Aber es ist nicht auszuschließen. Bei der präventiven Rasterfahndung besteht im Gegensatz zur Kronzeugenregelung oder zur Schleierfahndung wenigstens die Hoffnung, potenziellen Selbstmordattentätern rechtzeitig auf die Spur zu kommen.
Strafverfolgungsinstrumente machen bei Selbstmordattentätern keinen Sinn. Deshalb mussten wir hier ein präventives Instrument einführen. Die Rasterfahndung kann nicht erst eingesetzt werden, wenn - Sie werden das drastische Beispiel entschuldigen - das Flugzeug bereits in der Luft ist.
Angesichts der Terroranschläge in den USA und der bitteren Erfahrung, dass die mutmaßlichen Terroristen hier in Norddeutschland unauffällig und vordergründig integriert gelebt haben, halten wir diese Fahndungsmethode zum gegenwärtigen Zeitpunkt für unumgänglich.
Ich möchte nicht Schuld daran gewesen sein, verweigert zu haben, ein Instrument zu schaffen, das vielleicht nutzen würde.
Um Grund- und Bürgerrechte möglichst wenig zu beeinträchtigen, haben wir folgende Regelungen getroffen.
Drittens. Alle Daten werden gelöscht, soweit sie für die richterlich genehmigte Fahndung nicht mehr erforderlich sind.
Mit dieser fein austarierten Ausgestaltung, die auch von Dr. Bäumler vom Datenschutzzentrum gelobt wurde, ist unsere Regelung einmalig.
Kein anderes Bundesland hat für die Rasterfahndung so klare rechtsstaatliche Grenzen gesetzt, wie wir sie in Schleswig-Holstein einführen wollen. Sicherheit und Bürgerrechte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ich wiederhole das. Wer schreibt das bloß unserem Bundesinnenminister ins Stammbuch?
Bevor ich gleich Herrn Kollegen Lars Harms das Wort gebe, darf ich noch eine Anmerkung machen. Bei allem notwendigen Streit und auch unterschiedlicher Pointierung von Meinungen wäre das Präsidium doch dankbar, wenn wir - insbesondere bei dieser Debatte auf den gegenseitigen Vorwurf von Verlogenheit als Begrifflichkeit in der Debatte verzichten könnten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenwärtig läuft ein aufrichtiger konservativer Mensch schon richtig Gefahr, dass sein gesamtes Weltbild durcheinander gerät. Da redet die CDU von innerer Sicherheit, aber wenn sie zum Sturm auf die Bundesregierung bläst, war der vermeintlich rote Bundesinnenminister Schily immer schon da, wo die strammen Konservativen gerade erst hin wollten. Die CDU gerät aufgrund der stockkonservativen Haltung des SPD-Innenministers immer mehr in argumentative Notlage. Das ist wohl der einzig wirkliche konkrete Notstand, den wir in Deutschland derzeit haben.
Während dem SSW in solchen Situationen immer noch der pädagogisch wertvolle Blick gen Norden bleibt, ist der Rettungsanker der CDU in Berlin nur noch eine Politik aus Absurdistan: Grundgesetzänderung und Einsatz der Bundeswehr im Innern. Das ist ein mehr als traurig stimmender Vorschlag!
Mit dem Antrag der CDU zur Einführung der Schleierfahndung in Schleswig-Holstein unternimmt jetzt auch der Kollege Wadephul einen verzweifelten Versuch, Herrn Schily noch zu überholen. Das ist umso betrüblicher, als bislang gerade vom designierten CDU-Fraktionsvorsitzenden Zeichen der Öffnung in der CDU Schleswig-Holstein gesetzt wurden. Das meine ich wirklich so. Was aber jetzt von Ihnen kommt, Herr Kollege Wadephul, ist ein Rückschritt in längst vergangene Zeiten.
Die Schleierfahndung ist kein geeignetes Mittel, um die neue Gefahr des Terrorismus zu verhindern, auch wenn die zeitliche Nähe zu anderen Initiativen dies unterstellt. Noch mehr als bei anderen Maßnahmen wie der Rasterfahndung wird mit der Schleierfahndung im Trüben gefischt. Gerade weil mit der Schleierfahndung unschuldige Bürgerinnen und Bürger belästigt
werden, aber kaum große Fische oder auch „Schläfer“ - ins Netz gehen, ist der SSW gegen diese Maßnahme.
