Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Ich möchte noch einmal auf die Windenergie zurückkommen. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, dass man etwas, das man vor die Nase gehalten bekommt, nicht sieht, wenn man es nicht sehen will. Wir haben da rund 56 Millionen DM hineingesteckt. Heute stehen im Land 2.189 Anlagen. Das ist einer unser Exportschlager. Wir diskutieren jetzt darüber, ob wir es in den nächsten Jahren schaffen, etwa die Hälfte unseres Strombedarfs durch Windenergie zu decken. Das ist ein wirklich gutes Beispiel.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es zeigt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie machbar ist, ohne dass wir kalte Füße bekommen. Es beweist, dass mit einer neuen Technologie in der Zwischenzeit fast 4.000 Arbeitsplätze gesichert werden können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Da allein schon diese drei Beispiele überzeugend sind, halte ich es auch für richtig, dass die BertelsmannStiftung in ihrem 2001 veröffentlichten Vergleich der Bundesländer feststellt, dass in Schleswig-Holstein entscheidende Fortschritte bei der Modernisierung

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

des Landes gemacht worden sind. Das ist gut. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Die sitzen auch weit weg!)

Es hat mir Spaß gemacht, heute Morgen zu hören, welch ungeheuer großen Einfluss ich auf die Welt habe. Wider besseres Wissen wollen Sie den Menschen weismachen, die allgemeine wirtschaftliche Schwäche in der Welt und natürlich auch die Folgen bei uns wären einzig und allein der schleswigholsteinischen Landesregierung in die Schuhe zu schieben. Natürlich, meine Herren Kubicki und Kayenburg, hört die gesamte Welt auf mich. Das glauben Sie ja wohl selbst nicht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist auch gut so!)

- Danke! - Richtig ist, dass die Wachstumsraten in Deutschland in den letzten Jahren immer unter dem EU-Durchschnitt gelegen haben. Das ist übrigens seit zehn Jahren so. Geht Ihnen angesichts dieses Zeitraumes ein Licht auf? Das sind die Folgen der Wiedervereinigung; das wird uns von allen Sachverständigen bestätigt. Das ist schmerzlich und das tut weh. Es fließt viel Geld dort hinein. Aber es ist ein normaler, natürlicher Prozess infolge der Wiedervereinigung zweier sehr unterschiedlich entwickelter Staaten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Konjunkturpropheten in Europa, in den USA und bei uns haben sich in diesem Jahr gründlich verrechnet. Es ist ärgerlich, wenn man dauernd Anpassungen vornehmen und einen Nachtragshaushalt machen muss. Damit ist sehr viel Arbeit verbunden. Die Prognosen lagen immer falsch. Nur ein Institut lag richtig, leider damals und jetzt Gott sei Dank, nämlich das Institut für Weltwirtschaft. Das Institut hat jetzt erste positive Konjunkturdaten herausgegeben, die ein Silberstreifen am Horizont sind. Es hat das Signal gegeben, die Talsohle der Konjunktur sei durchschritten. Das ist gut; denn das bedeutet, dass die Politik der ruhigen Hand nichts mit Kaputtsparen zu tun hat, sondern dass sie etwas damit zu tun hat, dass man die Nerven nicht verliert und sich genau anschaut, was denn eigentlich in der Wirtschaft passiert.

(Zuruf von der CDU: Genau! - Unruhe)

- Störe ich Sie?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir haben eine Steuerreform auf den Weg gebracht, mit der jährlich ein Entlastungseffekt von 45 Milliarden DM erreicht wird. Ein weiteres Vorziehen der Steuerreform würde bedeuten, dass Bund, Länder und Gemeinden mit weiteren Mindereinnahmen fertig werden müssten. Wie Sie das bei Ihrem Rechenbeispiel auch noch unterbringen, habe ich kaum verstanden. Herr Hentschel hat es durchschaut.

