Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

Es stellt sich dann die Frage, welche Plausibilität hinzukommt. Meinen Sie wirklich, dass es dann, wenn jemand Pakete in Neumünster auslegt, wenn sich der Anwalt am Dienstag meldet und dann die ersten Untersuchungen keinen Hinweis ergeben, sehr plausibel ist, dass dies einer jener Terroristen sein könnte, die hier bei uns zuschlagen wollten? Ich glaube, diese Plausibilitätsüberlegung hätten Sie anstellen müssen.

Frau Simonis hatte dann erklärt, das Krisenmanagement habe geklappt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nicht das Krisenmanagement hat geklappt, sondern die Laboruntersuchungen haben geklappt. Erst waren Sie tagelang auf Tauchstation und nachher konnte es Ihnen nicht schnell genug gehen. Dies passt nicht zueinander.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Sie haben ein konkretes Vorsorgekonzept vermissen lassen, obwohl Sie die Möglichkeit gehabt hätten, über Tage hinweg genauere Vorkehrungen zu treffen.

Da gibt es ja auch manches, was man hört: Nachdem das am Freitagabend um 18 Uhr, 19 Uhr bekannt geworden war, soll ja sogar überlegt worden sein, ob man einen Baumarkt räumt. Das alles ist eigentlich sehr wenig überlegt gewesen. Gott sei Dank haben die es nicht getan. Kollege Möller hätte dazu sonst wegen Schadenersatzforderungen schon heute Morgen einiges erwarten können.

(Widerspruch bei der SPD - Zuruf der Abge- ordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Umso befremdlicher ist es, Frau Moser, wenn Sie in dieser Situation dennoch meinen, uns als Opposition mit einem verklausulierten Hinweis auf Trittbrettfahrerei indirekt attackieren zu müssen. Ich habe das sprachlich und inhaltlich als sehr unangemessen empfunden.

Wenn ein Kollege aus Ihren Reihen unsere berechtigten Nachfragen im Ausschuss - diesen Weg haben wir zuerst gewählt - als - verzeihen Sie, Herr Präsident, wenn ich dieses Wort benutze, aber ich muss es tun Korinthenkackerei bezeichnet, dann zeigt dies, dass diesem Kollegen die notwendige Sensibilität bei diesem Thema fehlt.

(Beifall bei der CDU)

Trittbrettfahrer gehören bestraft, aber sie gehören bestraft, wenn ihre Schuld und das Ausmaß der Schuld festgestellt sind. Ich habe es nicht als hilfreichen Beitrag empfunden, dass die Frau Ministerpräsidentin noch aus Hongkong meinte erklären zu müssen, welche Schuld hier vorliegen könnte. Dies ist einem Rechtsstaat nicht angemessen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Sie, Frau Moser, haben im Gegensatz zu Ihrem schriftlichen Manuskript, das Sie uns gestern Abend übermittelt haben, nun heute aus dem „Täter“ einen „Tatverdächtigen“ gemacht. Das ist in diesem Land immer noch ein Unterschied.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Bewertungen und Bemerkungen wären unvollständig, wenn wir uns nicht dem zuwenden würden, was notwendig ist. Dies habe ich im Kern in Ihrer Regierungserklärung völlig vermisst. Sie haben überhaupt nichts dazu gesagt, was diese Regierung jetzt für

(Werner Kalinka)

die nächste Zeit tun will; denn Gott sei Dank ist der Ernstfall hier nicht eingetreten. Aber er könnte es doch. Auf diesen Fall müssen wir doch vorbereitet sein.

Erstens. Sind wir wirklich für den Ernstfall gerüstet? Ich glaube, nur bedingt. Wir müssen uns die Frage stellen: Was ist für den Zivil-, den Katastrophenund den Brandschutz notwendig? Wie werden alte Wagen ersetzt, die seit 15, 20 Jahren überaltert sind? Diese Überalterungen gibt es nicht erst seit zwei, drei Jahren.

Sind genügend ABC-Züge vorhanden? Haben wir genügend Wagen, um Infektionsfälle zu erkennen und an sie aktiv heranzugehen? Hierzu hat der Landesfeuerwehrverband ja gute Vorschläge gemacht und Sie wären gut beraten, diese Vorschläge aktiv aufzugreifen und umzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Haben wir im Land genügend Arzneimittelvorräte? Was ist mit den Hilfskrankenhäusern? Meine Kollegin Scheicht hat dazu eine Kleine Anfrage gestellt, deren Antwort eigentlich mehr als ernüchternd war, dass nämlich fast gar nichts mehr stattfindet.

Haben wir genügend Schutzräume? - Hier erwarten wir von Ihnen eine Bestandsaufnahme und eine klare Nennung der Dinge, die notwendig sind, um ein Vollzugsdefizit zu vermeiden.

(Zuruf des Abgeordneten Arno Jahner [SPD])

Drittens. Ab heute können in Neumünster auf einer L 3-Ebene, also auf einer hohen Form, Proben untersucht werden. Dies bezieht sich vor allen Dingen auf Veterinärbereiche, auf den Bereich des Milzbrandes beispielsweise. Die Frage ist ja: Was passiert, wenn wir wollen dies nie hoffen - ein Pockenverdachtsfall aufträte? Hier geht es um eine Untersuchungsgrößenordnung, die im Augenblick nur in Marburg und in Hamburg bewältigt werden kann. Wir müssen uns also die Frage stellen, ob wir die Logistik haben, um in einem solchen Fall schnell das Notwendige tun zu können.

