Frau Ministerpräsidentin, wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte, dass Sie nicht fähig sind, die Zukunft dieses Landes aktiv zu gestalten, dann wird das durch den jetzt vorgelegten Haushaltsentwurf 2002 nachdrücklich bewiesen.
Wir alle wissen doch, dass das Zahlenwerk, das Herr Möller hier vorgelegt hat, auf Makulatur beruht. Für mich gehört schon ein Stück Chuzpe dazu, wenn man auf der Grundlage von Prognosen, die von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten längst wieder eingesammelt worden sind, die selbst für die Bundesregierung nicht mehr Basis für künftige Berechnungen sind, einen Haushaltsentwurf vorlegt, der in den Zahlen keiner künftigen Entwicklung standhalten wird, Herr Möller.
(Beifall bei der CDU - Widerspruch des Ab- geordneten Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])
Nun sagen Sie nur nicht, wir hätten Ihnen das nicht vorausgesagt! Im Juni des letzten Jahres haben wir Sie darauf aufmerksam gemacht, was hier passieren wird. Ich habe Sie, Frau Simonis, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ihre Prognose vom Dezember mit 2,5 bis 3 % eben Illusion sein werde und das das Wachstum unter 2 % landen werde, wie wir es nun auch deutlich sehen.
Ihr Wirtschaftsminister hat ja in einem Interview am 7. September auch den Offenbarungseid abgelegt. Ich zitiere:
„Die Konjunkturentwicklung 2002 bereitet mir tatsächlich Sorgen. In Schleswig-Holstein verläuft sie momentan sogar besonders ungünstig. Ich schließe nicht aus, dass das
Gestern, Herr Rohwer, bezeichneten Sie dann dieses Miniwachstum - ich zitiere wieder - „als unbefriedigend und enttäuschend“.
Herr Minister, die Feststellungen sind zwar ehrlich, aber zugleich sind die doch das Eingeständnis des Scheiterns der rot-grünen Wirtschaftspolitik hier im Land.
Die gestern veröffentlichten Zahlen beweisen nachdrücklich, dass das Scheitern Tatsache geworden ist: Das Wachstum des Bruttosozialprodukts liegt real noch bei 0,2 %. Damit liegen wir an letzter Stelle der westdeutschen Bundesländer und an viertletzter Stelle aller Bundesländer, das heißt, wir werden nur noch von drei der östlichen Bundesländer unterschritten. Herr Minister, daran wird deutlich, wie die Wirtschaftspolitik im Lande läuft und wie katastrophal die Lage im Lande ist, die von Ihnen zu verantworten ist.
Angesichts der Investitionsquote im Haushalt - Herr Minister, Sie haben sie angesprochen - nenne ich es fast schon zynisch, wenn der Wirtschaftsminister erklärt, er wolle jetzt, nachdem die Katastrophe da ist, auf Ausbau der Verkehrsinfrastruktur - ich erinnere daran, dass Sie die Mittel für den Straßenbau allein um 6,3 Millionen DM kürzen -, Förderung neuer Technologien, Pflege des Mittelstandes und Investitionshilfen für regionale Zukunftsprojekte setzen. Wie denn wohl? Sie kürzen an jeder Stelle, statt Mittel zur Verfügung zu stellen. Das ist der Fehler Ihrer Wirtschaftspolitik.
(Beifall bei CDU und FDP - Günter Neuge- bauer [SPD]: Sie wollen uns ja noch sagen, woher das Geld kommen soll!)
Mit einer vernünftigen Finanzpolitik wäre das möglich gewesen. Diese Regierung hat versagt, Herr Neugebauer. Wir haben das nachgewiesen. Beim Wirtschaftswachstum liegen wir ganz hinten und beim Schuldenmachen ganz vorn. Das ist rot-grüne Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein.
Nach einer im „Focus“ veröffentlichten EmnidUmfrage ist für 80 % der Menschen die Sorge um den Arbeitsplatz das wichtigste politische Thema. Deshalb müssen wir in dieser Generaldebatte natürlich auf die wirtschaftspolitischen Fragen eingehen. Auch wenn Sie das nicht hören mögen, werde ich Ihnen ein paar weitere Indikatoren nennen, die deutlich machen,
dass der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein durch die rot-grüne Landesregierung wirklich nicht gefördert wird.
Stichwort „Arbeitslosigkeit“! Ende August gab es nach dem letzten aktuellen Bericht des Arbeitsamtes in Schleswig-Holstein 113.000 arbeitslose Frauen und Männer mehr. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung von 3,2 %. Das ist blamabel.
Zur Industriekonjunktur! Zur Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes stellt das Statistische Landesamt am 18. September fest: „Die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes blieb in Schleswig-Holstein in den ersten sieben Monaten deutlich hinter dem Bundestrend zurück.“ Während bundesweit die Beschäftigtenzahlen immerhin noch um 0,7 % gestiegen sind, sind sie in Schleswig-Holstein um 0,8 % gesunken. Noch katastrophaler sieht es bei der Auslastung der Wirtschaft aus: Während die Auftragseingänge im Bundesgebiet den Vorjahreswert um 2,1 % übertrafen, lagen sie in Schleswig-Holstein um fast 13 % unter dem Vorjahresniveau. Daran wird deutlich, in welch kritischer Situation wir uns befinden.
