tun, bitte nehmen Sie das zur Kenntnis -, dass wir innerhalb einer Woche bundes- und europaweit im Blickpunkt stehen würden. Ich will Ihnen ganz offen sagen: Nach meinen Informationen gab es in der Stadt Neumünster nicht wenige, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen solchen Anschlägen und dem „Club 88“ gesehen haben. Das sollten Sie fairerweise wissen.
Ich war in meiner 20-jährigen kommunalpolitischen Arbeit oft genug mit so genannten Rieselfeldern konfrontiert gewesen - ich weiß nicht, ob Sie das wissen -, wohin milzbrandhaltige Gerbereischlämme verbracht wurden. Ich gebe ganz ehrlich zu: Als ich das erste Mal davon gehört habe, habe ich ganz automatisch das hat wohl auch etwas mit Sensibilität zu tun - an diese Rieselfelder gedacht. Gott sei Dank ist aber nichts passiert.
Wenn Sie, Herr Dr. Klug und Herr Kalinka, sachlich an die Angelegenheit herangehen, statt von Panikmache zu reden, müssten Sie feststellen: Bei zwei Proben der am 29. Oktober gefundenen Pakete bestätigte das LVUA den Verdacht auf Milzbrandspuren. Bei der Untersuchung am 2. November durch das nationale Referenzbüro in Jena wurde dieser Verdacht zu 98 % bestätigt. Eine Bestätigung zu 98 % ist ein echter Verdachtsfall.
Mangelnde Seriosität? „Panikorchester“? Selbst das Robert-Koch-Institut in Berlin als kompetenteste und endgültige Prüfstelle teilte in seiner Pressemitteilung vom 3. November mit, dass erst die abschließende Untersuchung unter dem Elektronenmikroskop, die technisch nur dort stattfinden konnte, ergeben hat, dass vorwiegend begeißelte Bakterien gefunden wurden, wogegen Anthraxbakterien keine Geißeln haben.
Ich bin kein Biochemiker und Gott sei Dank verlief der entscheidende Test letztlich negativ. Ist es aber in diesem Falle nicht schon fast unverschämt, in diesen nachvollziehbaren Verdachtsfällen von „Panikorchester“ oder mangelnder Seriosität zu sprechen?
Ich wiederhole: Wir denken, dass sich die Verantwortlichen richtig verhalten sowie ruhig und besonnen gehandelt haben. Ich frage mich wirklich, meine Damen und Herren von der Opposition, warum in dieser schweren verantwortlichen Stunde nicht einmal Solidarität mit der Regierung oder ein Stück Gemeinsam
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute von Frau Moser vorgetragene Regierungserklärung bringt immerhin eine gute Nachricht: Die Landesregierung hat aus ihren Fehlern beim Milzbrandfehlalarm vom 2. November gelernt.
In Zukunft sollen kriminelle Trittbrettfahreraktionen dieser Art schneller und zuverlässiger als solche entlarvt werden können. Analysen nach der PCRMethode, der so genannten Polymerase-Kettenreaktion - das ist die einzig zuverlässige Untersuchungsmethode -, werden künftig auch hier in Schleswig-Holstein durchgeführt, und zwar zügig.
Da es ja durchaus nicht üblich ist, dass Regierungen aus Fehlern lernen, und da dies erst recht nicht in Schleswig-Holstein der Normalfall ist - wie wir wissen -, wollen wir die Landesregierung für ihre Einsicht und Lernfähigkeit ausdrücklich loben.
Wenn sich Situationen, wie wir sie in der vorletzten Woche erlebt haben - auch unter Einschluss dessen, was die Regierung in ihren Reaktionen auf das Problem in Neumünster mit dazu beigetragen hat -, nicht wiederholen, ist schon viel erreicht.
Zu den Ritualen einer Regierungserklärung zählt selbstverständlich auch die Bemühung, die Handlungsweise unserer hohen Landesregierung trotz aller mehr oder weniger offen eingestandenen Unzulänglichkeiten zu rechtfertigen. Der Kern der vorgetragenen Rechtfertigung lautet: Welche Vorwürfe hätte sich die Landesregierung wohl eingehandelt, falls sie die Öffentlichkeit am Abend des 2. November nicht alarmiert hätte, sich der Milzbrandverdacht aber dann doch als zutreffend erwiesen hätte? Diese Rechtfertigung ist etwas für schlichte Gemüter und mag deshalb manche beeindrucken. Uns beeindruckt sie nicht.
