Protokoll der Sitzung vom 01.06.2001

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Selbst die Wohnungsunternehmen haben nur einen schrittweisen Ausstieg gefordert. Ich möchte es noch einmal deutlich machen: Mit den 7 Millionen DM Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe können Investitionen in Höhe von 70 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau gefördert werden und es kommt denen zugute, die es wirklich brauchen - Familien mit Kindern, Alleinerziehenden und älteren Menschen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das halten wir für sozial und gerecht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Insgesamt bedeutet die Gesetzesänderung, die die Landesregierung vorgelegt hat, eine weitere Verbesserung für die Mieter und Mieterinnen, um soziale Härten zu vermeiden. Wir lehnen den Änderungsantrag der CDU ab und stimmen der Gesetzesänderung der Landesregierung in der vom Ausschuss beschlossenen Form zu.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Gero Storjohann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fehlbelegungsabgabe in SchleswigHolstein hat sich zu einem großen Ärgernis für viele Menschen in unserem Land entwickelt. Wir haben uns nach intensiven Beratungen innerhalb der Fraktion, auch nach einer Anhörung in der Fraktion und der Beurteilung einer völlig veränderten Wohnungsmarktsituation seit Anfang der 90er-Jahre dazu durchgerungen, einen Antrag auf völlige Abschaffung des bishe

(Gero Storjohann)

rigen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung vorzulegen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die unverhältnismäßig hohen Kosten von 4 Millionen DM, um die Fehlbeleger letztlich zu ermitteln, waren hierfür ausschlaggebend; denn sie stehen in keinem Verhältnis zu dem Ertrag, der abgeschöpft wird. Im Haushaltsjahr 2001 werden 10,9 Millionen DM an Bruttoeinnahmen erwartet. Insofern verbleiben netto lediglich 7 Millionen DM.

Vor dem Hintergrund der sinkenden Zahl von Sozialwohnungen, die zur Fehlbelegungsabgabe herangezogen werden können, ist absehbar, dass es sich irgendwann nicht mehr rentiert, die Fehlbelegungsabgabe überhaupt zu erheben. Deswegen heute unser Antrag auf vollständige Aufhebung des Gesetzes.

Auch haben sich seit 1992, seit der Einführung, die wir hier im Landtag einvernehmlich beschlossen haben, die Kosten entgegen der damaligen Ankündigung nicht entscheidend verändert.

(Präsident Heinz-Werner Arens [SPD] über- nimmt den Vorsitz)

Es sind viele Versuche unternommen worden und immer sind wir gescheitert. Es war ja eine Frage, ob wir rechtlich überhaupt in der Lage sind, die Fehlbelegungsabgabe aufzuheben. Da hat uns das Bundesverfassungsgericht mit einer Entscheidung aus dem Jahre 1988 geholfen, in der damals festgestellt wurde, dass eine Herausnahme von Fehlbelegern aus der Abgabepflicht in Bezug auf den Gleichheitsgrundsatz Bestand haben kann, wenn der erforderliche Verwaltungsaufwand in einem unangemessenen Verhältnis zum erwartbaren Ertrag der Abgabe steht. Das ist dann der Fall, wenn die Verwaltungskosten den durchschnittlichen Anteil von 10 bis 15 % erheblich übersteigen. In Schleswig-Holstein haben wir bei den Verwaltungskosten einen Anteil von über 35 %. Deswegen stellen wir heute diesen Antrag auch zur Abstimmung.

Die Situation am Wohnungsmarkt und die sozial unausgewogene Entwicklung vieler Nachbarschaften des sozialen Wohnungsbaus - das kennen wir aus unseren Städten - erfordern die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe. Sie ein Mittel, sie ist nicht das Mittel, sie ist ein wichtiges Mittel, auf das wir als Politiker Einfluss haben.

Andere Länder haben das bereits erkannt und auch Beschlüsse herbeigeführt - und sei es, dass sie die Fehlbelegungsabgabe nicht in dieser Schärfe erheben. Baden-Württemberg verzichtet zu einem erheblichen Teil darauf, Hamburg wird gänzlich darauf verzichten.

Besonders nachteilig wirkt sich aber die soziale Schieflage aus. Die seit Jahren eingefrorenen Einkommensgrenzen nach § 25 des II. Wohnungsbaugesetzes bewirken, dass zurzeit nur Bezieher von Sozialhilfe oder von anderen Transfereinkommen bei der Neubelegung von Sozialwohnungen zum Zuge kommen. Bevölkerungsgruppen wie Facharbeiter, kleine Angestellte und Beamte, die früher als Stabilisatoren für ausgewogenen Nachbarschaften sorgten, sind aufgrund der Inflation jetzt nicht mehr berechtigt, Wohnungen zu beziehen. Das heißt, Neuzugänge aus diesen stabilisierenden Schichten erfolgen nicht und die Bestandsfälle entwickeln sich praktisch zu Fehlbelegern.

