Wir als Parlament sollten - gerade in einer solchen Situation - zur Besonnenheit beitragen und keine weiteren Ängste schüren.
Das, was Sie hier vonseiten der Opposition - insbesondere vonseiten der CDU - geliefert haben, war überhaupt nicht geeignet, zu dieser Besonnenheit beizutragen. Es war vielmehr ein nochmaliges Rühren in möglicherweise vorhandenen Ängsten in der Bevölkerung. Diese Menschen verfolgen nicht täglich alles so, wie wir hier es tun. Sie haben nicht die Informationen, die uns vorliegen. Ich finde, Sie sollten dies sein lassen. Sie sollten sich endlich der Frage zuwenden, wie man der Antwort auf die Frage näher kommt, wieso so viele Menschen offensichtlich von diesem Unglück profitieren wollen. Das ist offensichtlich ein Phänomen. Was ist denn da los? Es ist nicht nur in Schleswig-Holstein, es ist bundesweit, europaweit, ja sogar weltweit der Fall, dass sehr viele Menschen offensichtlich meinen, dass dies die einzige Möglichkeit sei, auf sich aufmerksam zu machen. Dieses psychologische Phänomen kann man natürlich nicht mit einer Hauruckantwort lösen. Man sollte dieser Frage jedoch genauso nachgehen wie der sorgfältigen Überprüfung der eigenen Laborkapazität.
Ich hätte nicht wissen mögen, was die Opposition gesagt hätte, wenn die Landesregierung wenige Stunden oder Tage nach den ersten Milzbrandfällen angefangen hätte, riesige Laborkapazitäten einzurichten, die entsprechende Millionenbeträge gekostet hätten. Wir haben im Bereich der BSE-Behandlung sehr sorgfältig abgewogen, was zu tun ist. Es hat eine Lösung gegeben, die auch mit Umorganisationen verbunden war. Jetzt ist in Schleswig-Holstein - ohne großen Aufwand - die Möglichkeit da, direkt zu prüfen. Das begrüßen wir natürlich.
Ich sage an dieser Stelle aber auch sehr deutlich: Es ist hier sehr schnell gehandelt worden. Die letzten Informationen vom Robert-Koch-Institut, die ein einheitliches Verfahren in Deutschland sicherstellen sollen, kamen erst am 24. Oktober 2001. Wenn eine Woche später noch nicht alles sofort so läuft, wie wir es jetzt nach diesem - wenn ich das einmal so sagen darf Probefall haben, dann habe ich der Landesregierung keinen Vorwurf zu machen. Ich betone: Das Phänomen Milzbrand ist für zivile Labors kein Alltagsproblem. Ich hoffe, dass es auch zukünftig zu keinem Alltagsproblem wird. Das sage ich in aller Deutlichkeit.
Aus unserer Sicht besteht also kein Anlass zu Kritik. Wir sind erleichtert darüber, dass es sich um einen Fehlalarm gehandelt hat. Angesichts unserer knappen Haushaltskassen unterstreichen wir die Notwendigkeit, eine gute und zügige Form der Labornutzung zu finden. Ich begrüße es, dass auf Fachebene alle Bundesländer gemeinsam an einem Strang ziehen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft in allen Bundesländern ein besonnenes Vorgehen vorfinden werden.
Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Frau Abgeordneter Silke Hinrichsen das Wort. Ich nutze vorher jedoch noch die Gelegenheit, auf der Tribüne neue Gäste zu begrüßen. Ich begrüße ebenfalls Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer der Klaus-Harms-Schule. Ein herzliches Willkommen an Sie auf der Tribüne!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es dauert tatsächlich etwas länger, bis man mit den Krücken hier oben ankommt. - Alle Menschen sind klug. Die einen vorher, die anderen nachher und die Dritten auch vom Namen her. Hinterher weiß man immer alles besser und die Kollegen Kalinka und Klug wissen es offensichtlich am besten. Wirklich weitergebracht hat es uns aber nicht, dass CDU und FDP - kurz nach der erfreulichen Entwarnung - gleich unterstellt haben, die Landesregierung habe unseriös und hysterisch gehandelt.
Darüber hinaus habe ich mich bei der Rede des Kollegen Kalinka gefragt, warum uns der Staatssekretär im
Ausschuss Antworten auf unsere Fragen zu genau diesen Vorfällen gegeben hat; denn von den Ergebnissen, die er uns mitgeteilt hat, hat man in Ihrer gesamten Rede nichts gemerkt. Sie haben dieselben Unterstellungen wiederholt.
Selbstverständlich macht es Sinn, nachher zu fragen, ob man besser hätte reagieren können und was man in Zukunft besser machen sollte. Eine vernünftige Selbstkritik ist die einzig sinnvolle Grundlage für eine Weiterentwicklung der Politik. So etwas kann man allerdings nur seriös betreiben, wenn man die Regierung im damaligen Zusammenhang und nicht anhand dessen bewertet, was wir heute wissen.
Wenn man den Ablauf der Geschehnisse Revue passieren lässt, wie es die Ministerin bereits getan hat, dann kommt man ohne viel Verstand zu dem Schluss, dass man gar nicht anders hätte handeln können.
Eine frühere Veröffentlichung wäre wirklich Panikmache gewesen und das Verschweigen eines 98-prozentig positiven Befundes wäre ein Entlassungsgrund gewesen. Am 2. November nachmittags waren die Milzbrand-Verdachtsfälle zudem in aller Munde und auf allen Kanälen. Dem Interesse an einem möglichst sicheren Befund stand das Interesse der Öffentlichkeit an einer möglichst frühzeitigen Warnung gegenüber. Ich finde, dass die Gesundheitsministerin es gut gehändelt hat.