Man stelle sich vor, in Zeiten des Kalten Krieges hätte eine der Nuklearmächte aufgrund eines Fehlalarms im Frühwarnsystem erst einmal sicherheitshalber die eigenen Atomraketen mit der Rechtfertigung gestartet,
es hätte ja auch ein echter Alarm sein können. Diese Begründung hätte vernünftige Leute in einer solchen Situation wahrscheinlich auch nicht beeindruckt.
Selbst unter Anerkennung der Pflicht, dass die Bevölkerung vor möglichen Gefahren gewarnt werden muss, bleibt die Frage nach der Angemessenheit des Regierungshandelns in der konkreten Situation, wie sie sich in der vorletzten Woche ergeben hat. Zum einen war man sich in der Sache ja durchaus nicht sicher. Wäre man sich sicher gewesen, hätte es der dritten Analyse, der Untersuchung nach der PCR-Methode im Berliner Robert-Koch-Institut, überhaupt nicht bedurft. Zum anderen lag den Behörden seit Dienstag, dem 30. Oktober, die Mitteilung eines Rechtsanwalts vor, sein namentlich nicht genannter Mandant habe im Stadtgebiet von Neumünster 30 weiße Pakete verteilt. In der „Tageszeitung“ vom 5. November wird dieser Anwalt mit folgenden Worten zitiert: „Am Abend des 30. Oktober unterrichtete ich bereits die Polizei Neumünster, dass die schon gefundenen Kartons zu einer Kunstaktion gehören.“
Hinsichtlich der Bewertung einer solchen so genannten Kunstaktion sind wir uns sicherlich einig: Mit der Angst der Menschen darf man unter dem Deckmantel der Kunst keine makaberen Spielchen treiben, erst recht nicht in der gegenwärtigen Lage.
Ist es aber nicht die Pflicht einer Regierung, bei der Information der Öffentlichkeit auch ausdrücklich solche ihr mitgeteilten Erklärungen zu erwähnen und somit auch begründete Zweifel am Milzbrandalarm zu kommunizieren?
Trägt das nicht notwendigerweise auch zur Besonnenheit und zur Deeskalation in einer solchen Situation bei? Diese Frage stellt sich nach unserer Ansicht erst recht angesichts der doch sehr bizarren Umstände des ganzen Vorgangs. Es ist schlimm genug, dass angesichts der Entwicklung der letzten Wochen Terror mit biologischen Kampfstoffen in vielen Staaten - und so auch hier in Deutschland - im Bereich des Denkbaren und Möglichen liegt. Ist aber die Vorstellung, ein derartiger Terrorangriff in Deutschland könne mit der
Auslegung von 30 weiß angemalten Päckchen auf den Freiflächen einer holsteinischen Mittelstadt beginnen, auch nur ein annähernd realistisches Szenario? Ich bleibe bei meiner dazu bereits am vorletzten Sonntag abgegebenen Erklärung: Für eine solche Annahme spricht ein ähnliches Maß an Wahrscheinlichkeit wie für die Vermutung, auf der Hallig Gröde werde demnächst ein Vulkan ausbrechen.
Dass die Landesregierung solche nach vernünftiger Überlegung begründete und gut begründbare Zweifel in ihrer Pressekonferenz am 2. November nicht mit kommuniziert hat, dass sie sie entweder gar nicht erkannt oder, wenn sie diese Erkenntnisse gehabt hatte was noch schlimmer wäre -, der Öffentlichkeit vorenthalten hat, zeugt nach meiner Auffassung von einer nicht angemessenen und nicht umsichtigen Handlungsweise der Regierung.
Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich aus der von der Landesregierung inzwischen eingeräumten Ungenauigkeit der hier, aber auch in Jena angewandten Analyseverfahren, auf die man sich zunächst gestützt hatte.
