Protokoll der Sitzung vom 11.05.2001

(Beifall beim SSW)

Dies würden wir sehr begrüßen.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sehen durchaus die Erfolge der Landesregierung in den Bereichen regenerative Energien und Biotechnologie sowie auch in vielen anderen bereits genannten Bereichen und bitten, unsere Ideen, die wir hier kurz dargestellt und skizziert haben, als die von Ihnen, Herr Minister Rohwer, geforderten konkreten Anregungen zur Entwicklung Schleswig-Holsteins zu verstehen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Klaus Klinckhamer [CDU])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf die Tagesordnungspunkte 15, 26 und 27:

Gemeinsame Beratung

a) Sicherheit des Schiffsverkehrs in der westlichen Ostsee

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/909

b) Konsequenzen aus der Havarie „Pallas“

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/511

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 15/821

c) Verbesserung der Schadensabwehr bei Havarien - Konsequenzen aus der Havarie „Pallas“

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/532

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 15/822

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Ich erteile zunächst das Wort zu den Tagesordnungspunkten 26 und 27 der Berichterstatterin des Innenund Rechtsausschusses, Frau Abgeordnete Schwalm.

Frau Präsidentin! Ich verweise auf die Vorlagen.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Wortmeldungen sehe ich nicht.

Wird das Wort zur Begründung des Tagesordnungspunktes 15 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Malerius.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den zehn Anrainerstaaten der Ostsee leben heute zirka 70 Millionen Menschen. Die Ostseeanrainerstaaten haben einen Anteil von 5 bis 15 % an der Weltproduktion und stellen rund 20 % des Welthandels; 6 % des Welthandels wickeln sie untereinander ab.

Durch die zukünftige Osterweiterung der EU ist eine wachsende Bedeutung der Ostseeregion mit einer sehr dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung zu erwarten. Aufgrund dieser Entwicklung ist mit einer Zunahme des Container-, Fähr-, Massengut- und Tankschiffsverkehrs zu rechnen. Allein nach dem Ausbau des Hafens Primorsk in Russland wird die über die Ostsee transportierte Ölmenge von 77 Millionen t im Jahr auf 177 Millionen t steigen.

Es wird hochmoderne Schiffe geben, deren Größe nur durch die Tiefgangsbeschränkungen in der Ostsee Grenzen gesetzt sind. Daneben kann es noch lange Zeit Schiffe aus den ehemaligen Ostblockländern in sehr schlechtem Zustand geben, die zu Dumpingpreisen angeboten werden.

Die maritime Sicherheitspolitik der Bundesregierung erfolgt auf drei Ebenen:

erstens in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die für weltweite Sicherheits- und Verhaltensstandards in internationalen Gewässern zuständig ist, und zwar als einzige internationale Organisation im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens;

zweitens in der Europäischen Union, die regional die für die Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedstaates geltenden Standards der IMO einheitlich umsetzen und

zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit in den Küstengewässern der Europäischen Union Maßnahmen der Mitgliedsstaaten erlassen kann, und

drittens auf nationaler Ebene.

Seit den schweren Schiffskatastrophen der Vergangenheit, zum Beispiel der „Estonia" in der Ostsee und der „Erica" vor der Atlantikküste Frankreichs, ist auf allen drei Ebenen mit Hochdruck und aktiver deutscher Unterstützung nicht nur an der Schließung erkannter Sicherheitslücken gearbeitet geworden, sondern es sind auch neue Sicherheitssysteme eingeführt und fortentwickelt worden.

Im Rahmen der IMO ist der internationale Sicherheitsmanagementcode eingeführt worden, der weltweit verbindlich seit 1. Juli 1998 für Fahrgastschiffe, Tankschiffe und Massengutschiffe gilt und für alle übrigen Schiffe über 500 BRT am 1. Juli 2002 verbindlich wird. Dieser verbindliche Code sieht vor, dass die Reedereien ein landgestütztes Sicherheitsmanagementsystem mit dem Ziel unterhalten müssen, sichere Schiffe und gut ausgebildete Besatzungen zu beschäftigen, und dass die Kapitäne ihrerseits ein bordgestütztes Managementsystem zur Gewährleistung eines sicheren Schiffsbetriebes unterhalten müssen.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Dieses ist ein weiterer Aspekt zu mehr Schiffssicherheit.

Mit der Neufassung des Kapitels V „Solas Safety of Navigation", das am 1. Juli 2002 in Kraft tritt, ist die Welthandelsflotte verpflichtet, sich nach einem ganz genauen Einphasungsplan mit Schiffsidentifizierungstranspondern und Schiffsdatenschreibern auszurüsten. Diese Ausrüstungspflicht tritt für neue Schiffe am 1. Juli 2002 in Kraft und erfasst bis 2008 auch die vorhandene Welthandelsflotte, insbesondere Tanker ab 1. Juli 2003. Es ist jetzt Aufgabe der Bundesregierung - und hier kann die Landesregierung darauf einwirken -, dass neben der funktechnischen Abdeckung auch schnellstens eine Erstellung der Landinfrastruktur für eine AIS-gestützte Verkehrsüberwachung in der Nordund Ostsee einschließlich der Datenverarbeitung und Integration in das existierende Verkehrssicherungssystem erfolgt.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Neben anderen Richtlinien hat die EU die Richtlinie zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in

