Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahre 3 nach „Pallas“ empfehlen die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch die Abgeordneten des SSW folgende drastische Maßnahme:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit allen Ostseeanrainerstaaten die Richtlinie der IMO, in der Kadetrinne eine Lotsenpflicht zu empfehlen, auf ‘dringend’ zu empfehlen zu erweitern.“
Die Havarie der „Pallas“ im Jahre 1998 war wieder einmal Anlass, um über die Verbesserung der Schadensabwehr an den schleswig-holsteinischen Küsten zu diskutieren und wieder einmal Beschlüsse zu fassen. In der Debatte zum Abschlussbericht des „Pallas“-Untersuchungsausschusses am 26. Januar 2000 habe ich unter anderem ausgeführt, dass „unabhängig von bestehenden Strukturen über Maßnahmen nicht nur nachzudenken ist, sondern diese auch umgesetzt werden müssen“.
Was ist nun tatsächlich geschehen? Was ist wirklich von den damals ja zum großen Teil auch einstimmig gefassten Beschlüssen umgesetzt worden? Der Bericht der Landesregierung „Konsequenzen aus der Havarie der ‘Pallas’“ vom 7. November 2000 macht deutlich, dass leider die wesentlichen Anliegen des Landtages immer noch nicht umgesetzt worden sind.
Die Regierungsfraktionen sind nun in ihrem Antrag vom 14. November 2000, Drucksache 15/532, ehrlich genug - dies will ich gern eingestehen -, dies auch teilweise zuzugeben. Sie sprechen selbst davon, dass mit einer Neuausrichtung des Unfall- und Katastrophenmanagements für die Nord- und Ostsee „begonnen“ wurde, erste wichtige Teilschritte zur Straffung der Entscheidungsstrukturen und zur Verbesserung der Feuerlöschfähigkeit „eingeleitet“ wurden. Fast drei Jahre nach dieser Havarie ist das zu wenig. Es gibt auch heute noch erhebliche strukturelle Defizite im Rahmen einer zielgerichteten und konsequenten Seekatastropenhilfe.
Das Nebeneinander von auf vier Bundesministerien verteilten Zuständigkeiten - BGS-Boote beim Bundesinnenministerium, Zollboote beim Bundesfinanzministerium, Fischereischutzboote beim Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie die Boote unter Obhut des Bundesverkehrsministeriums und der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen - führt zu einer Verantwortungsteilung, nicht zu einer Führungskonzentration. Die im Katastrophenfall zusätzliche Berücksichtigung der Boote der Wasserschutzpolizeien der Länder und der auch dort im Regelfall auf mehrere Ministerien verteilten Kompetenzen für Küstenaufgaben erschwert trotz aller Bereitschaft zur Kooperation eine effiziente Führung. Nimmt man von den Schleppern bis hin zu den Ölbekämpfungsschiffen allein die Boote des Bundes zusammen, kommt man auf fast 100 Schiffe.
Der Bundesrechnungshof hat wie auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Bundesregierung mehrfach auf die Notwendigkeit der Konzentration aller Seedienste hingewiesen, auch aus fiskalisch-ökonomischen Überlegungen. Das Management aller Boote aus einer Hand im Krisenfall wurde als Zielmarke herausgestellt.
Handlungsdruck kommt auch von der EU-Kommission und durch das Europäische Parlament. Die EU will eine europäische Küstenwache, Deutschland kann aber diesem Erfordernis nur dann entsprechen, wenn es zuerst einmal eine nationale See- und Küstenwache schafft. Auf ihrer Konferenz am 20. und 21. Dezember 1999, wenige Wochen nach dem „Erika“-Unfall vor der Bretagne, hat die Kommission deutlich gemacht, dass man eine einheitliche Schiffssicherheitsbehörde, ein Amt für Seesicherheit mit Kompetenzen im Katastrophenfall benötigt.
Leider verringert sich die Bereitschaft zur Umsetzung kluger Ideen mit dem zeitlichen Abstand zum vorangegangenen Unglück.
