Protokoll der Sitzung vom 14.11.2001

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Nach den neuen Schätzungen reduzieren sich die Steuereinnahmen insgesamt im Jahr 2001 um 6,6 Milliarden € und im Jahr 2002 um 9,8 Milliarden €. Bei den Ländern entspricht das im Jahr 2001 3,1 Milliarden und im Jahr 2002 3,8 Milliarden €. Bei den Kommunen sind das minus 1,3 Milliarden € im Jahr 2001 und minus 3,3 Milliarden € im Jahr 2002. Die Regionalisierung bedeutet für Schleswig-Holstein - dabei haben wir auch die Steuerrechtsänderungen mit einbezogen, die vermutlich noch ins Vermittlungsausschussverfahren gehen werden - ein Minus von 84,4 Millionen € im Jahr 2001 gegenüber der Mai-Steuerschätzung. Für das Jahr 2002 müssen wir - nach Abzug von 98,5 Millionen € für den Länderfinanzausgleich - von mit 118 Millionen € ausgehen.

Wir haben aktuell die Entwicklung der kommunalen Steuern einschließlich der kommunalen Gewerbesteu

er. Diese sieht für Schleswig-Holstein etwas besser aus als für die Gemeinden bundesweit. 2001 lag sie bei einem Minus von 6 Millionen €; 2002 ist es ein Minus von 65 Millionen €. Das deckt sich mit der Entwicklung in Schleswig-Holstein insgesamt, wobei die Einnahmeausfälle in Schleswig-Holstein eben nicht den Grund in einem Steuerrückgang haben. Im Gegenteil: Die Schätzung unserer Steuereinnahmen wurde für 2002 um 93,5 Millionen € nach oben korrigiert. Das heißt: Das, was wir - ausgehend von der MaiSteuerschätzung - verloren haben, wurde wieder nach oben korrigiert. Dafür gehen die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und den BEZ um 212 Millionen € zurück, denn Schleswig-Holsteins Finanzkraft ist von 2000 mit 92,8 Millionen € im dritten Quartal dieses Jahres auf 95,1 Millionen € gestiegen. Die Tendenz ist steigend.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was für eine Gemeinheit!)

Das ist ein Indiz dafür, dass wir nicht so körperschaftsteuerlastig sind wie andere Länder und dass sich unsere stärker mittelstandsgeprägte Wirtschaftsstruktur bewährt hat.

(Martin Kayenburg [CDU]: Über 40 % wa- ren Erbschaftsteuer!)

Von einer Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts in Schleswig-Holstein kann derzeit keine Rede sein, Herr Kubicki! Die Aussicht auf eine rasche Erholung der Konjunktur machten natürlich die Terroranschläge vom 11. September zunichte. Diese externe Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts verunsicherte auch die wirtschaftlichen Akteure. Von der weltweiten Konjunkturschwäche kann sich auch die Wirtschaft hier im Lande nicht frei machen. Hierzu wird Herr Kollege Rohwer nachher etwas sagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wollen wir hoffen!)

Ich bin sicher, dass die von der Bundesregierung ergriffenen und bereits geplanten Maßnahmen - ebenso wie die deutliche Zinssenkung der Notenbank - dem Wachstum und der Beschäftigung positive Impulse geben werden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Welche Maß- nahmen sind denn geplant?)

Auch ohne den 11. September nehmen die Schwankungen in der wirtschaftlichen Entwicklung und damit auch bei den Steuereinnahmen zu. Umso notwendiger ist es, die finanz- und haushaltspolitische Planung an einer mittelfristigen Orientierung auszurichten. Die Landesregierung wird ihre zukunftsgerichtete Politik konzentriert auf die neuen Herausforderungen einstel

(Minister Claus Möller)

len und dabei verlässlich bleiben. Sie wird den Konsolidierungskurs konsequent fortführen und zugleich in die Zukunft Schleswig-Holsteins investieren. Wir schaffen zusätzliche Lehrerstellen, wir steigen in die Ganztagsbetreuung ein, wir modernisieren die Verwaltung und investieren in die Infrastruktur des Landes. Natürlich ziehen wir das ausschließlich aus Landesmitteln finanzierte Sicherheitspaket nicht zurück.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Ursula Kähler [SPD])

Wir ziehen auch einige maßvolle Investitionen vor. Ich nenne die Straßenbauverwaltung, den Strafvollzug und den Sicherheitsbereich.

