Protokoll der Sitzung vom 11.05.2001

Landtagsbeschluss vom 15. November 2000 Drucksache 15/520

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/899

Ich schlage vor, den Bericht der Landesregierung dem Sozialausschuss zu überweisen. Zur abschließenden Beratung?

(Zurufe: Nein!)

- Zur Beratung! Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Sie haben sich jetzt eine Mittagspause verdient. - Ich unterbreche die Sitzung bsi 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:06 bis 15:02 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer sonnigen Mittagspause treten wir wieder in die Beratungen ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Umwandlung der Provinzial Versicherungen in Aktiengesellschaften

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/922

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat das Wort -

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Erst CDU- Fraktion! Wir haben uns darauf geeinigt! - Günter Neugebauer [SPD]: Wir haben uns darauf verständigt, Herr Präsident!)

- Ladies first, vielen Dank, Herr Neugebauer. Dann hat für die CDU-Fraktion die Frau Abgeordnete Brita Schmitz-Hübsch das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem interfraktionellen Antrag möchte ich vier Bemerkungen machen.

Erstens. Der Sparkassen- und Giroverband will die Provinzial Versicherungen in Aktiengesellschaften umwandeln. Der Landtag muss zustimmen. Diese

Zustimmung gilt mit der Zustimmung des Landtages zum öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Übertragung der Trägerschaft als erteilt.

Als der Landtag den Gesetzentwurf Drucksache 13/2503 im Jahre 1995 beraten hat, hing daran auch der Entwurf für den Vertrag. Beides wurde zusammen beraten. Sowohl bei der Beschlussfassung im Wirtschaftsausschuss als auch bei der Verabschiedung im Landtag gingen alle Abgeordneten davon aus, über beide Teile der Drucksache abzustimmen.

Allerdings haben die Abgeordneten nur den Vertragsentwurf zu sehen bekommen. Für die tatsächliche Gültigkeit der Zustimmung ist daher ausschlaggebend, ob der unterzeichnete Vertrag dem Vertragsentwurf entspricht. Er ist nirgendwo veröffentlicht. Das musste er auch nicht. Aber für die Frage, um die es hier geht, ist es wichtig, dass er dem Parlament zugänglich gemacht wird. Ich bitte daher darum, den Vertrag dem Wirtschaftsausschuss zur Verfügung zu stellen.

Zweitens. Die CDU hatte sich damals im Wirtschaftsausschuss der Stimme enthalten, weil wir auf einen interfraktionellen Antrag hofften, mit dem § 3 Abs. 3 des Vertrages präzisiert werden sollte. Als dies nicht gelang, haben wir im Landtag dagegen gestimmt, weil wir den Modus des Verkaufs für insgesamt falsch hielten.

Diese Einschätzung wird jetzt voll bestätigt. Statt erst in Aktiengesellschaften umzuwandeln und dann zu übertragen - Bayern und Baden-Württemberg haben uns das erfolgreich vorgemacht -, wurde der Weg der Übertragung der Trägerschaft gewählt. Dadurch wurde die Fungibilität der Vermögenswerte tatsächlich eingeschränkt. Der Wert wurde zwar mit 1,14 Milliarden DM ordnungsgemäß durch die BDO Norddeutsche Warentreuhand AG ermittelt. Durch Vorgaben der Landesregierung landete der Wert aber am Ende bei nur 242 Millionen DM. Diesen Betrag erhöhte der Sparkassen- und Giroverband großzügig um 3 Millionen DM und dem staunenden Volk wurde dieser Kaufpreis als Verhandlungskunst der Ministerpräsidentin verkauft. Das erinnert an andere Verhandlungskünste, zum Beispiel bei HDW oder beim Immobiliendeal. Leider ist Frau Simonis nicht hier. Ich hätte ihr das gern persönlich gesagt.

Ich möchte die Frage, die wir damals gestellt haben, heute wiederholen: Wieso können die Sparkassen die Provinzial heute in Aktiengesellschaften umwandeln und das Land konnte das vor nur sechs Jahren nicht? Was hat sich seitdem Entscheidendes geändert? Ich hoffe, Herr Minister, dass Sie nachher darauf antworten werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Brita Schmitz-Hübsch)

Drittens. Es kam, wie es kommen musste, und zwar schneller als gedacht. Auch die Unzulänglichkeit des § 3 Abs. 3 des Vertrages wird nur sechs Jahre nach Vertragsabschluss offenbar. Die Landesregierung kann nicht sagen, sie sei nicht gewarnt worden. Der Landesrechnungshof hatte mahnend seine Stimme erhoben und die CDU hatte bis kurz vor der Verabschiedung gehofft, eine bessere Lösung mit den anderen Fraktionen vereinbaren zu können.