(Wilhelm-Karl Malerius)

Hoheitsgewässern der Mitgliedsstaaten fahren, erlassen. Diese Richtlinie und die Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle sehen einen abgestuften Katalog an Maßnahmen für Substandardschiffe vor. Es sind die gründlicheren Überprüfungen nach Feststellen triftiger Gründe, die Festhaltung, und zwar so lange, bis festgestellte Mängel beseitigt worden sind, und das Bannen von Schiffen, das heißt, Verweigerung des Zugangs für unternormige Schiffe zu europäischen Häfen. Die Hafenstaatkontrolle kann auch die Kontrolle über das Vorhandensein von aktuellem Seekartenmaterial umfassen. Die Hafenstaatkontrolle muss schnellstens intensiviert werden. Nur 280 Kontrolleure stehen für den gesamten EU-Bereich zur Verfügung. Seekartenmaterial muss überprüft werden.

Die Einführung einer Lotsenannahmepflicht außerhalb der Küstengewässer - die Kadetrinne gehört zum Bereich der hohen See - ist nur im Rahmen internationaler Abkommen durch die IMO möglich. Deutschland hat sich in der IMO für die Einführung von Lotsenannahmepflichten in internationalen Gewässern mit hoher Verkehrsdichte und besonderen nautischen Bedingungen eingesetzt. Dieses Anliegen wurde jedoch nur von Dänemark, Frankreich und Australien unterstützt. Es ist Aufgabe der Bundesregierung - und hier kann und muss die Landesregierung helfen -, die Ostseeanrainerstaaten zur Unterstützung zu gewinnen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zu erwägen wäre, ob eine Änderung der IMOEmpfehlung zur Lotsenannahme in der Kadetrinne in eine „dringende Empfehlung“ möglicherweise Schiffsversicherungen bewegen könnte, die Schiffe vertraglich zur Lotsenannahme zu bewegen.

Die Sicherung der Kadetrinne obliegt Dänemark gemäß einem bilateralen Abkommen. In Zusammenarbeit mit dänischen Behörden wurde bereits in den letzten Jahren eine Reihe von Verbesserungen für die Navigation von Schiffen in diesem Gebiet geschaffen: Verlegung und Neubezeichnung von Tonnen, eine Unterrichtung mit Warnung der Seefahrer über eine sichere Navigation, eine IMO-Zirkulation zur Sicherheit der Seeschifffahrt, die Weiterführung des von Nordosten kommenden Tiefwasserweges in Richtung Süden durch das Verkehrstrennungsgebiet in der Kadetrinne. Diese Verbesserung ist der IMO zur Beschlussfassung zugeleitet worden.

Schiffshavarien führen in der Regel zu sich überlagernden Ereignisabläufen. Dies erfordert ein einheitliches, fachlich-interdisziplinäres und mit kurzen Entscheidungswegen ausgestattetes Unfallmanagement mit möglichst wenigen definierten Schnittstellen. Zeitversäumnis in der Anfangsphase und im Verlauf der Unfallbekämpfung führen zu einer unbeherrschbaren,

in die Katastrophe führenden Eigendynamik von Havarien. Deshalb muss ein Unfallmanagement ständig handlungsfähig sein sowie uneingeschränkt über die erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen des Bundes und der Küstenländer verfügen. Diese Forderung steht auch an erster Stelle der am 8. Februar 2001 vom Deutschen Bundestag auf Antrag der Koalitionsfraktionen verabschiedeten Entschließung zur Sicherung der deutschen Nord- und Ostseeküste vor Schiffsunfällen.

Mittlerweile wurde ein Konzept für das Havariekommando entwickelt. Es sieht als Kernzelle der zentralen Einsatzleitung ein in 24-Stunden-Bereitschaft unterhaltenes maritimes Lagezentrum vor und wird aus dem Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und den Wasserschutzpolizeien der Küstenländer aufgebaut. Hier laufen über die entsprechenden Meldewege alle relevanten Informationen zusammen. Bei einer Havarie übernimmt der Leiter des Havariekommandos die Führung des Einsatzes, die er unter Zuarbeit der ihm zur Seite stehenden Stäbe im Wege der Auftragstaktik und unter Belebung von Einsatzabschnitten ausübt. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und die Bundesmarine sollen durch Kooperationsvereinbarungen voll in die Arbeit einbezogen werden. Bund und Küstenländer räumen diesem Kernelement einer Reform des maritimen Notfallmanagements sehr hohe Priorität ein. Es ist Aufgabe der Landesregierung, den Druck zu erhöhen, damit die noch verbleibenden Detailprobleme schnellstens gelöst werden.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Haftungs- und Entschädigungssystem bei Ölverschmutzungsschäden als solches eignet sich nur bedingt, den Sicherheitsstandard zu erhöhen. Statt staatlicher Eingriffe in das System können jedoch alle am Seetransport beteiligten Reeder, Versicherer, Schiffsbanker und Ladungsbeteiligte ihren Beitrag leisten, das weltweite Ziel des „qualitiy shipping“ zu erreichen und den Markt für unternormige Schiffe durch Selbstregulierungsmechanismen auszudünnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht mehr die niedrigste Fracht, sondern die Gewährleistung eines sicheren und umweltschonenden Seetransports sollte der Maßstab bei der Auswahl eines bestimmten Schiffes oder einer bestimmten Flagge sein.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)