Die Steuerpolitik der Bundesregierung hat in diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld - trotz der Ausschläge bei der Körperschaftsteuer - stabilisierend gewirkt. Das behaupte ich nach wie vor. Die zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Steuerentlastung um rund 23 Milliarden €, die im Jahr 2002 fortwirkt, hat einen noch stärkeren Rückgang des privaten Konsums verhindert. Die zweite Stufe der Familienförderung entlastet die Familien ab Beginn des kommenden Jahres um zusätzlich 2,5 Milliarden €.

Ein Vorziehen der für 2003 und 2005 beschlossenen Stufen der Steuerreform führt zu einer Erhöhung der öffentlichen Schulden in den nächsten Jahren, ohne dass auf längere Sicht Mehreinnahmen gewährleistet sind. Weder für den Bund noch für die Länder - und insbesondere für die Kommunen - wären die damit verbundenen Einnahmeausfälle zusätzlich zu verkraften. Vielmehr müssen wir in der nächsten Legislaturperiode in Berlin mit einer Reform der Gemeindefinanzen - aber auch hinsichtlich der Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben, der Mischfinanzierung und einer Neuordnung der föderalen Kompetenzordnung für Länder und Kommunen auf eine verlässliche und auskömmliche Finanzausstattung hinarbeiten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wer regiert dann?)

Zu Recht empfehlen die Wirtschaftsinstitute automatische Stabilisatoren. Soweit konjunkturbedingte Steuerausfälle im Rahmen des eingeschlagenen Konsolidierungskurses nicht aufgefangen werden können, sollte der Weg offen stehen, diese vorübergehend über eine höhere Kreditaufnahme zu finanzieren und dementsprechend höhere Haushaltsdefizite in Kauf zu nehmen. Ich behaupte: Alle Länder werden dies in Anspruch nehmen müssen. Ich weiß nicht, ob Sie die Presseerklärung unseres früheren Kollegen Steinbrück gelesen haben. Dieser ist zu entnehmen, wie drama

tisch die Restkreditermächtigung in Milliardenhöhe auch im nächsten Jahr in Anspruch genommen werden muss.

Schleswig-Holstein verliert 2001 gegenüber 2000 Steuereinnahmen in Höhe von 334 Millionen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Euro oder Mark?)

Das sind 672 Millionen weniger Steuern als im Jahre 2000. Wir haben im Rahmen des Haushalts und im Rahmen des Nachtragshaushalts 250 Millionen € gedeckt. Die restlichen - erst jetzt prognostizierten 84,5 Millionen werden wir durch einen Teil der in den letzten Jahren aufgebauten Restkreditermächtigung decken. Diese beträgt 271 Millionen DM. Kurzfristige heftige Nachfrageeinbrüche vonseiten des Staates würden allerdings prozyklisch wirken und die Konjunktur weiter schwächen. Es gilt, das gemeinsam zu verhindern. Es ist interessant, wer plötzlich Anhänger von Herrn Keynes geworden ist. Ich stimme mit dem Finanzminister überein:

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie sind der Fi- nanzminister!)

Aus dem Boden gestampfte kreditfinanzierte Konjunkturprogramme würden verpuffen und die Glaubwürdigkeit eines soliden Konsolidierungskurses beschädigen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Es geht um Inve- stitionen! Sie haben es immer noch nicht ka- piert!)