(Lachen bei CDU und FDP)

Aber ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe immer gedacht, Sie würden wenigstens halbwegs seriös rechnen. Dass man so daneben liegen kann und das auch noch als etwas Seriöses verkauft, hätte ich Ihnen nicht zugetraut.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nehmen wir einmal ein Konjunkturprogramm. Die zehn am höchsten bewerteten DAX-Unternehmen in Deutschland wollen etwa 80.000 Menschen entlassen. Dazu gehören Banken, Versicherungen, IT-Firmen und so weiter. Dagegen wollen Sie mit einem Konjunkturprogramm für Fahrradwege angehen? Das kann doch nicht wahr sein, so schön Fahrradwege auch sind. Aber die Deutsche Bank wird doch nicht einen Menschen weniger entlassen, wenn wir hier ein Fahrradwegeprogramm auflegen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sagen ja auch die ganze Zeit, dass wir kein Fahrradwege- programm brauchen! - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Johann Wadephul [CDU])

- Unsinn! Am Fahrradwegeprogramm in SchleswigHolstein geht doch die Deutsche Bank nicht zugrunde. Das glauben Sie doch selbst nicht, Herr Wadephul. Das kann doch wohl nicht angehen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offensichtlich ist Schleswig-Holstein einfach Spitze. Was immer wir auch machen - die anderen bekommen sofort einen Grippeanfall, wenn wir ein Hüsterchen haben. Das habe ich den Zwischenrufen entnommen.

Die Antwort der Opposition auf die schwierige Situation, dass man durch eine konjunkturelle und strukturelle Delle durch muss, ist jedes Mal, entweder die Landesbank oder die LEG beziehungsweise die LEG oder die Landesbank - je nachdem, was Sie gerade zuerst erwischen - zu verkaufen. Es ist bei Ihnen in all den Jahren nicht angekommen, dass diese beiden Instrumente für die regionale Weiterentwicklung unseres Landes und unserer Wirtschaft unersetzlich sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Luxemburg!)

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Es sind die Sparkassen und die Landesbank, die sich für unser Land verantwortlich fühlen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein Sozialhilfeempfänger eröffnet doch nicht bei den privaten Geschäftsbanken ein Konto. Firmengründer bekommen von den privaten Geschäftsbanken kaum eine Hilfe für die Firmengründung. Die LEG bevorratet Grund und Boden für regionale Entwicklungen im Lande. Dieses sind die beiden wichtigsten Instrumente, um in einem Land nach vorn zu kommen, um Arbeitsplätze zu schaffen, neue Betriebe zu gründen und neue Technologien einzuführen. Ausgerechnet das wollen Sie abschneiden und verkaufen.

Im Übrigen haben wir - das sage ich Ihnen zum hunderttausendsten Mal - weder die LEG noch die Landesbank unter Wert verkauft. Sie haben doch gebibbert, dass ich aus Düsseldorf mit einem Preis zurückkommen würde, von dem ich gesagt habe, dass wir ihn ungefähr hinbekämen. Sie haben gesagt, dass ich das nicht schaffen würde. Sie hatten die Sektflaschen doch schon geöffnet. Als ich dann mit dem Preis zurückgekommen bin, haben Sie lange Gesichter gemacht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lesen Sie einmal die Reden nach, die ich dazu gehalten habe!)

- Herr Kubicki, Sie haben Recht. Ich würde Ihnen Unrecht tun, wenn ich Ihnen sagen würde, Sie hätten die Sektflasche vorher geöffnet und anschließend wieder zugemacht. Die anderen aber haben es versucht und haben gemerkt, dass man einen Korken niemals wieder in eine Sektflasche hineinbekommt. Wir haben damals zu einem guten Preis verkauft.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Haushaltssituation ist schwierig; das geben Sie ja auch alle zu. Das ist auch gar nicht das Problem. Wenn wir andere Lösungen hätten, dann würden wir diese verfolgen. Aber ich weiß nicht, wo unser Haushalt heute stünde, wenn wir Ihren Wünschen nach weiteren Steuersenkungen und nach Familiengeld nachgekommen wären.

(Zuruf von der CDU: Besser!)

- Nein! Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie einen Konsolidierungshaushalt vorzulegen hätten, dann würden Sie noch im Liegen umfallen. Dies sage ich in Anbetracht dessen, was Sie den Leuten draußen im Lande alles versprechen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Einen Vorwurf, Herr Kubicki, den Sie immer erheben, möchte ich zurückweisen. Der Länderfinanzausgleich ist keine Ländersozialhilfe. Es sind 40 Jahre lang Mittel von Nordrhein-Westfalen nach Bayern gezahlt worden, ohne dass Nordrhein-Westfalen einen Pieps gesagt hätte. Auch Hamburg hat an andere Länder Mittel im Rahmen des Länderfinanzausgleichs gezahlt, ohne auch nur einen Pieps zu sagen. Es ist ein Instrument, um den Aufbau Ost weiterzuentwickeln. Gäbe es den Länderfinanzausgleich nicht, so gäbe es bei uns in der Republik ein Hauen und Stechen. Es ist für die fünf neuen Länder ohnehin sehr schwierig und die Migrationsbewegungen sind geradezu erschreckend.

