wieder fest, wie schwierig das für die Betroffenen, gerade auch für die Zuschussempfängerinnen und Zuschussempfänger, ist. Selbst für die zentralen Aufgaben des Landes können wir schon heute weniger Haushaltsmittel zur Verfügung stellen, als uns lieb ist. Deshalb muss aus unserer Sicht die Gegenfinanzierung der Steuerreform an sich und zu Gunsten der Länder verbessert werden.

Hier bräuchten wir die Unterstützung der CDU, welche stattdessen täglich neue Steuersenkungen fordert und sich Kompensationen ohne Rücksicht auf die Länder verschließt. Aber auch, wenn uns jetzt die Last der Steuersenkungen trifft - eine Steuerreform mit Steuerentlastung ist von allen Parteien politisch gewollt.

Die Konjunkturdaten und die sinkende Arbeitslosigkeit belegen, dass die rot-grüne Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist. Dabei ist das Grundproblem der Steuer- und Abgabenpolitik in unserem Land noch nicht gelöst - die zu hohe Abgabenbelastung der Arbeitsplätze in den kleinen und mittleren Unternehmen.

Die erzielte Verringerung der Lohnnebenkosten durch die Ökosteuer reicht bei weitem noch nicht aus, um die Zahl der Arbeitsplätze zu erhöhen. Für eine wirksamere Absenkung brauchen wir mehr Steuereinnahmen aus unterschiedlichen Quellen. Dabei spielt eine verstärkte Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität genauso eine Rolle wie systematisch wachsende Einnahmen aus der Ökosteu

er, die Umwandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale oder auch - aus unserer Sicht immer noch - die Erhöhung der Erbschaftsteuer.

(Reinhard Sager [CDU]: Völliger Unsinn!)

Wir würden uns freuen, wenn wir hier Unterstützung hätten.

(Reinhard Sager [CDU]: Und die SPD? - Zu- ruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Die Steuerreform, insbesondere die vorgesehene Absenkung der Steuersätze der Körperschaft- und Einkommensteuer ist ein großer Schritt hin zu einem international wettbewerbsfähigen oder - eher - zu einem vergleichbaren Steuersystem. Neben der Diskussion um die Senkung der Steuersätze muss auch die staatliche Leistungsfähigkeit erhalten bleiben - auch im Jahr 2001, auch im Land Schleswig-Holstein.

Deswegen muss sich die Landesregierung im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss auf der Grundlage des Koalitionsvertrages für eine angemessene Gegenfinanzierung und für eine Entlastung der Länder einsetzen. Ich bin mir sicher, dass Herr Finanzminister Möller dies im Interesse des Landes tun wird.

Wenn Herr Eichel durch die Lizenzverkäufe neue Einnahmen in Höhe von zirka 120 Milliarden DM erwartet und deshalb die Steuerausfälle selbst verkraften kann,

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

muss er Länder und Kommunen mit entlasten,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

zum Beispiel durch eine vorzeitige Tilgung des Fonds Deutsche Einheit. Auf keinen Fall darf es durch Abschreibungsmöglichkeiten zu einer Belastung der Länder durch die Lizenzverkäufe kommen. Auch dort müssen wir gegenhalten.

Berlin wie Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern wie Sachsen - sie alle haben Probleme mit den prognostizierten Einnahmeausfällen. Wir setzen bei der Initiative Schleswig-Holsteins deshalb immer noch auf die Unterstützung anderer Bundesländer.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. - Wenn die Zahlen für 2001 auf dem Tisch liegen, werden wir in die Haus

(Monika Heinold)

haltsberatung 2001 einsteigen. Grundlage wird die strenge Finanzpolitik der letzten Jahre sein. Weitere strukturelle Einschnitte werden dabei von uns auch vor Ort mitgetragen. Das kann ich hier schon zusagen. Ich lade dann die CDU ein, sich doch einmal nicht auf die Seite der Demonstranten zu stellen, sondern auf die Seite derjenigen, die nicht nur vom Sparen reden

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wir sind das!)

