Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

Die zweite Partie wurde ein zweites Mal untersucht. Es konnten erneut keine Verunreinigungen bestätigt werden. Bei einem einzigen positiven Ergebnis und insgesamt fünf negativen Ergebnissen liegt der Sachverhalt hier anders als bei der ersten Partie. Das positive Ergebnis konnte in keiner weiteren Probe nachvollzogen und sicher bestätigt werden. Aufgrund dieses Ergebnisses wird auf eine entsprechende Anordnung wie bei der ersten Partie verzichtet.

Lassen Sie mich das Ergebnis politisch wie folgt bewerten:

1. Die Landesregierung hat je nach Sachverhalt die Ermessensentscheidung differenziert ausgeübt.

2. Gegenüber den Betroffenen haben wir diplomatisch im Stil, aber klar im Ziel argumentiert und gehandelt.

3. Die Landesregierung hat die Aufgabe der Vorsorge und des Verbraucherschutzes im Interesse der Landwirte und der Verbraucherinnen und Verbraucher verantwortlich wahrgenommen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Konrad Nabel [SPD])

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Scheicht.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wieder einmal stand die grüne Gentechnik vor zwei Wochen in Schleswig-Holstein negativ in allen Zeitungen. Man muss sich wirklich fragen, ob die Verantwortlichen diesen Vorfall so hoch aufhängen mussten. Nebenbei bemerkt, die heutige Diskussion hätten wir genauso gut in den beteiligten Ausschüssen führen können. Bereits vor einem Jahr - genau am 26. Mai 2000 - wurde hier von der Landesregierung ein Bericht über die Saatgutverunreinigung mit gentechnisch verändertem Rapssaatgut abgefordert und von ihr auch erstellt. In diesem Bericht wurden die Ursachen, Auswirkungen und Schlussfolgerungen hinsichtlich der Vermarktung und der Aussaat von gentechnisch verunreinigtem Saatgut dargestellt.

Bei dem jetzigen Vorfall handelt es sich nicht um Raps, sondern um Maissaatgut. Deswegen hätte man auch ohne großen Medienrummel die dafür schon bestehenden Anordnungen treffen können und müssen.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan [FDP])

So aber haben wir in Schleswig-Holstein neben dem direkten landwirtschaftlichen Schaden auch noch einen zusätzlichen indirekten Schaden. Ich meine damit einen weiteren Imageverlust des Bio- und Gentechnologiestandortes Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der CDU)

Wir von der CDU-Landtagsfraktion wünschten uns, dass gerade der Umweltminister, Herr Müller, der hier eine große Verantwortung trägt, weniger emotionsge

(Jutta Scheicht)

ladene Debatten führen und Schlagzeilen produzieren würde, sondern die durch den Vorfall aufgetretenen Fragen sachgerecht abarbeiten würde.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan [FDP])

Da stellt sich zum Beispiel die Frage - Sie hatten es eben angesprochen, Herr Müller - nach der Höhe, also dem Prozentanteil der Verunreinigung des Saatguts.

Laut „Handelsblatt“ vom 17. Mai 2000 räumen die Saatgutproduzenten sowie der Bundesverband Deutscher Pflanzenhersteller ein, dass sie in Zukunft kein von Genveränderungen völlig freies Saatgut mehr garantieren könnten, da sich auch im konventionellen Saatgut unter Tausenden von Körnern ein gentechnisch verändertes Saatgut befinden könnte.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und das beunruhigt Sie nicht?)

- Das beunruhigt mich schon. Deswegen erwähne ich das hier, Frau Fröhlich.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Schon heute sind 20 % der Maissorten auf der Welt also 100 der 500 verschiedenen Sorten - gentechnisch verändert. Das beunruhigt mich auch.

Brauchen wir demnächst neue Grenzwerte oder zumindest einen angemessenen Richtwert? Wer zahlt den Landwirten den entstandenen Schaden, wenn die Produzenten und Hersteller keine Garantie mehr geben können? Inwieweit ist das Saatgut überhaupt noch rein? Und ich frage: Gibt es überhaupt noch 100 % reines Saatgut?

(Minister Klaus Müller: Ja!)

Meine Damen und Herren, wir werden hoffentlich in den Ausschüssen noch die Möglichkeit zu weiterführenden Diskussionen haben.

Pauschalurteile oder generelle Verbote ohne vorherige kritische Abwägungen halten wir für den falschen Weg. Sie dienen lediglich dem Zweck der Emotionalisierung statt der Information und die können wir am wenigsten gebrauchen, wenn wir es mit der Zukunftstechnologie wirklich ernst meinen. Sie stärken nur die Gegner der Bio- und Gentechnologie, schaffen aber keine Aufklärung und tragen nicht zur Akzeptanz in der Bevölkerung bei. Das wollen wir alle nicht.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen möchten wir den Bericht, den uns Minister Müller gegeben hat, zur Kenntnis nehmen und fordern, den Bericht zur abschließenden Beratung federführend

dem Umweltausschuss und mitberatend dem Agrarausschuss zu überweisen

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Und an den Wirtschaftsausschuss!)