Jetzt stehen wir vor dem Scherbenhaufen. Die Formulierung „ganz oder teilweise“ bei Entstehen eines Übererlöses ist und bleibt schwammig, Herr Neugebauer. Die Landesregierung hat keinerlei Einfluss auf die Gestaltung des Verkaufspreises.

Jetzt muss das Parlament aushelfen. Wir wollen mit diesem interfraktionellen Antrag der Landesregierung dabei helfen, die Fehler von 1995 wenigstens teilweise wieder gutzumachen. Deshalb fordern wir die ganze Auskehrung eines Übererlöses und die volle Transparenz bezüglich der Situation der Provinzial Versicherungen nach sechs Jahren in der Obhut des Sparkassen- und Giroverbandes.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Dazu ist die Erstellung eines Wertgutachtens notwendig, und zwar nach der Umwandlung in Aktiengesellschaften und bevor es zur Veräußerung eines Teiles wie hoch und in welcher Form auch immer - kommt.

Das alles muss schnell geschehen. Völlig zu Recht beklagt sich die Provinzial über das gegenwärtige öffentliche Interesse. Dafür habe ich volles Verständnis. Aber wir als Landtag haben neben den Interessen unserer Unternehmen auch die Interessen des Landes zu wahren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Fraktion ist davon überzeugt, dass die Landesregierung vor sechs Jahren zu billig verkauft hat. Wenigstens jetzt wollen wir sicherstellen, dass das Land den vollen Anteil am Verkaufserlös erhält, der ihm zusteht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vierte und letzte Bemerkung! Bei der Vorbereitung auf dieses Thema habe ich in den Unterlagen von 1994 und 1995 gestöbert. Als der Verkauf der Provinzial mitsamt dem Kaufpreis bekannt gemacht wurde, stellten die Kollegen Astrup und Benker - beide gehören

auch heute dem Landtag an; wie nett, dass Sie gerade hereinkommen, Herr Astrup

(Holger Astrup [SPD]: Ich habe so lange ge- wartet, Frau Kollegin!)

in einer Pressemitteilung Überlegungen an, wie man das Geld unter die Leute bringen könne. Das Ergebnis ist ein Musterbeispiel für die kurze Verfallszeit politischer Positionen. Es heißt darin - ich zitiere -:

„Von besonderer Wichtigkeit“

- sagte Herr Astrup

„ist die bundesweit bisher einmalige Einrichtung eines Pensionsfonds für neue Landesbeamte. Dieses Vorhaben, das sich in etwa 30 Jahren erstmals positiv auf den Landeshaushalt auswirken wird, ist als ein Jahrhundertwerk zu bezeichnen.“

Meine Damen und Herren, das Jahrhundertwerk hat die Jahrhundertwende nicht mehr erlebt. Bereits nach zwei Jahren wurde es wieder eingesammelt. Aber es steht als ein besonderes Mahnmal für den Umgang der Sozialdemokraten mit Geld aus Vermögensverkäufen: Es landete wirklich alles im Konsum.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Günter Neugebauer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Schmitz-Hübsch, wir stehen hier nicht vor einem Scherbenhaufen, wie Sie es dargestellt haben.

(Klaus Schlie [CDU]: Vor dem stehen Sie ganz allein!)

Wenn Sie beklagen, dass der Pensionsfonds nicht mehr zur Verfügung steht, dann sollten Sie sich daran erinnern, dass Sie mindestens dreimal beantragt hatten, ihn aufzulösen, um ihn für konsumtive Ausgaben zur Verfügung zu stellen.

(Holger Astrup [SPD]: Sehr richtig!)

Das ist die Wahrheit. Wir wollen ja bei der Wahrheit bleiben. Deshalb sage ich zum Beitrag von Frau Schmitz-Hübsch: Dieser Tagesordnungpunkt eignet sich nun wirklich nicht, entgegen Ihrer Erwartung, für einen parteipolitischen Streit, schon gar nicht, wenn Sie die Historie falsch bemühen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Es geht um Lan- desgeld, nicht um Parteipolitik!)

(Günter Neugebauer)