- Natürlich geht es um Investitionen. Wir haben für 2002 nur die Investitionen aus dem Sicherheitspaket in Höhe von 2,5 Millionen € über neue Kredite finanziert. Das hatte ich vorher angekündigt. Alle anderen Anforderungen der Nachschiebeliste und aus dem Sicherheitskonzept werden durch Entlastung und Umschichtungen an anderer Stelle in Höhe von etwa 60 Millionen € gedeckt. Wir haben bereits die hohen Ausfälle, die in der Mai-Steuerschätzung angegeben wurden, durch die Einsparungen im Nachtragshaushalt 2001 - rund 100 Millionen DM - und im Haushalt 2002 kompensiert.

Der Haushalt 2002 wird trotz der zwangsläufigen Mehrausgaben im Rahmen des Sicherheitskonzepts und des Wohngeldes nur eine Steigerungsrate von 0,7 % ausweisen. Einsparungen in den benötigten Höhen - etwa 100 Millionen € - sind, so meine ich, im Haushalt derzeit weder konjunkturpolitisch sinnvoll noch im Landeshaushalt realisierbar. Pauschale Forderungen nach erneuten Kürzungen der Förderprogram

(Minister Claus Möller)

me ohne „Butter bei die Fische“ helfen uns nicht weiter, meine Herren von der Opposition!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der FDP)

Ich möchte wissen, was die Opposition heute Morgen schon wieder den Imkern zugesagt hat, auch wenn es dort nur um einen marginalen Betrag geht. Die CDU hat gesagt, sie wird auf ihrer Klausur Vorschläge erarbeiten. Ich habe das gehört. Wir sehen dem mit Spannung entgegen. Kommen Sie aber bitte nicht wieder mit pauschalen Beträgen, die in den Förderprogrammen möglich sein sollen. Bei LSE und der Dorferneuerung sind Sie die Ersten, die höhere Förderungsquoten fordern.

(Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Minister! - Ich möchte um etwas mehr Ruhe bitten. Wer immer etwas zu sagen hat, kann das gern später in einem Kurzbeitrag tun.

Kommen Sie auch nicht erneut mit alten Hüten wie LEG oder der obskuren Idee, die GMSH zu verkaufen.

Eine stärkere Erhöhung der Nettoneuverschuldung 2002 kommt bei uns schon aus Verfassungsgründen kaum in Betracht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was heißt hier kaum?)

Da sind wir in guter Gesellschaft mit Hessen und anderen Ländern. Passen Sie auf, wie die Haushalte anderer Länder aussehen!

Für die mittelfristige Planung aber ist es notwendig, die Nettokreditaufnahme angesichts der fortzuschreitenden Steuerausfälle moderat anzuheben. Die Landesregierung schlägt vor, Steuerausfälle in Höhe von 100 Millionen € 2002 durch Vermögensveräußerungen auszugleichen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Räumungsver- kauf! - Heiterkeit bei CDU und FDP)

- Kümmern Sie sich einmal um Ihr Panikorchester! Damit haben Sie genug zu tun.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Geplant ist eine bis zu 5-prozentige Veräußerung von Landesbankanteilen, eingebettet in ein strategisches Gesamtkonzept.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo ist das strate- gische Gesamtkonzept, Herr Möller?)

- Ruhig Blut!

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

Unser vorrangiges Interesse besteht darin, diese 5 % in Schleswig-Holstein oder in Hamburg zu platzieren.

(Martin Kayenburg [CDU]: Hervorragend!)

Wir werden dabei darauf achten, dass einerseits die Unabhängigkeit der Investitionsbank erhalten bleibt und dass andererseits die Landesbank und der Finanzplatz Kiel in keinem Fall geschwächt werden. Ich darf Ihnen dazu aus den Verhandlungen der letzten Woche Folgendes sagen:

Erstens. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass eine Einigung über die Frage der Haftvergütung zwischen der WestLB und der EU nicht zustande kommt und dass frühestens in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres mit einem erstinstanzlichen Urteil des EuGH zu rechnen ist.