Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterbrechen an dieser Stelle die Haushaltsberatungen. Wir treten in die Mittagspause ein. Wir werden die Sitzung um 15 Uhr mit der Rede der Ministerpräsidentin fortsetzen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:21 bis 15:02 Uhr)

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich begrüße zunächst auf der Tribüne die Besuchergruppe der Kommunalpolitischen Vereinigung Schleswig-Holstein aus Großenaspe. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir fahren mit der Beratung unter dem Tagesordnungspunkt 6, Haushaltsbegleitgesetz 2000, fort. Ich erteile der Ministerpräsidentin, Frau Heide Simonis, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Kubicki hat heute Morgen an die Regierung die Frage gestellt, ob wir zugestimmt oder zur Kenntnis genommen hätten, dass Bußgelder, die gegen Mitarbeiter verhängt wurden, von den Sparkassen oder der Landesbank gezahlt worden sind. Es geht um die Bußgelder, die im Zusammenhang mit steuerlichen Untersuchungen verhängt worden sind. Abgesehen davon, dass das eine Frage ist, die das Parlament als Kontrollgremium stellen soll, Herr Abgeordneter, hat mich nur geärgert, dass Sie das in einem Ton getan haben, der unterstellte, wir hätten es getan, ohne abzuwarten, was ich hier dazu zu sagen habe.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war eine öf- fentliche Erklärung!)

Ich erkläre für die Landesregierung erstens, dass Herr Finanzminister Möller und ich weder in unserer Eigenschaft als Verwaltungsratsmitglieder noch als Mitglieder der Gewährträgerversammlung von solchen Vorgängen Kenntnis genommen oder ihnen sogar zugestimmt haben.

Zweitens haben Herr Möller und ich bei der Gewährträgersitzung dem Vorstand erklärt, dass wir von ihm eine Erklärung erwarten, die klarstellt, dass Mitarbeiter, die wegen steuerlicher Vergehen belangt worden sind, nicht in der Bank arbeiten können.

Drittens hat mich der Innenminister gebeten, Ihnen mitzuteilen, er habe gegenüber der Stadt in ihrer Rolle als Verwaltungsaufsichtsgremium für die Sparkasse Bedenken geäußert. Er hat auf eine Entscheidung des BGH verwiesen, in der deutlich wird, dass das Bezahlen von Bußgeldern für Mitarbeiter nicht dem Geschäftszweck dient. Er hat angeboten - ich glaube, das wussten Sie schon -, dass er Ihnen im Innen- und Rechtsausschuss dazu Rede und Antwort stehen wird. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es sich um ein schwebendes Verfahren handelt, zu dem die Regierung keine weiteren Stellungnahmen mehr abgeben möchte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit Jahren stehen wir vor den Herausforderungen der Globalisierung, die gekennzeichnet ist durch eine vor allem in den USA gepflegte Zurückhaltung des Staates aus dem allgemeinen Wirtschaftsgeschehen und das Hinnehmen der damit verbundenen Folgen. Sie stellen dagegen immer die Frage an die Landesregierung, was wir regional oder branchenmäßig tun, um die Weltwirtschaft wieder auf die Beine zu stellen. Ihren Reden

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

heute Morgen habe ich entnommen, dass wir an allem schuld sind, an der Lage in Schleswig-Holstein und an der in der Welt sowieso. Herr Oppositionsführer, bei dem Eifer, mit dem Sie uns das nachweisen wollten, haben Sie heute Morgen sogar eine Ihrer großen Prinzipien gleich mit über Bord gehen lassen. Normalerweise sind Sie immer derjenige der sagt: privatisieren, outsourcen und anders machen, als wir das bisher organisiert haben! Als ein besonders verabscheuungswürdiges Beispiel unseres Handelns haben Sie genannt, dass wir die Landeskrankenhäuser in eine Anstalt umgewandelt haben, dass wir dasselbe mit den Universitätskliniken machen wollen und dass wir die Bewirtschaftung unserer Grundstücke von der GMSH vornehmen lassen. Es wird nicht mehr nach Kameralistik, sondern nach Bilanzgesichtspunkten vorgegangen und die Kostenträger und Kosten sind klar zugeordnet. Am Ende haben Sie dann ein Steuerungselement, von dem ich immer gedacht habe, dafür würden Sie uns loben. Stattdessen haben wir heute Morgen Prügel für eine ausgesprochen vernünftige Sache bekommen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mich wundert, dass Sie es immer noch witzig finden, die Gesundheitsinitiative, die ich gestartet habe und die in diesem Land hervorragend angekommen ist, lächerlich zu machen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Man muss sich ja selber loben, wenn es die anderen nicht tun.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das müsste Ihre Fraktion machen!)