Der von der Grobecker-Kommission vorgelegte Vorschlag zur Schaffung eines Havariekommandos, der Zusammenfassung aller Bundesdienste im Katastrophenfall, wird von vielen Fachleuten der Küste als Alibiaktion abgelehnt. So kritisiert der Nautische Verein Nordfriesland den Vorschlag als unzureichend, als höchstens ammerseetauglich, weil es zu keiner tatsächlichen einheitlichen Führung von Küstenwachkräften des Bundes und der Länder käme.
nicht einmal im Ansatz umgesetzt. Delegiert wird von den beteiligten Bundesbehörden im Katastrophenfall beim Havariekommando auch nur auf Zeit. Es gibt also nicht durchgehend eine einheitliche Führungsstruktur, sondern nur auf Zeit. Man muss sie erst auf einen solchen Fall einstellen. Die Abgabe von Kompetenzen kann kurzfristig widerrufen werden. Auch wechseln die verantwortlichen Personen erst im Notfall ihre Position unter das Dach des Kommandos. Eine Kontinuität in der Zusammenarbeit ist trotz vorgesehener Trainingsperioden nicht gegeben. Ich glaube, Herr Steenblock, auch das ist etwas, was wir aufgrund der „Pallas“-Diskussion gemeinsam für erforderlich gehalten haben.
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste in Husum hält die neue Konzeption für einen Flickenteppich und fordert dagegen ein Unfallmanagement aus einem Guss mit klaren Zuständigkeiten, einheitlicher Führung und dem Recht des direkten Zugriffs auf alle Einheiten.
Voraussetzungen für diese Überlegungen sind die Änderung des Grundgesetzes, um die bisher getrennte Aufgabenzuordnung von Bund und Ländern im Seekatastrophenfall zusammenzufassen, die Vorlage eines Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung mit dem Ziel, alle bisher verteilten Zuständigkeiten - Zoll, Fischereiaufsicht, Bundesgrenzschutz, einschließlich SAR-Hubschrauber, Ölaufklärungsflugzeuge auf eine Leitstelle in einem Bundesministerium mit der Entscheidungszuständigkeit einer Person entsprechend der Institution des Duty Commander bei der Bundesmarine zu konzentrieren, sowie die Schaffung von Rechtsklarheit, um gegebenenfalls mit der Bundesmarine im Seekatastrophenfall einen gemeinsamen Einsatz sicherzustellen. Es fehlt auch immer noch eine klare Regelung dafür, wer im Falle der Gefahrenabwehr denn nun tatsächlich zuständig und verantwortlich ist. Dazu hat es in diesem Lande auch nach dem „Pallas“-Unfall leider keine Diskussion, weder in rechtlicher noch in anderer Hinsicht, gegeben. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass das Land bei der Gefahrenabwehr eine Erstzuständigkeit hat. Aber es gibt seit dieser Zeit keine Diskussion darüber und schon gar keine Konzeption.
Wir meinen, dass die Punkte, die ich eben zu der Konzeption vorgetragen habe, die notwendige Kooperation im Katastrophenfall mit unseren Nordseenachbarn Niederlande und Dänemark sowie mit unseren Ostseenachbarn ermöglichen. Eine europäische Seewache
Dies wäre übrigens völlig im Sinne des gemeinsam von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verabschiedeten Antrages zur Einrichtung einer einheitlichen Küstenwache in Schleswig-Holstein. Wir haben am 26. Januar 2000 gemeinsam bewusst formuliert, dass dabei auch notwendige Verfassungsänderungen kein Hindernis sein dürfen.
Sie, Herr Kollege Hentschel, waren vorgestern nicht besonders freundlich zu mir. Trotzdem möchte ich Ihnen ausdrücklich bescheinigen, dass Sie bei der Forderung nach einer einheitlichen Küstenwache derjenige zu sein scheinen, der im Regierungslager am beharrlichsten ist. Ich finde es gut, dass Sie die Ministerpräsidentin öffentlich auffordern, unmittelbar beim Bundeskanzler Druck in dieser Angelegenheit zu machen. Sehen Sie, auch in dieser Frage haben Sie uns ganz eng an Ihrer Seite.
Wir stimmen deshalb auch dem ersten Teil des Antrags Drucksache 15/532 zu. Bedauerlich ist nur, dass zwischenzeitlich kaum etwas mit Substanz geschehen ist, um die Folgen einer Havarie vor den deutschen Küsten zu minimieren oder eine Havarie zu vermeiden.
- Herr Kollege Malerius, wenn Sie sich einmal die Beschlusslage von damals anschauen, dann werden Sie feststellen, dass das so ist.