Das scheint die CDU auch erkannt zu haben, denn als Begründung für ihren Antrag gibt sie nicht an, Terroristen jagen zu wollen, sondern begründet die Notwendigkeit der Schleierfahndung mit der Vergrößerung des Schengenraumes und der Öffnung der Grenze nach Dänemark. Schengen hat das Ziel, die Grenzen und Regionen innerhalb der EU offener zu machen. Mit der EU-Osterweiterung werden die Außengrenzen der EU verschoben. Will man Kontrollen, so muss man diese an den Grenzen der EU ermöglichen. Hieran wird gerade intensiv gearbeitet, wovon sich eine Gruppe von Parlamentariern aus unserem Hause erst kürzlich in Polen und in der Ukraine überzeugen konnte. Wenn Sie also davon sprechen, die Polizei für die zukünftige EU-Erweiterung rüsten zu wollen, so sollten Sie nicht die Schleierfahndung einführen, sondern die Strukturen in den EU-Beitrittsländern und in deren Nachbarländern stärken.
Die zweite Begründung ist, dass die Grenzkontrollen zu Dänemark weggefallen sind. Ich verweise wieder darauf, dass Schengen das Ziel hat, die Grenzen und Regionen innerhalb der EU offener zu gestalten.
Die Polizei in Schleswig-Holstein und die Polizei in Dänemark beginnen, Strukturen zu schaffen, die ihnen eine noch bessere Zusammenarbeit ermöglichen. Die kriminalistische Zusammenarbeit im Grenzland ist sehr gut. In jedem Fall darf die Zusammenarbeit der Polizei aber nicht zum Ziel haben, verdachtsunabhängige Personenkontrollen durchzuführen. Würden wir das wollen, hätten wir die Grenzhäuschen auch stehen lassen können.
(Beifall der Abgeordneten Dr. Ulf von Hielm- crone [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass die Grenzen zu den Niederlanden, Belgien und nach Frankreich seit vielen Jahren offen sind und dies niemals auch nur im Ansatz zum Anlass genommen wur
Wenn man die wieder entfachte Diskussion um die innere Sicherheit verfolgt, dann kann man schon den Eindruck gewinnen, dass jetzt alles aus dem Hut gezogen wird, was greifbar ist. Auf der nach unten nur begrenzt offenen Sinnhaftigkeits- und Vernunftsskala ist Ihr Vorschlag, Herr Kollege Wadephul, ganz unten anzusiedeln.
Der SSW bleibt auf dem Standpunkt, dass der Staat nur mit solchen innenpolitischen Instrumenten in die individuelle Freiheitssphäre der Menschen eingreifen darf, wenn diese auch wirklich dazu taugen, das angestrebte Ziel zu erreichen, wenn sie den Einzelnen möglichst wenig belasten und die Vorteile insgesamt die Nachteile überwiegen. Die Schleierfahndung erfüllt diese Kriterien nicht.
Bevor ich Herrn Thomas Rother für die SPD-Fraktion das Wort erteile - es bleiben noch zirka drei Minuten -, gebe ich folgenden Hinweis: Wir würden danach in die Folge der Kurzbeiträge eintreten. Ich weise darauf hin, dass wir danach noch Abstimmungen vorzunehmen haben. Das bedeutet für das Haus, dass wir den Eintritt in die Mittagspause um - wie es bisher aussieht - rund 15 Minuten verschieben müssen. Dies nur, damit Sie sich darauf vorbereiten können.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus macht es erforderlich, über die Solidarität mit den Opfern hinaus notwendige Gegenmaßnahmen zu ermöglichen und die dafür erforderlichen Mittel bereitzustellen. Genau darüber reden wir. Diese Maßnahmen sollen zielgenau sein. Dazu gehört auch die Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung. Herr Schlie, falls Sie zuhören, dieses Gefühl hat sich nach dem 11.09.2001 verändert. Genau darauf muss man reagieren und darauf wird auch reagiert.
Damit hat allerdings nichts zu tun, wenn Vorhaben, die noch auf irgendeiner Festplatte schmoren und für die endlich ein Vehikel zur Durchsetzung gefunden
werden soll, in diesem Zuge zum Ziel gebracht werden sollen. Der Vorschlag der CDU-Fraktion, das Landesverwaltungsgesetz zu ändern und für die Schleierfahndung zu öffnen, gehört zu dieser Art Vorhaben. Schleierfahndung soll auch ohne einen konkreten Verdacht und ohne eine konkrete Gefahrensituation polizeiliche Kontrollen ermöglichen, Kontrollen, die ähnlich den Verkehrskontrollen sind, die wir schon kennen. Allerdings könnte man dann über die Kontrolle der Fahrzeugpapiere und der Ausstattung hinaus beispielsweise auch die Durchsuchung eines Kraftfahrzeugs durchführen. Das ist schon ein qualitativer Unterschied.
Kontrollstellen werden schon jetzt lageabhängig, bei Vorliegen eines Verdachts oder an gefährlichen Orten eingerichtet. Das alles ist schon gesetzlich geregelt. Hinzu kommt, dass der Bundesgrenzschutz im Abstand von diesen berühmten 30 km zu einer Grenze, aber auch auf Durchgangsstraßen und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs jede Person anhalten, nach dem Ausweis fragen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen oder untersuchen kann. Aber auch hier sind grenzpolizeiliche Erfahrungen Voraussetzung für die Kontrollen. Verdachts- und anlassunabhängige Kontrollen sind zur Bekämpfung des Terrorismus ganz einfach ungeeignet, da eben diese Personen - „Schläfer“ und wie auch immer man sie bezeichnen mag - darauf bedacht sein werden, kein belastendes Material bei sich zu führen, um ihre unauffällige Lebensweise nicht zu gefährden. Auch die Attentäter von New York und Washington wären bei solchen Kontrollen kaum aufgefallen, da bei Maschinenbaustudenten der Fachrichtung Flugzeugtechnik entsprechende Unterlagen und Handbücher wohl nicht als auffällig gelten.
Deshalb wird die Hoffnung des bayerischen Innenministers Beckstein, durch eine Ausweitung der Schleierfahndung über den 30-km-Gürtel hinaus potenzielle Attentäter bei der Ein- und Ausreise zu entdecken, nur ein frommer Wunsch bleiben. Daher besteht in Schleswig-Holstein in dieser Hinsicht auch keine Sicherheitslücke. Die lageabhängigen Kontrollen sind völlig ausreichend und - ganz wichtig - auch erfolgreich. Selbst Herr Kubicki hat - neben dem Innenminister - darauf hingewiesen. Wirklich nicht alles, was möglich ist, ist auch notwendig und sinnvoll. Eine Politik der inneren Sicherheit à la Beckstein, der einmal meinte, dass jeder kontrolliert werden sollte, „dem man nicht zutraut, dass er schon mal 100 DM selber verdient hat“, ist ganz gewiss nicht unsere Politik. Bei solchen Vorstellungen zur inneren Sicherheit gibt es keine Gemeinsamkeit.
Einen Dämpfer haben die Freunde der Schleierfahndung vor kurzem durch das Urteil des Verfassungsgerichts in Mecklenburg-Vorpommern erhalten. Demnach ist das Reisen auf Durchgangsstraßen allein kein Tatbestand, an den ein solcher Eingriff in Grundrechte geknüpft werden könnte. Es ist also durchaus Vorsicht angebracht, auch wenn in anderen Bundesländern schon entsprechend verfahren wird und Niedersachsen in diesem Falle sogar ganz nahe bei Bayern liegt.
Schlimm genug, dass wir uns mit der 30-km-Regelung für den BGS und den Zoll eine zweite Grenzlinie leisten müssen, obwohl wir die Grenzkontrollen durch das Schengener Abkommen - der Kollege Harms hat darauf hingewiesen - ganz abschaffen wollten.