- Die haben mich heute Morgen gelobt, aber man kann nie genug von Lob bekommen!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gesundheitsinitiative ist eine strukturelle Antwort, mit der wir vor Ort Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verknüpfen, verschiedenste technische Bereiche miteinander verknüpfen, die Profilbildung des Landes vertiefen und dadurch zu einer Qualifizierung von Arbeitskräften kommen wollen. Das bringt Wertschöpfung in unser Land. Deshalb ist es eine richtige Initiative und sie wird irgendwann auch Sie überzeugen. Das werden Sie dann eines Tages zugeben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Im Übrigen entspricht diese Art Politik zu machen durchaus der Forderung des Leiters des Instituts für Weltwirtschaft, Professor Siebert, der vor einigen Tagen den Vorwurf erhoben hat, die Politik sei viel zu sehr auf konjunktive Maßnahmen fixiert, statt auf strukturelle Änderungen zu setzen. Hier gibt es eine strukturelle Antwort, die ich Ihnen aber noch nicht habe erklären können oder die Sie nicht verstehen wollen.

(Lothar Hay [SPD]: Letzteres!)

Ihre Vorwürfe verstehe ich jedenfalls auf keinen Fall. Für diese Initiative haben wir im Übrigen von der Weltgesundheitsorganisation beste Noten bekommen. Professor Grönemeyer von der Universität Witten/Herdecke sprach von einem tollen Start, von dem das ganze Bundesgebiet lernen könne.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Knapp 200.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sind bereits im Gesundheitsmarkt beschäftigt. Das ist einer unserer größten Wertschöpfungsbereiche. 5 % der europäischen medizintechnischen Produkte werden in unserem Land hergestellt und wir stellen keineswegs 5 % der Bevölkerung.

Aber auch in anderen Bereichen gibt es schöne Ergebnisse. Schleswig-Holstein hat seine Finanzkraft vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 von 91,9 % auf 95,1 % im Vergleich zu anderen Bundesländern steigern können. Die negative Folge ist, dass wir 304 Millionen DM zurück in den Länderfinanzausgleich zahlen müssen. Das darf aber auf keinen Fall als Begründung dafür herhalten, den Vorwurf von Ihnen, Herr Oppositionsführer, dass in diesem Land alles bergab ginge, in irgendeiner Form zu stützen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Das geht nicht mehr, wir sind ganz unten!)

In Schleswig-Holstein wurden in diesem Jahr bereits über 4.000 neue Betriebe gegründet. Damit stehen wir an zweiter Stelle nach Hamburg, aber immer noch vor Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und NordrheinWestfalen.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, ja, ja. Selbst wenn Sie gegenrechnen, dass manche Firmen leider Gottes auch wieder vom Markt verschwinden, liegen wir beim Nettoeffekt immer noch vor Baden-Württemberg und mit Bayern gleich auf. Das zeigt, der Standort Schleswig-Holstein ist attraktiv. Der Standort Schleswig-Holstein hat Zukunft. Die Menschen arbeiten gern hier. Sie haben mitnichten die Ängste, die Sie glauben, die sie haben müssten, son