Weil die Einkommensgrenzen durch die rot-grüne Bundesregierung nicht entsprechend der Inflation angepasst werden, mutieren Wohnscheinberechtigte ohne eigenes Zutun, nur aufgrund der Inflation, plötzlich zu Besserverdienern. Das ist die neue soziale Gerechtigkeit von Rot-Grün in Berlin.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf der Abge- ordneten Renate Gröpel [SPD])

- Frau Gröpel, auf Bundesebene ist ja leider eine Anpassung der Einkommensgrenzen nicht in Sicht.

(Renate Gröpel [SPD]: Die Reform kommt ja erst noch!)

Es wäre ja schön, wenn Sie sich dazu gerungen hätten. Dann hätten wir dieses Problem nicht mehr.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die aus wohnungspolitischer Überzeugung 1992 eingeführte Abgabe wird vom Innenminister natürlich wegen chronischen Geldmangels beibehalten. Das hat er in Reinbek auf einer Veranstaltung von Haus & Grund sehr offen zugegeben; auch Frau Gröpel hat es heute deutlich gemacht.

Auch in der Presseerklärung der SPD, der Grünen und des SSW wird es ja - ich zitiere es - gesagt:

„Zudem kann Schleswig-Holstein auf die Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe in Höhe von 7 Millionen DM netto pro Jahr nicht verzichten.“

Es wäre schöner, wenn Sie Ihre Haushalte so gestalteten, dass nicht plötzlich 35-Millionen-DM-Löcher irgendwo entstehen. Das wäre einfacher.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf der Abge- ordneten Renate Gröpel [SPD])

Dann könnten wir das Wohnungsbauprogramm auch entsprechend finanziell ausstatten und müssten dazu nicht die Fehlbeleger heranziehen.

(Gero Storjohann)

SPD und Grüne wollen dieses Geld - so ihr Versprechen - sozial und gerecht einsetzen. Wir setzen dagegen: Sie erheben diese Abgabe mit kaltem Herzen von vielen Kleinstverdienern.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Der Präsident hat gewechselt.

(Heiterkeit der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Entschuldigung.

Am 27. September hatten wir hier in diesem Landtag beschlossen, dass die Fehlbelegungsabgabe auf Bundesebene abgeschafft werden sollte. Jetzt können wir in diesem Landtag auch beschließen, dass wir uns von dieser Fehlbelegungsabgabe verabschieden. Deshalb: Es ist möglich, sie abzuschaffen, es ist sozial und gerecht, sie abzuschaffen, und deshalb bitten wir Sie, dem Antrag der CDU zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! „Spiel’s noch einmal!“, nach diesem Motto scheint Rot-Grün zu verfahren, wenn sie heute erneut über den Gesetzentwurf der Landesregierung über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen debattieren wollen - nach einer wirklich umfangreichen Debatte im Dezember des letzten Jahres im Plenum und nach einer ausführlichen Beratung in den Ausschüssen.

Nur, der Gesetzentwurf wird dadurch nicht besser. Er verfolgt nach wie vor den nach unserer Auffassung falschen Ansatz, Objekte zu fördern, statt den Bürgerinnen und Bürgern durch zielgerichtete finanzielle Unterstützung mit Wohngeld zu helfen.

(Beifall der Abgeordneten Joachim Behm [FDP] und Heinz Maurus [CDU])

„Subjektförderung“ heißt das Zauberwort, von dem der Innenminister leider immer noch nichts wissen will. Dabei wäre der jetzige Zeitpunkt günstig, einen Richtungswechsel in der Förderpolitik zu beginnen. Der derzeitige Wohnungsmarkt ist vergleichsweise

entspannt. Hamburg und Baden-Württemberg haben deshalb bereits den schrittweisen Ausstieg beschlossen. Schleswig-Holstein will sich unter dem Deckmäntelchen der sozialen Gerechtigkeit von der Fehlbelegungsabgabe gleichwohl nicht verabschieden.

Geradezu eisern hält Rot-Grün an einem sozialen Wohnungsbau fest, der von Fehlbelegern genutzt wird, die eine Fehlbelegungsabgabe entrichten und damit wiederum den sozialen Wohnungsbau finanzieren, der dann wieder von Fehlbelegern genutzt wird. Ein solches Ringelreihen kann es doch nicht sein. Den wirklich ernsthaft auf den sozialen Wohnungsbau angewiesenen Bürgerinnen und Bürgern wird dabei jedenfalls nicht geholfen.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Da nutzt es auch nichts, dass noch mehr Ausnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen sollen. Das produziert allenfalls mehr Verwaltung und noch mehr Kosten - bei einem heute schon bestehenden Anteil von rund 35 % Verwaltungskosten an der Fehlbelegungsabgabe. Wir lehnen das ab.

Anfang des Monats las ich die Überschrift „Richtungswechsel in der Wohnungsbaupolitik“ und Innenminister Klaus Buß wurde unter anderem mit seiner Stellungnahme zum neuen Wohnraumfördergesetz des Bundes zitiert, das nächstes Jahr in Kraft treten soll. Wörtlich: „Die Gelder werden zielgerichtet sozial flankierend und nicht nach dem Prinzip Gießkanne eingesetzt.“