Dass die Bauwirtschaft ganz schlimm betroffen ist, muss man hier nicht betonen. Der Minister hat auf der Nordbau entsprechende Erfahrungen machen können. Im Vergleich zum Vorjahr liegen wir um mehr als 14 % unter dem Auftragseingang des Vorjahres. Hier fehlen öffentliche Aufträge, weil Ihre Finanzpolitik dazu geführt hat, dass kaum noch Mittel für Investitionen zur Verfügung stehen.
Doch zurück zur Arbeitslosigkeit! Ich weiß, dass Politik selbst natürlich keine Arbeitsplätze schaffen kann, aber wir tragen die Verantwortung für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wenigstens das muss auch dieser Regierung zu denken geben, dass SchleswigHolstein im Vergleich zu den anderen westdeutschen Bundesländern immer mehr zurückfällt. Da muss doch etwas falsch sein an Ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren!
Nun weiß ich ja hinlänglich, dass derjenige, der diesen Zustand aufzeigt und kritisiert, von Ihnen, Frau Simonis, immer gleich so ein bisschen „angemacht“ wird, er rede das Land schlecht. Deswegen will ich hier noch einmal deutlich sagen: Schleswig-Holstein ist für uns ein wunderschönes Land und „RSH“ hat Recht, wenn er täglich meldet: das schönste Bundesland der Welt.
Wir haben tüchtige Menschen, die fleißig arbeiten. Niemand, der Ihre Politik zu Recht kritisiert, redet damit das Land schlecht. Ihre Politik ist es, die uns Probleme macht.
Sie müssen einfach lernen, sich mit politischer Kritik wenigstens dann auseinander zu setzen, wenn sie berechtigt und durch Fakten belegt ist. Heute liefern Sie mit dem Entwurf des Haushaltplanes 2002 wieder reichlich genug Ansätze zur Kritik.
- Ich habe aber nicht die Absicht, auf Fragen von Herrn Hentschel einzugehen oder heute Einzelheiten des Haushaltsentwurfs abzuhandeln.
Dazu werden wir im Zuge der Beratungen in den Ausschüssen und bei der zweiten Lesung Zeit genug haben.
An einigen Grunddaten will ich gern deutlich machen, dass Ihre Haushaltspolitik gescheitert ist, Herr Neugebauer, und dass auch der angeblich ultimative Sparhaushalt 2002 eben doch kein Sparhaushalt ist. Die alte Feststellung des Landesrechnungshofs, dass ein ernsthafter Wille zur Sparsamkeit nicht erkennbar sei, behält auch nach diesem Entwurf nach wie vor seine Gültigkeit. Ich will das belegen.
obwohl die Gehaltssteigerungen für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst bereits 2001 enthalten sind und ab 2002 eine Steigerung um 2,4 % durch die Tariferhöhungen hinzukommt.
- Sie kennen die Zahlen doch genau, Herr Neugebauer. Der Gesamtpersonalbestand steigt erneut um 27 Stellen. Mit ernsthaften Einsparungen beim Personal haben Sie gar nicht erst angefangen.
Was nützen denn 400 Stelleneinsparungen, die zugegebenermaßen enthalten sind, wenn Sie 200 Stellen, was wir begrüßen und unterstützen, für Lehrer zusätzlich berücksichtigen, wenn immer noch 227 andere
neue Stellen verbleiben und im Ergebnis 27 Stellen mehr als vorher verbleiben? Nun soll mir einer erzählen, wie bei 55.000 Beschäftigten, die zugrunde gelegt sind, ein Sparhaushalt konstruiert oder gemacht werden soll, wenn ich mehr und nicht weniger Personal habe. Bei dieser Zahl an Mitarbeitern ist auch bei mehr Effizienz, Wahrnehmung von Synergieeffekten Einsparung von Personal nachhaltig möglich. Sie reden 13 Jahre davon, nur realisiert wird bei Ihnen nichts.
Anders sieht es auch nicht bei den sächlichen Verwaltungsausgaben aus: Bei einer Nettoausgabensteigerung - Herr Möller hat es vorgetragen - um 4,28 %, das heißt um 18,1 Millionen €, kann ich nicht erkennen, wie dies ein Sparhaushalt sein kann, Herr Neugebauer. Und die merkwürdigen Titel „Sonstiges“ innerhalb der sächlichen Verwaltungsausgaben steigen sogar um 12,7 %, das sind ungefähr 12,3 Millionen €. Wofür denn eigentlich? Bis heute bleiben Sie die Erklärung für diese seltsamen Erhöhungen, die keineswegs Sparen bedeuten, schuldig. In beiden Bereichen werden Sie im Interesse von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit noch erhebliche Aufklärungsarbeit zu leisten haben, Herr Möller.
Frau Simonis, warum eigentlich haben Sie, als Sie diesen Haushaltsentwurf vorgestellt haben, wieder den falschen Eindruck erweckt, Sie wollten sparen, Sie seien die größte Sparkommissarin aller Zeiten? Das mag ja für eine Pressemeldung reichen, aber wenn man Ihr Zahlenwerk anguckt, muss man zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass Sie hier und da zwar sparen - unbestritten -, dass Sie aber an der falschen Stelle sparen. Ich will das belegen: Sie kürzen beim Landesblindengeld, Sie kürzen bei den Bauern, beim Straßenbau, bei den Kindertagesstätten, bei den Minderheiten. Warum eigentlich?
Sie wollen publikumswirksam die Beamten eine halbe Stunde - also pro Tag sechs Minuten - länger arbeiten lassen, das heißt, Sie kürzen netto deren Gehälter.