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

dern sie sind bereit, in diesem Land für sich etwas zu unternehmen und damit auch Arbeitsplätze für das Land zur Verfügung zu stellen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Unser Land - die, die schon einmal mit mir gereist sind, wissen das - genießt größte Wertschätzung im Ausland. Schön, dass Sie nach China reisen. Sie werden sich wundern, was die Ihnen alles Nettes über unser Land erzählen. Es ist tröstlich, dass die Klagelieder, die Sie heute Morgen hier angestimmt haben, im Ausland nicht wahrgenommen werden. Im Gegenteil, wir haben die Ostseekooperation energisch vorangetrieben. Wir alle wissen, dass sie eine unserer größten Chancen ist. Unsere internationalen Kontakte zum Beispiel nach China, Japan, in die USA oder in den arabischen Raum zahlen sich inzwischen aus. Man kann die betroffenen Firmen fragen. Wir setzen dort gewichtige Akzente für unsere Exportwirtschaft. Schon heute liegen uns viele Anfragen aus Nordafrika und südamerikanischen Ländern nach Windenergieanlagen vor. Das sind Chancen, die wir uns erarbeitet haben, das sind Chancen, die Arbeitsplätze sichern und unsere Exportwirtschaft stärken. Das wurde uns übrigens nicht geschenkt, sondern es sind die Leistungen der Betriebe, der Beschäftigten und der Landesregierung, die damit belohnt wurden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Sie werfen uns vor, es ginge im Lande nicht voran. Ich kann Ihnen da nicht zustimmen - das tut mir sehr Leid -, denn wir setzen starke positive Impulse und stellen fest, dass darauf reagiert wird. Erst vor 14 Tagen wurde in Neumünster der Grundstein für ein Logistik- und Innovationszentrum gelegt. Der Multimedia- Campus in Kiel und der InnovationsCampus in Lübeck sind ein starkes Stück Zukunft, übrigens das erste Stück Zukunft, das auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik gemacht wurde. Das ist doch nicht Stillstand, sondern das ist Nach-vorneGehen, indem wir strukturell, regional und technisch Bereiche aufarbeiten, die uns die Zukunft sichern helfen sollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe - zu meiner großen Verblüffung - heute Morgen von Herrn Kubicki gehört, dass es einen Notstand an der Westküste gibt. Da muss Ihnen etwas entgangen sein.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war ein Zitat aus der Regierungserklärung von Björn Eng- holm!)

- Dass Sie das heute Morgen zitiert haben, Herr Kubicki, hat mich sehr gewundert; denn das, was Herr Engholm seinerzeit gesagt hat, war keineswegs ein Qualitätsnachweis für die Vorgängerregierung.

(Beifall bei der SPD)

Ob die zitierten Ausführungen 1:1 übertragen werden können, wage ich zu bezweifeln. Aber wir haben jetzt Gott sei Dank alle noch einmal zur Kenntnis genommen, dass Herr Kubicki der Meinung ist, Herr Engholm habe Recht gehabt, als er damals der Vorgängerregierung bescheinigt hat, sie habe Mist gebaut.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt auch!)

Wir haben inzwischen 38 Millionen DM für 33 neue regionale Infrastrukturprojekte bewilligt. Dadurch werden Investitionen von rund 78 Millionen DM ausgelöst. Die Westküste wird am stärksten von dieser Tranche profitieren. In den letzten zwei Monaten haben wir für strukturschwache Regionen mehr als 307 Millionen DM aus dem Regionalprogramm 2000 zur Verfügung gestellt.

Dahinter steckt die Idee vom gewollten Wandel in diesem Land und das Heranziehen der Regionen, die es etwas schwieriger haben als beispielsweise die Regionen, die um den Hamburger Rand herum liegen.

Ich möchte noch einmal auf die Windenergie zurückkommen. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, dass man etwas, das man vor die Nase gehalten bekommt, nicht sieht, wenn man es nicht sehen will. Wir haben da rund 56 Millionen DM hineingesteckt. Heute stehen im Land 2.189 Anlagen. Das ist einer unser Exportschlager. Wir diskutieren jetzt darüber, ob wir es in den nächsten Jahren schaffen, etwa die Hälfte unseres Strombedarfs durch Windenergie zu decken. Das ist ein wirklich gutes Beispiel.