Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte hier bekräftigen: Wir müssen in die Zukunft investieren, um die Zukunftschancen unserer Bürger zu wahren. Das heißt natürlich, dass wir zugleich sparen müssen, um unseren Nachfolgern die Gestaltungsmöglichkeiten in Schleswig-Holstein nicht zu verbauen. Ohne dass ich auf die Haushaltsjahre bis zum Jahr 2000 zurückgreife, wollen wir die Regierung und insbesondere Finanzminister Claus Möller in ihrer restriktiven Finanzpolitik im Vollzug des Haushalts der letzten Jahre würdigen, insbesondere auch im Haushaltsvollzug des laufenden Jahres.

Die restriktive Haushaltsführung - auch nachzulesen im Haushaltsführungserlass vom Dezember 1999 - ist ebenso eine gute Vorsorge für den Haushalt 2001wie es die Bildung einer Rücklage für das nächste Haushaltsjahr in Höhe von 105 Millionen DM ist. Kollege Sager, Ihnen ist nicht unbekannt, dass das zu erwartende Haushaltsdefizit eine große Begründung hat, nämlich die Unternehmenssteuerreform. Dazu sagen wir Ja. Wir sagen auch Ja zur weiteren Entlastung der Arbeitnehmer und ihrer Familien. Wir müssen jedoch versuchen, dieses große Haushaltsdefizit auszugleichen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss!

Wenn ich noch drei Sätze sagen darf: Ich muss nämlich - zumindest für die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses - die Gelegenheit nutzen, an den Fi

(Günter Neugebauer)

nanzminister zu appellieren, im Rahmen der Unternehmenssteuerreform doch darauf zu drängen, dass die zu erwartenden Defizite für das Land SchleswigHolstein geringer gehalten werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter Neugebauer, formulieren Sie bitte einen Schlusssatz!

Ich habe noch nicht einmal meinen ersten Satz zu Ende gekriegt.

Mehr kriegen Sie auch nicht!

Ich denke insbesondere an die Einführung der Mindestbesteuerung bei der Veräußerung von Beteiligungen durch Kapitalgesellschaften und an die Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei großen Vermögen.

(Zurufe von CDU und F.D.P.)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss! Ich darf im Ergebnis feststellen: Wir haben derzeit keinen Anlass, Ihrem Begehren zu folgen, und sehen der weiteren Entwicklung - insbesondere der Steuerschätzung und den Beratungen im Bundesrat - mit Interesse entgegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Neugebauer, das Lesen von Zeitungen im Internet - auch wenn sie nicht erscheinen - kann manchmal weiterbilden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.])

Dann hätte man lesen können, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag für die SPD im Bundestag - aber auch für die Länder - erklärt hat, die Erhöhung der Erbschaftsteuer sei vom Tisch.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Es wäre schön gewesen, wenn Sie nicht Ihre Rede von gestern gehalten hätten, sondern die von heute.

Die Finanzsituation des Landes ist und bleibt desolat. Immer wieder hat die Landesregierung in den vergangen Jahren dem Parlament und der Öffentlichkeit in Schleswig-Holstein die finanzpolitische Trendwende angekündigt. Geschehen ist bis heute nichts. Wir haben einmal aufgelistet, wie sich die mittelfristige Finanzplanung in Bezug auf die beabsichtigte Neuverschuldung von 1992 bis heute entwickelt hat. Jedes Jahr sollte sie im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung gesenkt werden. Jedes Jahr wurde bis an die Grenze des Zumutbaren draufgesattelt. Die Fortschreibung dieses Märchenbuchs bis 2010 funktioniert, weil Papier geduldig ist. Im Zweifel hilft uns dies jedoch nicht weiter.

Herr Kollege Neugebauer, ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es im neuen Koalitionsvertrag noch nicht einmal mehr Ankündigungen gibt? Kein Wort zur Höhe der angestrebten Neuverschuldung, kein Wort zur projektierten Personalkostenquote, es gibt nur Allgemeinplätze der Art: „Es gilt, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, ohne die Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen unmöglich zu machen.“ - Man würde sagen, Besinnungsaufsatz aus der neunten Klasse!

(Beifall bei der F.D.P.)

Regelte der letzte Koalitionsvertrag noch jeden Kleinkram bis ins letzte Detail, so ist dessen Nachfolger das genaue Gegenteil. Er erschöpft sich nur noch in Allgemeinplätzen. Er listet im Finanzteil nur das auf, was sowieso schon geplant und bekannt war. Der Neuigkeitswert ist null. Er ist deswegen fast null, weil alle Förderprogramme nach dem Prinzip des Zero-BaseBudgeting neu eingeworben werden sollen. Kollege Neugebauer, schade, dass der Herr Kollege Hentschel nicht da ist. Er kann wieder etwas dazulernen. Wer nämlich glaubt, dass die Landesregierung damit eine wirkliche Neuerung einführt, der irrt. Zero-BaseBudgeting ist ein alter Hut, stammt aus den Vereinigten Staaten und wurde dort unter der Carter-Regierung eingeführt.

Zu den Ergebnissen dieses Verfahrens ein Zitat aus dem bekannten finanzwissenschaftlichen Lehrbuch von Musgrave/Musgrave/Kullmer - ich gebe das an, damit im Finanzministerium nachgelesen werden kann:

„Die Schwierigkeit liegt natürlich darin, dass es völlig unmöglich ist, in jedem Jahr - wenn überhaupt jemals - alle Projekterträge gegeneinander abzuwägen. Die Projektanalyse ist umständlich, kostspielig und schwierig, so

(Wolfgang Kubicki)

dass sie bestenfalls für einen kleinen Teil des Budgets durchgeführt werden kann. Die Bezeichnung ‘Zero-Base-Budgetverfahren’ ist somit übertrieben ambitiös und in gewisser Weise irreführend.“

Die Weltmacht Schleswig-Holstein glaubt ganz offensichtlich, dass sie problemlos schaffen kann, was dem Kleinstaat USA nicht gelungen ist!

