Interessant ist aber, wie in einer Momentaufnahme plastisch dargestellt wird - ich zitiere nun doch aus dem Artikel -, wie der Bayerische Landtag Stück für Stück seine Macht an die Staatsregierung verliert.
Zu Recht kann der Einwand geltend gemacht werden, dass wir uns in Schleswig-Holstein und nicht in Bayern befänden und dass es mit der großen Parlamentsund Verfassungsreform 1990 unter anderem darum gegangen sei, dem Parlament seine Macht zurückzugeben. Dennoch wirkt nicht alles fremd, was in Bayern als Problem aufgezeigt wird. Auch deshalb haben wir von Anfang an die Bestrebungen des Landtagspräsidenten unterstützt, die Positionen des SchleswigHolsteinischen Landtages in die aktuelle Föderalismusdiskussion auf Bundesebene einzubringen.
Der Ablauf der Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich machte deutlich, wie schwierig es ist, sich Gehör zu verschaffen. Die Länder sahen gezwungenermaßen ein, dass die Neuordnung der Bund-LänderBeziehungen ohne Beteiligung der Parlamente unter Dach und Fach kam, das heißt, dass man sich von vornherein auf die Zeit danach konzentrierte.
Enttäuschend dabei war - das sollte, denke ich, auch einmal gesagt werden -, dass sich die Konferenz der Landtagspräsidentinnen und -präsidenten nicht zur Geltung bringen konnte. Auch wenn diese Konferenz kein Beschlussgremium ist, wäre sie ein Sprachrohr der Parlamente gewesen.
Vor diesem Hintergrund hat unser gemeinsamer Antrag nicht zuletzt die Funktion, unseren Landtagspräsidenten mit einem formalen Mandat zu versehen, damit er sich im Namen des Schleswig-Holsteinischen Landtages verstärkt an der Debatte um die Weiterentwicklung des Föderalismus durch eine Stärkung der Länder und nicht zuletzt der Landesparlamente beteiligen kann.
Daher ist es bedauerlich - das muss ich ausdrücklich sagen -, dass sich die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem gemeinsamen Antrag nicht anschließen konnte. Und, lieber Karl-Martin Hentschel, von Selbstmitleid des Parlaments ist weiß Gott in diesem Antrag nicht die Rede.
Dass die Weiterentwicklung des Föderalismus nicht ohne weiteres zu einer Stärkung der Landesparlamente führt, geht schon aus der Tatsache hervor, dass in der auf Bundesebene eingesetzten Reformkommission die Landesregierungen und nicht die Landesparlamente vertreten sind. Mit anderen Worten, es wird nur gelingen, eine Änderung in der Zusammensetzung der Kommission herbeizuführen, wenn die Landtage über Parteigrenzen hinweg genügend Druck ausüben. Unser Entschließungsantrag wird dabei hoffentlich wegweisend sein. Vorerst gibt es aber keine Plattform für die von uns formulierten Forderungen. Das muss man auch ganz klar sagen.
Genauso klar muss gesagt werden, was ja auch Bestandteil des Antrages ist, dass die Landesregierungen zwar das Mandat haben, die Interessen der Länder über die Bundesebene wahrzunehmen, aber nicht das Mandat - so steht es auch im Antrag -, die Landesparlamente in allen ihre Stellung als Verfassungsorgane betreffenden Fragen gegenüber dem Bund zu vertreten. Auch das muss, glaube ich, noch einmal ganz deutlich gemacht werden. Das ist so, auch wenn sich die Länder - wie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angeführt - mehrfach ihre Rechte von den Landesregierungen haben abkaufen lassen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Landesregierungen - wie ich schon sagte - gegenüber dem Bund die Landesparlamente nicht vertreten.
Aus der Sicht des SSW ist es viel schlimmer, dass in einigen oder vielleicht in vielen Landesparlamenten das Wirklichkeit ist, was die „Süddeutsche Zeitung“ in dem von mir vorhin genannten Artikel über den Bayerischen Landtag erzählt, dass nämlich die Mehrheitsfraktion - in diesem Falle ist es die CSU - eher gewillt ist, die Interessen der Regierung als die des Parlaments zu gewährleisten.