Viertens. Die Abwicklung dieser Krise hat gezeigt, dass es in der Regierung ein Nebeneinander gegeben hat. Ich meine, meine Damen und Herren, es wäre vernünftig, wenn diese Landesregierung mit den Hilfsorganisationen und mit der kommunalen Seite einen zentralen Krisenstab einrichten würde, bei dem ganz klar geklärt ist, welche Kompetenzen bestehen und welche Maßnahmen zu treffen sind. Dies halte ich für einen zentralen Punkt. „Jeder ist für sich verantwortlich“, wie es Herr Staatssekretär Fischer im Ausschuss gesagt hat, ist mir zu wenig.

Fünftens. Wie gehen wir mit der Bevölkerung um, die seit den Terroranschlägen in Amerika in einer neuen psychologischen Lage ist? Dies ist ein Punkt, der uns alle vor Herausforderungen stellt.

Zu all diesem, Frau Moser, haben wir von Ihnen nichts gehört. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie nicht nur eine Regierungserklärung als Zustandsbeschreibung, sondern auch zu den Folgerungen abgegeben hätten. Von daher kann ich nur hoffen - ich erwarte das -, dass Sie die Vorschläge, die wir jetzt eingebracht haben, aktiv aufnehmen und - auch im Gespräch mit den Ausschüssen - Vorstellungen entwickeln, wie wir im Krisenfall eine höchstmögliche Sicherheit in SchleswigHolstein haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD hat jetzt Herr Abgeordneter Arno Jahner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vorab will ich kurz auf die Sitzung des Sozialausschusses vom letzten Donnerstag zu sprechen kommen. Der Ausschuss befasste sich mit diesem Thema. Der Beitrag der Kollegin Tengler, in dem sie Deeskalation, Ruhe, Besonnenheit und die nötige Sensibilität einforderte, hat mir imponiert. Ich schließe mich dem grundsätzlich an.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abgeord- neten Dr. Heiner Garg [FDP])

Aber so ist das dann, meine Damen und Herren: Man will diese Freundschaft ja auch nicht beschädigen. Dann sagt man sich, vielleicht passiert ja heute nichts.

Ich muss einfach noch einmal Folgendes an meinen guten Herrn Kalinka zurückgeben: Wissen Sie, wenn man Sie in der entsprechenden Ausschusssitzung erlebt hat, gesehen hat, mit welcher Akribie Sie dort nachgefragt haben - zum Beispiel haben Sie den Staatssekretär gefragt, wie wer wo wann denn mit wie viel Personen welchen Transport gemacht hat -, dann muss ich Sie daran erinnern, dass Sie von der Kollegin Heinold einmal so freundlich als „Spürnase“ bezeichnet wurden. Ich setze einen drauf: Ich glaube mittlerweile wahrhaftig, Sie haben in Ihrer Jugend zu viele NickKnatterton-Hefte gelesen, Herr Kalinka!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Arno Jahner)

Zur Sache! Deeskalation, Ruhe, Besonnenheit und die nötige Sensibilität - genau das hat die Landesregierung bewiesen. Ich will hier in diesem hohen Hause namens der SPD-Fraktion der Landesregierung und besonders dem Ministerium für Gesundheit sowie dem Innenministerium für die besonnene, ruhige und informative Handhabung dieser Angelegenheit gratulieren und unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Widerspruch bei der CDU - Martin Kayenburg [CDU]: Das ist ja un- glaublich!)

Meine Damen und Herren, ich sage es ausdrücklich: Dies war ein sehr gutes Krisenmanagement des Landes

(Martin Kayenburg [CDU]: Was? - Gar nichts war das!)

und ein gutes Krisenmanagement der Stadt Neumünster.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich darf Sie recht herzlich bitten, meine Damen und Herren des Ministeriums: Richten Sie diesen Dank auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus.

Uns haben die Aussagen des Herrn Kollegen Dr. Klug irritiert, der die Regierung als „Panikorchester“ bezeichnete, und des Herrn Kollegen Kalinka, der behauptete, die zuständige Ministerin Moser hätte den Schlagzeilen den Vorrang vor Seriosität gegeben. Ja, was wäre wohl gewesen? Sie hätten bei der kleinsten Unterlassung auf den Barrikaden gestanden. Sie hätten kein gutes Haar an der Regierung gelassen. Sie wären diese „Neunmalklugen, hinterher Besserwisser“ gewesen! Das ist Ihr Stil!

(Beifall bei der SPD)

Ich wiederhole: Das Vorgehen der Landesregierung war korrekt und richtig. Und nun, Herr Dr. Klug, kommt Ihre Wahrscheinlichkeitsberechnung mit dem Vulkanausbruch auf der Hallig Gröde! Ich habe das gelesen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Herr Dr. Klug, gestatten Sie mir ein bisschen Kirchturmspolitik.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das machen Sie doch nur!)

Als Neumünsteraner will ich meine Heimatstadt hier nicht salonfähig für Terroranschläge reden. Das sage ich hier ganz deutlich. Wer aber hätte bei der Auseinandersetzung, die unsere Stadt mit dem „Club 88“ hatte, gedacht - das hat mit diesem Thema nichts zu