- sowie an den Wirtschaftsausschuss. - Entschuldigung, Frau Schmitz-Hübsch.

(Beifall bei der CDU)

Auf der Tribüne begrüße ich jetzt die Besuchergruppe der CDU-Frauen-Union Rendsburg-Eckernförde.

(Beifall)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Höppner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Januar 1998 hat sich der Landtag mit der Verunreinigung von Saatgut und vor knapp einem Jahr - am 7. Juni 2000 - wiederum mit derselben Thematik der Saatgutverunreinigung von Raps beschäftigt. Die Diskussion wurde im letzten Jahr angesichts der breiten öffentlichen Auseinandersetzung über die Gentechnik, die bis heute die Titelschlagzeilen der Tagespresse füllt, ausgesprochen engagiert - und wie ich es empfand - auch sehr emotional geführt.

Daneben hat der Wirtschaftsausschuss am vergangenen Mittwoch, dem 23. Mai, im Hinblick auf alle noch aus dem Vorjahr laufenden Anträge ein Anhörungsverfahren durchgeführt, das ich selbst als ausgesprochen wichtig und erkenntnisreich empfunden habe.

(Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Wir haben in der Sitzung des Agrarausschusses am 3. Mai Informationen über Funde von gentechnisch verändertem Maissaatgut zur Kenntnis nehmen müssen und dies zum Anlass genommen, die Landesregierung um den Bericht zu bitten, den der Minister hier eben vorgetragen hat. Wir danken Ihnen, Herr Müller, für diesen ausführlichen Bericht.

Das verunreinigte Saatgut mit einem nicht zugelassenen Konstrukt befindet sich in zahlreichen Betrieben und ist teilweise schon ausgesät. Wir haben aufgrund der Informationen aus dem Internet erfahren, dass diese Pflanzen und das Saatgut zu vernichten sind. Es geht uns an dieser Stelle - anders als in den Diskussionen über die Gentechnologie, die wir bisher geführt haben - nämlich nicht um die Feststellung, was an Saatgutverunreinigungen vielleicht aus fachwissenschaftlicher Sicht noch tolerierbar und politisch vertretbar ist. Es geht uns in diesem Falle um die Einhal

(Dr. Henning Höppner)

tung von Gesetzen und Regeln, was das Inverkehrbringen von transgenen Pflanzen betrifft.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Jürgen We- ber [SPD]: Genau!)

Die hohen Hürden für das Inverkehrbringen transgener Pflanzen, die das EU-Recht und das Bundesrecht aufgebaut haben, sind auch die Maßstäbe für unser politisches Handeln hier in diesem Hause.

(Jürgen Weber [SPD]: Sehr gut!)

Frau Ministerin Franzen hat im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Saatgut nach dem Gentechnikgesetz nicht zulässig ist. Dies ist eine Ordnungswidrigkeit. Ich denke nicht, dass wir eine politische Auseinandersetzung darüber führen sollten, inwieweit Tatbestände von Ordnungswidrigkeiten im Hinblick auf Grenzwertinterpretationen vielleicht noch tolerierbar sind. Was wir nicht zulassen dürfen, ist die heimliche Einführung von gentechnisch verändertem Saatgut. Wir dürfen nicht den Eindruck entstehen lassen, dass wir etwas hinnehmen wollen, weil es aus der Sicht der Wissenschaft vielleicht unbedenklich erscheint, weil die Risiken wirtschaftlich und wissenschaftlich intensiv bewertet worden sind und weil es ich nehme hier einmal die Aussagen von Herrn Professor Christian Jung im Rahmen der Anhörung vom 23. Mai - im europäischen Raum keinen Kreuzungspartner für den Mais gibt, der sich durch diese Auskreuzung unkontrolliert verändern könnte.

Für das Inverkehrbringen von transgenen Pflanzen sind Genehmigungen notwendig. So etwas darf - auch wenn es sich nur um geringe Mengen handelt - nur nach gründlicher Information der Öffentlichkeit erfolgen.

Wir haben in den vergangenen Sitzungen viel über Verbraucherschutz, natürlich erzeugte Lebensmittel und natürliche Futterkreisläufe gesprochen. Wir sind auf einem guten Wege, bei den Verbrauchern hinsichtlich der Qualität unserer Lebens- und Nahrungsmittel Vertrauen neu aufzubauen. Es gibt in der Bevölkerung aber im Zusammenhang mit der Markteinführung von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln Ängste und Befürchtungen um die möglichen Risiken und Nebenwirkungen solcher Produkte. In einem Teil unserer Bevölkerung gibt es immer noch religiöse oder moraltheologische Grenzen für die Akzeptanz der Gentechnologie ganz allgemein. Wir müssen diese Sorgen, auch wenn es sich scheinbar nur um die von Minderheiten handelt, ernst nehmen.

Ich möchte an dieser Stelle den Hinweis von Herrn Dietmar Meineke im Rahmen unserer Anhörung vom

23. Mai aufgreifen, der uns als Vertreter der biotechnologischen Wirtschaft den Rat gab, alle kritischen Fragen zur Gentechnologie anzunehmen und ernst zu nehmen.

(Glocke der Präsidentin)