Dass dies jetzt zu Änderungen führt - das habe ich schon gesagt -, ist eine gute Nachricht. Aber warum nicht gleich so? Wenn das Gesundheitsministerium, wie Frau Ministerin Moser vorgetragen hat, bereits seit dem 9. beziehungsweise 12. Oktober diverse zuständige Stellen zu erhöhter Wachsamkeit im Hinblick auf bioterroristische Anschläge - insbesondere im Hinblick auf Milzbrand - aufgefordert hat, stellt sich die Frage: Warum hat man sich nicht gleichzeitig um wirklich zuverlässige Analyseverfahren vor Ort bemüht, die nach der Erklärung von Frau Ministerin Moser nun, nach der gestrigen Kabinettssitzung, in Schleswig-Holstein ganz schnell bereitgestellt werden können? Warum nicht gleich so?
Die hohe Zahl von Trittbrettfahreraktionen wurde erwähnt. Wenn man weiß, dass dies ein Thema ist, das immer wieder auf die Behörden und zuständigen Stellen zukommen wird, dann muss man doch verdammt noch mal sofort dafür sorgen, dass man die bestmöglichen und zuverlässigsten Analyseverfahren hier vor Ort zur Verfügung hat. Man kann sich nicht auf eine Dreierstaffel verlassen, wobei eine erste Analyse in einem schleswig-holsteinischen Labor unternommen wird, dann eine weitere Versendung an ein Labor in Jena erfolgt, in dem auch eine nicht endgültig zuverlässige Untersuchungsmethode angewendet wird, und sodann in einer dritten Stufe, nachdem die Aufregung schon riesengroß ist, das Robert-Koch-Institut in Berlin bemüht wird. Hier hätte sehr wohl schon früher auf eine wirklich sinnvolle und absolut zuverlässige Ana
Auf dieses Thema hat die Landesregierung, wie es scheint, vor dem 2. November überhaupt keinen Gedanken verschwendet. Auch dies ist aus meiner Sicht ein Kritikpunkt, der hier zu nennen ist.
Lassen Sie mich abschließen: In dieser Sache ist vieles schief gelaufen. Es gibt berechtigten Grund zur Kritik an der Landesregierung. Gleichwohl möchte ich anerkennen, dass aus diesen Fehlern gelernt wurde und dass nicht abgestritten wird, dass es solche Fehler gegeben hat. Wir sind zufrieden, wenn sich solche Dinge, wie wir sie am 2. November erlebt haben, in Zukunft nicht wiederholen.
Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Klug, nicht jedes hinkende Argument ist ein Vergleich. Das ist die Zusammenfassung Ihres Vortrags.
Ich glaube, wir können noch viele Halligen und Vulkane bemühen. Dadurch wird das, was Sie an Kritik haben, nicht besser. Die widersprüchlichen Anforderungen der Öffentlichkeit, die in einem brisanten Fall bestehen, sind ein bekanntes Phänomen. Ich glaube, die Ministerin hat hier sehr zutreffend ihre Abwägung erläutert. Aus meiner Sicht und aus der Sicht unserer Fraktion hat sie richtig gehandelt, indem sie nicht bis in die späten Abendstunden gewartet hat, sondern frühzeitig, zu einer Zeit, zu der die Medien Informationen auch noch weitergeben konnten, ihre bis dato vorliegenden Erkenntnisse aufgrund der hohen Verdachtswahrscheinlichkeit weitergegeben hat.
Herr Kollege Jahner hat in seiner sehr ausführlichen und sehr angemessenen Rede vieles gesagt, was ich nicht wiederholen möchte. Ein Argument, das uns alle beschäftigen sollte, wurde noch nicht angeführt: Ich meine damit die sehr hohe Zahl von offensichtlichen Trittbrettfahrerinnen und Trittbrettfahrern, die diese Situation zum Anlass nehmen, ein Süppchen zu kochen und sich für etwas zu rächen, was ihnen vielleicht in ihrem Leben widerfahren ist. Vielleicht wollen sie sich
in irgendeiner Form wichtig machen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich denjenigen danken, die gestern Abend im Landeshaus sehr besonnen gehandelt haben. Ich möchte aber auch all denjenigen danken, die in den letzten Wochen nichts anderes zu tun hatten und noch haben, als sich in den unterschiedlichsten Behörden mit diesen Proben und Verdachtsfällen auseinander zu setzen. Ich kann mir vorstellen, wie viel Arbeit dabei liegen bleibt und wie schwierig es ist, täglich eine solche Abwägung zu treffen.