Den zweiten Teil Ihres Antrages, der sich mit der Einrichtung einer PSSA Wattenmeer befasst, lehnen wir ab. Ich will nicht die Diskussion von gestern wieder aufrollen, aber Folgendes dazu sagen: Die in dem Antrag aufgezählten Regelungen sind teilweise eine Fata Morgana; das wissen Sie auch. Teilweise entsprechen sie, etwa was die Forderung nach Prüfung der Verlegung der Schifffahrtswege im größeren Abstand von den Küsten und dem Wattenmeer angeht, sogar einer Forderung, die die CDU in ihrem Antrag Drucksache 14/2692 vom 26. Januar 2000 erhoben hat, den Sie, Rot-Grün, aber abgelehnt haben.
Jetzt verkaufen Sie das im Rahmen des Pakets PSSA als eine völlig neue Idee. Wir bleiben bei unserer Forderung nach einer einheitlichen deutschen Küstenwache als wirksamstem Instrument bei der Vermeidung und Bekämpfung von Havarien. Die von Ihnen hochstilisierte Diskussion über ein PSSA-Gebiet in der Nordsee verfolgt zwei Zielsetzungen: Einmal wollen
Sie von Ihrem bisherigen Versagen ablenken. Viele der vom WWF aufgegriffenen Forderungen sind überhaupt nicht davon abhängig, ob ein PSSA-Gebiet ausgewiesen wird oder nicht. Diese Forderungen können auch unabhängig davon umgesetzt werden.
Sie wollen durch die Diskussion nur verschleiern, dass die notwendigen Maßnahmen bisher nicht umgesetzt worden sind.
Die andere Zielsetzung, die Sie verfolgen, ist allerdings die einer neuen Schutzgebietskategorie. Der Vorsitzende des Nautischen Vereins Nordfriesland, Olaf Hellwinkel, formuliert es folgendermaßen:
„Es gelte in einer Demokratie die Notwendigkeit einer Maßnahme und ihre Zweckmäßigkeit zu prüfen und sich eine geringstmögliche Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit von Menschen, Seefahrt und Gewerbe zum Ziel zu setzen...“
Ich füge hinzu: Dabei darf man natürlich nicht - es wäre fatal, wenn wir es täten - den Naturschutz außer Acht lassen. Das ist eine Grundlage für unsere Betrachtungsweise bei diesem Thema. Wir haben auch bei der Diskussion über die „Pallas“-Havarie deutlich gesagt, dass die Landesregierung handeln muss, weil wir das einzigartige Naturgut schleswig-holsteinisches Wattenmeer schützen wollen. Jetzt beginnen Sie eine Diskussion über ein PSSA-Gebiet. Sie hätten handeln können. Die Vorschläge waren alle auf dem Tisch. Leider sind sie nicht genügend umgesetzt worden. Aber wir vertrauen nach wie vor, Herr Kollege Hentschel, auf Ihre Hartnäckigkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Seit der Havarie des Holzfrachters „Pallas“ vor der Nordseeinsel Amrum im Oktober 1998 zieht sich die Frage nach der Sicherheit im Schiffsverkehr auf der Nordund der Ostsee wie ein roter Faden durch nahezu jede Plenartagung. Unabhängig davon, über welchen Aspekt wir dabei im Einzelnen diskutieren - seien es die Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr, das Unfallmanagement, Kontrollmöglichkeiten oder Haftungs
fragen -, immer wieder stoßen wir auf Schwachstellen und müssen feststellen, dass - national wie international - noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Bereits diese Erkenntnis stimmt nachdenklich.
Wesentlich bedenklicher ist es jedoch, dass gegen diese Defizite, wenn überhaupt, nur allzu langsam vorgegangen wird. Schließlich sind die Forderungen nach mehr Sicherheit des Schiffsverkehrs in der Nordund Ostsee keineswegs neu. Gleichwohl muss immer erst etwas passieren, bevor wir uns auf diese Forderungen besinnen. So war es im Fall der Havarie der „Pallas“ in der Nordsee und so war es kürzlich auch bei dem schweren Ölunfall der „Baltic Carrier“ in der Ostsee. Zum Glück sind in beiden Fällen die See und die schleswig-holsteinischen Küsten mit einem blauen Auge davongekommen.
Es reicht aber nicht, darauf zu hoffen, dass beim nächsten Mal nichts Schlimmeres passiert. Nicht zuletzt die durch das Auseinanderbrechen des mit Schweröl beladenen Tankers „Erika“ ausgelöste Umweltkatastrophe vor der bretonischen Küste hat uns deutlich gezeigt, dass Schiffsunfälle und Havarien verhindert werden müssen, bevor es zu Schäden durch die Ladung oder durch Treibstoffe kommt.
Vor diesem Hintergrund unterstützen ich und die FDPFraktion den heutigen Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW zur Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee.