Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Ich weiß nicht, warum. Rechtlich könnten wir uns darüber unterhalten. Artikel 12 sagt etwas ganz anderes: Berufsfreiheit. Aber das nur nebenbei.

Wir haben uns auf der letzten Innenministerkonferenz der norddeutschen Küstenländer darauf verständigt der Hamburger Vertreter, Herr Staatsrat Reiners, war dabei -, dass wir uns in Kenntnis der schwierigen Lage nicht gegenseitig Beamtinnen und Beamte abwerben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich bin sehr sicher, dass sich auch der neue Hamburger Innensenator oder die neue Hamburger Innensenatorin daran gebunden fühlen wird. Wir werden ihn oder sie, wenn er oder sie bekannt ist, daraufhin anschreiben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Viel Spaß mit Herrn Schill!)

(Minister Klaus Buß)

Ich bin ganz sicher, dass er sich an diese Verabredung gebunden fühlt.

Das Landeskriminalamt wird zusätzlich drei Bilanzbuchhalter zur Bekämpfung von Geldwäschedelikten erhalten. Für Rasterfahndung und Datenerfassung werden wir zwölf zusätzliche Angestellte einstellen. Für Benzin, Dieselöl sowie für den Unterhaltungs- und Instandsetzungsbedarf der Polizeifahrzeuge und Wasserschutzpolizeiboote werden wir zusätzlich 1,25 Millionen € zur Verfügung stellen. Unser Sicherheitspaket enthält auch einen, wie ich meine, sehr, sehr wichtigen Motivationsschub: 150 Kommissare können zu Oberkommissaren befördert werden. Die Ernennungen betreffen hauptsächlich Angehörige des Streifen- und Ermittlungsdienstes, also den Teil der Polizei, der vor allem die von uns allen im Grunde genommen beklagten Überstunden zu leisten hat.

(Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

Eine Entspannung der Lage ist leider nicht in Sicht. Die nächsten Wochen und Monate werden von der Polizei weiterhin vollen Einsatz abverlangen. Ich weiß, dass die Polizei dazu bereit ist.

Man kann immer sagen: Das alles ist zu wenig. Man kann immer auf angebliche Versäumnisse der Vergangenheit hinweisen. Das hilft überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielmehr müssen wir uns mit der aktuellen Situation auseinander setzen. Wir müssen sehen: Was können wir äußerstenfalls leisten? Dann müssen wir auf dem aufbauen, was wir vorfinden. Man kann natürlich immer sagen, nicht jeder Spiegelstrich, nicht jede einzelne Maßnahme des Paketes diene unmittelbar und allein der Bewältigung der Lage seit dem 11. September. Aber so kann man nicht argumentieren. Man muss vielmehr fragen: Wie kann man das, was man hat, sinnvollerweise verstärken, um auf diese Lage richtig und ordnungsgemäß reagieren zu können?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin fest davon überzeugt: Das tun wir. Sie wissen, ich habe mich intensiv mit dieser Sache beschäftigt. Ich sage Ihnen nochmals: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Landesregierung mit diesem Sicherheitspaket eine wirklich runde Sache geschaffen hat, die dem Land und ihren Bürgerinnen und Bürgern hilft.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie mich kurz auf den Gesetzentwurf der CDU zur Einführung verdachts- und anlassunabhängiger Personenkontrollen zur Gefahrenabwehr eingehen. Was bringt dieser Antrag Neues gegenüber Ihrem Antrag aus der letzten Legislaturperiode, meine Damen und Herren von der CDU? - Sie begründen Ihre Initiative erneut mit dem Wegfall der Grenzkontrollen des sich vergrößernden Schengen-Raumes und ignorieren dabei die bisher durchweg positiven Erfahrungen nach der Grenzöffnung zu Dänemark seit Frühjahr dieses Jahres, die einen Bedarf für anlasslose Kontrollen mitnichten belegen. Das zeigt die Richtigkeit der Empfehlung der Experten, die diese bei der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss und im Europaausschuss im Oktober 1997 dem Landtag gegeben hatten.

Die Alternative ist für mich eindeutig, nämlich die konsequente Anwendung unseres geltenden Rechts. Lagebildabhängige Kontrollen unserer Landespolizeien, insbesondere auf Bundesautobahnen und anderen bedeutenden Straßen, praktizieren wir schon seit mehreren Jahren sehr erfolgreich. Allein bis Ende September, bezogen auf 2001, meldete die Verkehrspolizeidirektion 739 Aufgriffe auf den Autobahnen unseres Landes. Dafür nutzen wir ausschließlich das geltende Recht und beachten dabei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erkenne kein gesetzgeberisches Erfordernis für das erneut eingeforderte Instrument. Ein Bedarf lässt sich tatsächlich und rechtsstaatlich nicht belegen.

Lassen Sie mich zum Schluss auf den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Einführung des automatisierten Datenabgleichs in das Landesverwaltungsgesetz eingehen. Wir alle wissen - auch ich habe mich natürlich mit der Historie und der Debatte befasst, die hier 1992 geführt worden ist -, dass sie gerade hier in Schleswig-Holstein ein nicht unumstrittenes Instrument polizeilicher Kompetenz zur Gefahrenabwehr darstellt. Wir alle aber mussten zur Kenntnis nehmen, dass sich Attentäter der grausamen Terroranschläge des 11. September 2001 und ihre Unterstützer auch in Deutschland aufgehalten hatten und noch aufhalten könnten. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die so genannten „Schläfer“, das heißt Täter künftiger terroristischer Anschläge, aus ihrer Anonymität herauszuholen, um geplante Terrorakte möglichst zu verhindern. Eine geeignete Maßnahme zur Verhinderung bevorstehender Terrorakte ist der von der Polizei durchzuführende elektronische Datenabgleich nach fallspezifischen, kriminalistischen, tätertypisierenden

(Minister Klaus Buß)

Prüfkriterien mit Datenbeständen öffentlicher und privater Stellen.

Mit dem Gesetzentwurf setzen wir den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 18. September 2001 in Schleswig-Holstein um und helfen, die noch bestehende rechtliche Lücke in Deutschland zu schließen. Die Befugnis der Polizei, vom Ausländerzentralregister, von Einwohnermeldeämtern, Versicherungsunternehmen und Hochschulen personenbezogene Daten zu erlangen, wird vor allem das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Personen berühren, die an Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen weiterer Terrorakte nicht beteiligt sind. Dieser Tatsache ist sich die Landesregierung bewusst. Doch gerade die, die wir enttarnen wollen, schwimmen - sinnbildlich gesprochen - im Strom der Unbescholtenen mit. Für Letztere ist jedoch der Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht mit keinerlei weiteren Beschränkungen oder Nachteilen verbunden. Deren Daten werden sehr schnell - ich betone: sehr schnell - und vollständig gelöscht.

Die Landesregierung will den automatisierten Datenabgleich unter Richtervorbehalt stellen, nicht - dies betone ich ausdrücklich - aus Misstrauen gegenüber unserer Landespolizei, die mit den ihr zustehenden sensiblen Eingriffsrechten sehr behutsam umgeht, sondern um breite Akzeptanz zu erreichen. Um Bedenken hinsichtlich möglicher Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht Nichtverdächtiger zu begegnen, ist die Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten über Beginn und Abschluss einer entsprechenden Maßnahme vorgesehen. Schließlich schlägt die Landesregierung vor, das Gesetz zu befristen und dem Landtag jährlich über abgeschlossene und laufende Maßnahmen des automatisierten Datenabgleichs zu berichten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es bleibt also ausreichend Zeit, Erfahrungen mit der Vorschrift zu sammeln und dann zu evaluieren, ob sie Erfolg gehabt hat.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur feststellen: Mit den rechtsstaatlichen Kontrollelementen - so möchte ich es einmal bezeichnen -, die wir in unseren Gesetzentwurf eingebaut haben, stehen wir im Vergleich zu allen anderen Bundesländern einsam da. Ich behaupte, dass wir mit diesen Elementen mehr Kontrollmechanismen eingebaut haben als alle anderen Bundesländer zusammen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Martin Kayenburg [CDU]: So macht man sich handlungsunfä- hig!)