Aber es war sicherlich auch schwierig, aus dem fernen China die Lage in Kiel zu bewerten. Für mich ist nicht ersichtlich, dass die Regierung in der aktuellen Situation Fehler gemacht hat. Offensichtlich ist jedoch, dass zwei Politiker der Opposition danach außerordentlich unseriös reagiert haben. Entscheidend ist, dass wir uns darauf konzentrieren, was beim nächsten Mal anders gemacht werden sollte, auch wenn wir hoffen, dass es niemals eintrifft. Wir haben gelernt, dass zwei positive Tests allein noch nichts über die konkrete Gefahr aussagen. Wir wissen jetzt auch mehr darüber, wie wir in Deutschland mit solchen Verdachtsfällen umgehen
sollten. Wir können jetzt in Schleswig-Holstein selbst den PCR-Test durchführen. Es wird ein bundeseinheitliches Verfahren bei Verdachtsfällen entwickelt und andere wichtige Maßnahmen werden ergriffen.
Besonders gefällt mir aber, dass in Zukunft ein Weg gefunden werden soll, der parteipolitisches Geplänkel in so wichtigen Situationen von vornherein vermeidet. Ich bin zuversichtlich, dass die Verantwortlichen ihren Teil dafür tun, um möglichst viel aus den MilzbrandVerdachtsfällen in Thüringen und Neumünster zu lernen. Letztlich kann man auf eine solche Situation aber nie 100-prozentig vorbereitet sein. Deshalb möchte ich abschließend den Herren Kalinka und Klug einen Vers von Friedrich Rückert ans Herz legen:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hinrichsen, Sie haben gewiss Recht mit Ihrer Einschätzung, dass es für die Ministerpräsidentin schwierig gewesen ist, die Lage aus dem fernen China zu beurteilen. Aber, meine Damen und Herren, wenn man eine Lage nicht beurteilen kann, dann ist man gut beraten, den Mund zu halten und nicht einfach etwas in die Welt hinauszuplaudern.
Der Kollege Kalinka hat völlig zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht Aufgabe einer Landesregierung sein kann, vor dem Abschluss von Ermittlungen aus Tatverdächtigen Täter zu machen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Die Feststellung von Täterschaft ist unabhängigen Gerichten vorbehalten.
Es ist auch fraglich, ob es Aufgabe eines Ministerpräsidenten oder eines Innenministers sein kann, bereits vor dem Abschluss von Ermittlungen beziehungsweise bevor diese Ermittlungen überhaupt aufgenommen worden sind, von einem Gericht die Verhängung bestimmter Strafen zu fordern. Das ist verantwortungslos. Es erweckt den Eindruck von Aktionismus. Es erweckt auch den Eindruck, als würden solche Taten mit Höchststrafen belegt werden, was in der Regel überhaupt nicht der Fall ist.
Wenn seitens der Frau Ministerpräsidentin und des Herrn Innenministers damit jedoch zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass auf solche Taten angemessene strafrechtliche Sanktionen folgen müssen, dann kann ich dem nur zustimmen; denn es handelt sich um Delikte von hoher Sozialschädlichkeit. Insbesondere die Vortäuschung der Verwendung biologischer Kampfstoffe führt regelmäßig zu umfangreichen Einsätzen von Polizei und Rettungsdiensten und belastet in außerordentlichem Umfang die Arbeitskapazitäten von Fachinstituten und Laboren. Sie blokkiert die zur Gefahrenabwehr zur Verfügung stehenden Kräfte durch im Ergebnis unsinnige Kontrolltätigkeiten und Rettungseinsätze.
Im Übrigen wird durch solche Ereignisse das Sicherheitsgefühl der Öffentlichkeit in höchstem Maße beeinträchtigt. Die Täter wissen regelmäßig, dass sie mit ihren Aktionen die Sicherheitskräfte zum Einschreiten veranlassen. Sie wollen - neben der tief greifenden Verunsicherung einzelner, konkreter Adressaten und der breiten Öffentlichkeit - genau dies erreichen. Das Strafrecht muss dafür harte Sanktionen vorsehen. Die Entscheidung darüber, welche im Einzelfall verhängt werden, ist Aufgabe von Gerichten. Genau da liegt das Problem; denn der gegenwärtige Strafrahmen ist nicht angemessen. Geldstrafe oder aber Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, das klingt zunächst so, als würde der Strafrahmen ausreichen. Wir alle aber wissen, dass der Strafrahmen nur dann ausgeschöpft werden kann, wenn Mehrfachtaten vorliegen oder wenn eine besondere Form der Tatbegehung vorliegt, die die Verhängung der Höchststrafe rechtfertigt. Das wird selten der Fall sein.
Es ist daher richtig, dass der Freistaat Thüringen im Bundesrat einen Gesetzentwurf zum verbesserten Schutz der Öffentlichkeit vor angedrohten und vorgetäuschten Straftaten eingebracht hat, durch den der Strafrahmen erweitert werden soll, indem § 126 StGB zu einem Verbrechenstatbestand aufgewertet wird und damit auch die Versuchsstrafbarkeit begründet wird. Bei Delikten von so hoher Sozialschädlichkeit ist das allemal angemessen.
Ich möchte die Frau Justizministerin auffordern, diese Initiative des Freistaats Thüringen im Bundesrat nicht zu blockieren, sondern sie nachdrücklich zu unterstützen. Wir brauchen keine kraftmeierischen Sprüche von Ministerpräsidenten und Innenministern, sondern wir
brauchen konkrete Taten. Dazu gibt es jetzt eine Möglichkeit. Es wäre gut, wenn Handeln und Worte der Landesregierung in diesem Falle einmal übereinstimmten. Ich fordere Sie nachdrücklich auf, diese Möglichkeit zu nutzen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion der CDU erteile ich dem Kollegen Hans-Jörn Arp.