- ich habe Sie bisher bei Demonstrationen immer nur auf der Seite der Demonstranten gesehen -,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Früher waren Sie das auf dieser Seite! - Zurufe von der CDU)

sondern die sparen

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Heute sind wir das!)

und damit Verantwortung für dieses Land tragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Stell das mal wieder gerade, bitte! Demonstrationen sind nichts Schlechtes, sondern etwas Gutes!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! - Ich habe auch nur fünf Minuten Redezeit!

(Heiterkeit)

Das Fordern eines Nachtragshaushaltes gehört gewissermaßen zu den Traditionen, lieber Kollege JensenNissen, die von der traditionsbewussten CDU mit besonderer Liebe gepflegt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Beifall bei der F.D.P.)

Genau wie 1996 liegt nämlich auch heute gleich am Anfang einer Legislaturperiode ein Antrag der CDU vor, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, noch vor der parlamentarischen Sommerpause einen Nachtragshaushalt vorzulegen.

Auch im Wahlkampf hatte der damalige CDUSpitzenkandidat Volker Rühe einen Nachtragshaushalt gefordert und Konsolidierungsvorschläge von insgesamt 900 Millionen DM vorgeschlagen.

(Reinhard Sager [CDU]: Da sagt ihr, wir ma- chen keine Vorschläge! - Heiterkeit bei der CDU)

Das - jedenfalls aus der Sicht des SSW - „böse" Wort Haushaltssperre - das habe ich zum Glück nicht gehört! - machte damals schon die Runde. Durch eine Haushaltssperre werden aber bekanntlich viele Zuwendungsempfänger des Landes getroffen und auch die Investitionsquote des Landes hat damit so ihre Schwierigkeiten.

Aber - wie heute schon gehört - steckt der Teufel im Detail, auch bei der CDU. Wenn es nämlich um konkrete Vorschläge geht, wenn es darum geht, welchen der vielen Organisationen, Verbänden und Institutionen denn die Mittel gekürzt werden sollen, dann kneifen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Das wurde während der Haushaltsberatungen für den Haushalt 2000 mehr als deutlich, wo die CDU auf konkrete Einzelvorschläge zum Haushalt verzichtete. Auch der heutige Antrag, einen Nachtragshaushalt zu erstellen, beinhaltet keine umfassenden Vorschläge, wie die gewünschten Millionen im Einzelnen erwirtschaftet werden sollen.

(Reinhard Sager [CDU]: Das ist Ihre Sache!)

Der SSW hatte im Dezember 1999 den Haushalt 2000 mitgetragen,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Ja!)

der im Landtag schon damals unter schwierigen finanziellen Vorzeichen verabschiedet wurde. Die bisher vorliegenden Istzahlen und Prognosen für das Jahr 2000 deuten nicht darauf hin, dass sich die Situation für den laufenden Haushaltsvollzug entscheidend geändert hat. Das ist unserer Meinung nach die Vorraussetzung dafür, einen Nachtragshaushalt vorlegen zu können.

(Beifall beim SSW - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Die Landesregierung hat aber darauf hingewiesen, dass unter anderem durch die Pläne der Bundesregierung im Haushalt 2001 in der mittelfristigen Finanzplanung - ich stimme dem Kollegen Kubicki zu; wir müssen genaue Begriffe verwenden - bis zu 750 Millionen DM fehlen könnten. Wenn das so eintrifft, ist das natürlich ein ganz harter Schlag für SchleswigHolstein. Dann müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Aus unserer Sicht kann man diese Maßnahmen aber erst dann treffen, wenn man die finanziellen Rahmenbedingungen genauer als heute kennt. Das ist hoffentlich der Fall, wenn wir nach der

(Anke Spoorendonk)

Sommerpause mit den Beratungen zum Haushalt 2001 beginnen. Hier wird der Landtag wichtige Beschlüsse über die Zukunft der Finanzen treffen müssen. Schnellschüsse dieser Frage - wie die Forderung nach einem Nachtragshaushalt - lehnen wir ab.