Statt zwischen Exekutive und Legislative zu trennen, gibt es also eine massive Trennung zwischen Opposition und Regierung. Diese Trennung steht - so zeigt es die Wirklichkeit - eher im Mittelpunkt.
In Schleswig-Holstein - auch das möchte ich noch einmal deutlich machen - wurde dieses Machtgeflecht mit der Verfassungsreform 1990 aufgebrochen. Ich denke, es steht uns gut zu Gesicht, uns laufend mit unserer eigenen Reform zu befassen. Der Geist dieser Reform verdient es, nach zehn Jahren wieder gestärkt zu werden.
Daher sollten wir gemeinsam daran arbeiten, für eine Stärkung des Föderalismus dort einzutreten, wo wir als Parlament das Zepter in der Hand halten, zum Beispiel bei den Voten der Landesregierung im Bundesrat.
Die Forderung nach einer dahin gehenden Erweiterung des Artikels 23 des Grundgesetzes ist daher richtig. Die Landesregierung soll in ihrer Arbeit nicht behindert werden. Das ist nicht mein Ansatz. Dennoch sollten wir uns als Parlament von unserer selbst gewählten Bescheidenheit verabschieden.
Aus der Sicht des SSW muss in diesem Zusammenhang weiter angesprochen werden, dass wir mehr als bisher die Möglichkeiten, die uns als Parlament im gesetzgeberischen Bereich noch verblieben sind, auch ausnutzen müssen. Konkretes Handeln auf Landesebene bewirkt viel mehr und findet stärker Akzeptanz bei den Menschen, als immer wieder Resolutionen oder
Obwohl sich die Bundesländer und der Bund auf eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs einigen konnten, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine grundsätzliche Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden weiter auf der Tagesordnung steht.
Wir brauchen neben der Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben auch eine Reduzierung der weit ausgebreiteten Mischfinanzierung. Dabei unterstützt der SSW die Forderung, dass die Körperschaft, die öffentliche Ausgaben veranlasst, auch selbst über Steuern oder Abgaben beschließen darf, die zur Deckung dieser Ausgaben erforderlich sind. Auch das steht in unserem Antrag. Ähnliche Modelle - das darf ich hinzufügen - kennen wir aus unserem nördlichen Nachbarland. Dort sind beispielsweise auf kommunaler Ebene eigene Steuererhebungen möglich.
Deshalb begrüßen wir ebenfalls die Forderung nach eigener Kompetenz der Länder zur Erhebung von Steuern. Auch hier ist richtig, dass für Steuerarten, deren Ertrag schon heute ausschließlich den Ländern zusteht, die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz an die Länder geht. Das Gleiche gilt für die Erweiterung des Konnexitätsprinzips. Das haben wir in mehreren Debatten schon deutlich gemacht. Bund und Länder müssen selbstverständlich für die Ausgaben, die sie durch ihre politischen Entscheidungen veranlassen, selbst aufkommen. Vorhin wurde schon das berühmte Zitat vorgetragen: „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.“
Wenn jetzt nur ein Teil der Forderungen dieses Antrags umgesetzt wird, wären wir aus unserer Sicht dem Ziel einer Stärkung des Föderalismus in Deutschland schon ein ganzes Stück näher gekommen. Darum zuletzt nur noch ein Wort zum Thema deutscher Föderalismus und Europa, das in dem gemeinsamen Antrag kurz angesprochen wird. Auch wir begrüßen, dass die Bundesländer durch die Erweiterung des Artikels 23 GG gegenüber Entscheidungen der Europäischen Union gestärkt worden sind. Diese erweiterten Mitspracherechte sichern den Einfluss der Bundeslän
der bei entscheidenden europäischen Fragen. Dennoch warnen wir davor zu glauben, dass man das Modell des deutschen Föderalismus mit Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat - da bin ich einer Meinung mit den Grünen - jetzt einfach auf die europäische Ebene übertragen kann. Das kann und wird nicht funktionieren. Es ist beispielsweise ein Fehlschluss zu glauben, dass man den Ausschuss der Regionen zu einer zweiten oder dritten Kammer der EU aufwerten kann.