Der Vorwurf, dass wir aufgrund verminderter Steuereinnahmen die Investitionen zurückfahren würden, trifft so auch nicht zu. Die Summe der Investitionsausgaben beläuft sich im Jahre 2001 auf rund 759 Millionen €. Sie wird im nächsten Jahr bei 725 Millionen € liegen. Da ist ein Rückgang zu verzeichnen. Gleichzeitig aber werden durch die LEG, die Investitionsbank, die Landesbank, die GMSH, die Technologietransfer-Zentrale und die Energie- und Technologiestiftung Investitionen hervorgerufen. Das muss man fairerweise intellektuell zusammenziehen, damit es ein richtiges Gesamtbild ergibt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Viel ist heute Morgen über die Landesbank gesagt worden. Mir macht die Landesbank Freude. Sie hat ihre Bilanzsumme vervielfacht. Wir können heute die innere Stärke, die diese Bank dadurch gewonnen hat, dass wir uns mit der WestLB und der SüdwestLB zusammengetan haben, in einem Moment mobilisieren, in dem wir es brauchen, was ich für völlig richtig halte. Jeder Anteilseigner guckt sich an, ob er das da stehen lässt oder an einer anderen Stelle, wo er das Geld braucht, einsetzt. Es wäre verrückt, es nicht dort einzusetzen. Dann müssten tatsächlich die Investitionen zurückgehen. Das wollen wir nicht. Was wir wollen, ist, dass uns die Landesbank hier oben erhalten bleibt, dass es ein sicheres Finanzierungssystem wird und dass vor allem Kiel die Musik angibt, mit Hamburg zusammen, in einem fairen Interessenausgleich, dass aber nicht die Handelskammer in Hamburg entscheidet, wo der Sitz dieser Bank ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das ist im Übrigen genau der Grund dafür, weswegen ich gegen einen Nordstaat bin. So, wie die das einen über die Zeitung „Welt am Sonntag“ rüberdonnern, möchte ich nicht behandelt werden und möchte ich

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

dieses Land nicht behandelt haben. Wir sind genauso viel wert wie Hamburg. Entweder wir tun uns zusammen und machen eine vernünftige gemeinsame Politik oder es wird nichts. Ich lasse mich jedenfalls nicht herumkommandieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir halten trotz der schwierigen Konjunktur- und Finanzlage an unserem Ziel fest, die Nettokreditaufnahme bis zum Jahr 2008 auf null zu bringen. Das erreichen wir nur durch strengste Ausgabendisziplin. Dieses Ziel muss man sich setzen, denn sonst weiß man nicht, wofür man sich anstrengt. Wir schaffen dieses Ziel mit einem Haushalt, den wir Ihnen vorlegen, indem wir an unseren Kernaufgaben festhalten, wie ich Sie in meiner Regierungserklärung nannte: Arbeit, Bildung und Innovation.

Ein Haushalt mit äußerster Selbstbeschränkung muss einerseits in die zukunftsichernden Aufgaben wie Bildung und Forschung investieren und andererseits alle anderen Ausgabenbereiche auf den Prüfstand stellen, allerdings auch Bildung und Forschung; auch hier muss auf Effizienz geachtet werden. Der Bildungshaushalt nimmt nämlich 22,1 % vom Gesamthaushalt ein. Das ist kein Pappenstiel. Deswegen betrachte auch ich die Ergebnisse der internationalen Studie PISA so wie alle anderen mit großer Sorge. Wir müssen reagieren und können nicht hoffen, dass sich das von alleine in vier Jahren zurechtläuft, und zwar müssen wir schnell anfangen zu diskutieren, möglichst gemeinsam. Das wäre sehr schön.

Die Begründung, wie wir sie jetzt aus Bayern hören, das schlechte Ergebnis sei auf die ausländischen Schüler zurückzuführen, ist erstens dumm und zweitens abenteuerlich. Es stimmt schlichtweg nicht. In der Tat haben es Kinder von ausländischen Eltern, die kein Deutsch gelernt haben, schwer in unserem Bildungssystem, aber sie sind nicht allein diejenigen, die den Durchschnitt absenken, das bringen die deutschen Schulkinder genauso zurande wie die ausländischen Schulkinder.