Daher bitte ich sehr herzlich um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Nun ist meine Redezeit leider zu Ende. Ich hätte Ihnen so gern noch ein, zwei Zitate gebracht, aber vielleicht besteht dafür nachher noch Gelegenheit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Klaus Schlie.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute eine relativ breit angelegte Debatte zum Thema innere Sicherheit im Schleswig-Holsteinischen Landtag führen. Denn anders, als einige - Herr Kollege Kubicki - es glauben, haben wir eine veränderte Sicherheitslage in unserem Land Schleswig-Holstein, nicht nur aufgrund des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch aufgrund objektiver Tatbestände.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Welche?)

Es ist richtig, dass der Kollege Hay angemahnt hat, heute eine sehr differenzierte Debatte zu führen. Ich teile auch seine Auffassung, dass die Ereignisse des 11. September nicht dazu missbraucht werden dürfen, irgendwelche parteipolitischen Süppchen zu kochen, der Bevölkerung irgendetwas geifernd oder opportunistisch vorzugaukeln

(Holger Astrup [SPD]: Dann können Sie ja jetzt aufhören, Herr Kollege!)

- ich würde erst einmal zuhören - oder gar unseren Rechtsstaat mit Vorschlägen in seinen Grundfesten zu erschüttern. Das ist sicherlich alles richtig. Aber - das sage ich an die Adresse der SPD - es gilt auch, dass niemand diese Situation dazu missbrauchen sollte, die Versäumnisse der Vergangenheit mit dem 11. September sozusagen zu überdecken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube schon, dass das zu einer ehrlichen und sachlichen Debatte am heutige Tage dazugehört. Bleibt am Rande vorweg die Frage zu klären: Was will eigentlich die FDP? - Herr Kollege Kubicki, ich habe sehr aufmerksam zugehört und habe versucht herauszufiltern -

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

(Klaus Schlie)

- Hören Sie doch erst einmal zu, bevor Sie dazwischenrufen! Eventuell lohnt es sich, einfach einmal zuzuhören und darüber nachzudenken, was andere sagen, anstatt immer nur das herauszuposaunen, was einem gerade durch den Kopf geht.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das wünschen wir uns auch von der CDU!)

Sie sollten sich einmal fragen lassen: Gibt es nicht auch aus Ihrer Sicht eine objektiv veränderte Sicherheitslage in Schleswig-Holstein? Ist es wirklich richtig, jeden Vorschlag, der gemacht wird - egal, ob von den Regierungsfraktionen oder von uns -, gleich zu verdammen und zu sagen: „Damit werden die Grundsätze unseres Rechtsstaats erschüttert“?

Natürlich müssen wir differenziert darüber reden, ob wir mit Einzelvorschlägen so weit gehen, dass wir Individualrechte von Bürgerinnen und Bürgern in unserem demokratischen Rechtsstaat unrechtmäßig einschränken, und ob das wirklich angemessen ist. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen, jeder Vorschlag, der kommt, sei unnötig, wir bräuchten bloß die bestehenden Gesetze anzuwenden, ist keine richtige Politik und damit liegen Sie völlig falsch, nicht nur im subjektiven Empfinden der Menschen, sondern auch objektiv.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb wäre es viel sinnvoller, sich anhand der einzelnen Maßnahmepakete dezidiert darüber zu unterhalten, was sinnvoll ist und was nicht sinnvoll ist. Dazu sind wir gern bereit.

Lassen Sie mich eingangs eine kurze Bemerkung zur Abwerbung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten machen. Ich möchte hier nicht auf die Begriffe Naivität und Dummheit eingehen; jeder muss in eigener Verantwortung wissen, was er dazu sagt. Was soll denn diese Debatte jetzt? Die Problematik ist doch eine andere, Herr Innenminister. Die Problematik ist doch die, dass wir seit Jahren die Situation haben, dass junge Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner, die gern Polizeibeamte werden wollen, ihre Ausbildung nicht in Schleswig-Holstein machen können, sondern nach Hamburg gehen - und dort gab es einen rot-grünen Senat -, und zwar deshalb, weil die Voraussetzungen dort besser sind.