Die europäischen Länder haben ganz unterschiedliche Strukturen, die durch ihre nationalen Entwicklungen geprägt sind. Das wissen wir alle. So sind Länder wie Frankreich, Großbritannien, aber auch Dänemark eher zentralistisch ausgerichtet, während Deutschland, Spanien und Italien beispielsweise mehr oder weniger föderalistische Strukturen aufweisen. Allein deshalb werden viele nationale Regierungen diesen Weg nicht mitmachen.
Einigen wir uns doch darauf, dass die europäische Zusammenarbeit zwar verbessert werden muss, aber ohne alles über einen Kamm zu scheren und ohne dass alle in einen Topf gesteckt werden. Eine faire und zukunftsfähige europäische Zusammenarbeit muss die Vielfalt der europäischen Kulturen und ihre Eigenarten respektieren.
- Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Wichtig ist allein die Feststellung, dass die Forderung nach einer Reform unseres Föderalismus - sprich: eine Stärkung der Landesparlamente - kein Luxusthema ist. Die Analyse ist heute und in anderen Sitzungen geleistet worden. Jetzt müssen wir anfangen zu handeln.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der etwas überraschenden Rede von Herrn Hentschel - jedenfalls für mich überraschenden Rede
möchte ich gern an meinem vorformulierten Satz festhalten, nämlich dass alle Fraktionen und die Landesregierung das gemeinsame Interesse eint, das Gewicht der Länder und Regionen in einem Prozess der europäischen Einigung und die Rolle des Parlaments gegenüber der Bundesregierung zu stärken.
Ich möchte jetzt auf den europapolitischen Teil des Antrags kommen. Wer in Deutschland will, dass Europa bei den Bürgern ankommt, kommt - ich glaube, da verrate ich kein Geheimnis - nicht an den Ländern und seinen gewählten Vertretern vorbei, die Europa formulieren und für Europa werben müssen. Wenn wir den europäischen Gedanken fördern wollen, müssen wir uns hier darüber unterhalten, allerdings auch draußen bei den Bürgern - für deren Ressentiments ich manchmal Verständnis habe - dafür werben, weil sich Brüssel und Bürokratie manchmal als fast gleich in die Köpfe der Menschen hineindrängen.
Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die europapolitischen Teile des Antrags zur Stärkung der Landesparlamente, zur Stärkung der Regionen in einer sich erweiterten Europäischen Union, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich darin zurechtzufinden.
Ich möchte dabei die verfassungsgemäße Aufgabenverteilung in Schleswig-Holstein nicht verwischen. Die Landesregierung vertritt die Interessen des Landes in eigener Verantwortung. Das macht sie aber nicht im politik- oder luftleeren Raum, sondern in enger Absprache mit dem Parlament und im Vorfeld in enger Absprache der Leitlinien, die sie nachher vertreten wird.
Was den bundespolitischen Anteil des Antrags betrifft, so stimme ich der Analyse zu, dass den Ländern und den Landesparlamenten in der Vergangenheit ein erheblicher politischer Gestaltungsspielraum verloren gegangen ist. Der Satz, „Zunächst waren die Länder“, ist manchmal im Alltagsgeschäft nicht wiederzuerkennen. Die eigentlich im Grundgesetz vorgesehene Balance zwischen Gesetzgebungsbefugnissen hat sich im Ergebnis zulasten der Länder verschoben. Im Übrigen gilt Ähnliches auch für die europäischen Rahmengesetze, die dann zum Beispiel noch vorschreiben - das ist nicht herbeigeholt -, wie viel Millimeter unsere Toilettentüren breit sein dürfen.