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Positiv gesehen könnte man von einem großen Selbstvertrauen des Landes sprechen, realistisch haben wir es wohl eher mit einem Fall massiver Selbstüberschätzung zu tun. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit aber ganz woanders: Mit dem neuhochdeutschen Begriff „Zero-Base-Budgeting“ soll unter einem pseudowissenschaftlichen Deckmäntelchen verborgen werden, dass massive Haushaltskürzungen anstehen.

Angesichts dieses laschen Arbeitsprogramms der Regierungskoalition kann ich der Forderung der Union nach Vorsorge prinzipiell etwas abgewinnen. Mir leuchtet aber nicht ein, wieso jetzt plötzlich ein Nachtragshaushalt verabschiedet werden soll. Kollege Sager, mir ist unklar, wieso wir als Opposition diesen Nachtragshaushalt ausgerechnet von dieser Regierung einfordern.

Bereits bei der Verabschiedung des Haushalts 2000 war klar, dass die Steuerreform im Jahre 2001 zu einer Verschlechterung der Einnahmesituation führen wird. Rot-Grün hat trotzdem den falschen finanzpolitischen Kurs beibehalten und der Finanzminister spielt weiter das uns bekannte übliche Spielchen: 750 Millionen DM würden ihm im Jahr 2001 fehlen. Herr Minister, 750 Millionen DM im Vergleich zu was? Zum erwarteten Ist-Wert im Jahre 2000? Zum Sollwert für das Jahr 2000? Zur Projektion der mittelfristigen Finanzplanung? Zudem sollte der Finanzminister auch erklären, dass von den vermeintlich fehlenden 750 Millionen DM 270 Millionen DM nicht auf das Konto der Steuerreform gehen, sondern nichts anderes sind als ungedeckte Ausgaben in der mittelfristigen Finanzplanung, die gemeinhin als globale Minderausgaben bezeichnet werden.

Die Landesregierung hat im Dezember letzten Jahres die Möglichkeit gehabt, die finanzpolitischen Weichen anders zu stellen. Sie hat es trotz des Wissens um die Haushaltsgefahren nicht getan. Warum sollte sie es also jetzt tun? Sie hält an der halben Abkehr von der Entbeamtung fest, sie verzichtet auf eine angemessene Vergütung des Haftkapitals der Landesbank und sie streut nach wie vor ihre Zuwendungen ohne ausreichende Evaluierung ins Land. Herr Hay, niemand

würde die Regierung daran hindern, schon jetzt mit dem zu beginnen, was für 2001 und die folgenden Jahre geplant ist, nämlich zu gucken, ob man mit der Gießkanne das zielgenau erreicht, was in der Rede des Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen wurde.

Da die Landesregierung von ihrer bisherigen Politik augenscheinlich nicht abweichen möchte, macht auch ein Nachtragshaushalt keinen Sinn. Kollege Sager, das einzige Instrument, mit dem sich Ausgaben bei einer unveränderten Haushaltsstruktur einsparen lassen, ist die Haushaltssperre. Dieses bürokratische Element bereits im Juli oder August zur Anwendung zu bringen, halte ich für hochgradig schädlich. Wir wissen doch alle aus der Vergangenheit, dass dann massiv in die einzig merklich disponiblen Haushaltsposten eingegriffen wird, nämlich in die Investitionsmittel. Ob eine Investitionsquote von unter 10 % eine Vorsorge oder gar eine Einsparung für das Land bedeutet, vermag ich allenfalls bei einer sehr kurzfristigen Betrachtung zu erkennen. Mittelfristig ist überhaupt nichts gewonnen.

Herr Kollege Sager, deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können, so sehr uns das Leid tut.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Austausch von Mannschaftsspielern führt nicht zwangsläufig zum Erfolg. Das führt uns die CDU gerade vor.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sie ja auch! - Heiterkeit und Beifall bei F.D.P. und CDU)

- Ich freue mich, wenn Sie Ihren Spaß haben.

Herr Sager, der neue finanzpolitische Sprecher, macht es wie der alte. Herr Neugebauer hat ausgeführt, dass die Landesregierung wieder einmal nur pauschal zum Sparen aufgefordert wird. Eigene Ideen, wie es denn gehen sollte, werden nicht mitgeliefert. Herr Sager führte es eben noch einmal aus, indem er sagte: Wenn wir etwas gemeinsam machen wollen, bitte, Rot-Grün, dann geht in Vorlage. Das ist also Ihr Verständnis.

Aber nein, ein Bereich wurde in einer Pressemitteilung aufgeführt, nämlich der Eine-Welt-Bereich. Hier geht es um 400.000 DM. Na ja, bei 750 Millionen DM ist das schon einmal ein Anfang.

(Monika Heinold)

Ansonsten wird von der CDU beinahe täglich für Schulen, Hochschulen, Polizei und - heute Morgen für Kommunen munter mehr gefordert.

(Zurufe von der CDU)

- Sie haben in Ihrem Antrag zur Enquetekommission lesen Sie ihn bitte durch - das Ziel einer Besserstellung der Kommunen formuliert. Meine Damen und Herren von der Opposition, lesen Sie nach, was Sie fordern!

Lobbyarbeit ist wohl das eine und Haushaltspolitik das andere. Will die CDU ihren Ruf der gespaltenen Zunge loswerden, so muss sie hier und heute konkrete Kürzungsvorschläge liefern.