Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Die Begründung, wie wir sie jetzt aus Bayern hören, das schlechte Ergebnis sei auf die ausländischen Schüler zurückzuführen, ist erstens dumm und zweitens abenteuerlich. Es stimmt schlichtweg nicht. In der Tat haben es Kinder von ausländischen Eltern, die kein Deutsch gelernt haben, schwer in unserem Bildungssystem, aber sie sind nicht allein diejenigen, die den Durchschnitt absenken, das bringen die deutschen Schulkinder genauso zurande wie die ausländischen Schulkinder.

Deswegen müssen wir auf PISA mit vielen Hebeln und Formaten reagieren. Das betrifft die Inhalte des Unterrichts, die Lernmethoden, die Ausbildung der Lehrkräfte und die Organisationsformen. Wir müssen fragen, welche Rolle in Zukunft Leistung spielen soll. Da gebe ich zu, dass wir uns der Frage lange genug nur ausweichend gestellt haben. Sortieren wir unsere Kinder zu früh aus oder in irgendein Schulsystem ein? Brauchen wir mehr Ganztagsschulen? - Schon werden die Antworten, obwohl es vorher geheißen hat, dass wir gemeinsam etwas machen müssen, sehr differen

ziert. Die platte Formel „mehr Geld, mehr Lehrer“ verkennt die Situation.

(Beifall bei Ursula Kähler [SPD])

Länder, die besser abschneiden als wir, geben durchaus nicht mehr Geld für Bildung aus, aber sie haben Wettbewerb in den Schulen und für die Kinder in diesen Ländern macht Lernen noch Spaß, weil Leistung abgefragt wird und Leistung honoriert wird,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

aber es wird nicht aussortiert. - Sie haben heute Morgen bei Frau Spoorendonk nicht zugehört, man bleibt nicht sitzen, man kriegt keine Noten, die einen fürs Leben kennzeichnen nach dem Motto: einmal eine 6, immer eine 6, sondern es ist ein System zwischen Lernenden und Lehrenden, das deutlich anders ist als das System, das wir in der Bundesrepublik haben.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW] - Klaus Schlie [CDU]: Seit wann regieren Sie eigentlich?)

Deswegen werde ich Anfang kommenden Jahres eine Expertenrunde einladen, darunter auch Vertreter der Kirche, mit der die Bildungsministerin und ich die nächsten Schritte diskutieren. Was wir nämlich nicht wollen, ist die Rolle, die Japan hat: Nummer 1 in dieser Bewertung sein, aber todunglückliche Kinder

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

und im Übrigen eine wirtschaftliche Performance, die weiß Gott nicht überzeugend ist. Bimsen, Auswendiglernen ist offensichtlich auch nicht die richtige Antwort für eine moderne Wirtschaft. Deswegen müssen wir uns über ganz andere Dinge unterhalten.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Eine Bemerkung zum Arbeitsmarkt! Der erste Arbeitsmarkt hat für uns zwar erste Priorität, aber er macht uns im Moment Sorgen. Die Entwicklung ist mitnichten zufrieden stellend: Rund 117.000 Arbeitslose in Schleswig-Holstein sind 117.000 zu viel. Deswegen bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine Toppaufgabe unserer Zeit. Trotz Ihrer Bemerkung heute Morgen möchte ich doch noch einmal an die Unternehmen in Schleswig-Holstein appellieren. Ich habe vor 14 Tagen in der Zeitung gelesen, dass sich HDW - gleich da drüben -, eine Werft, der es im Moment relativ gut geht, die froh ist über ihren Auslastungsgrad, darüber beklagt, dass sie keine Ingenieure hat und sie sich mit einem Shuttledienst wöchentlich aus Schweden holt. Das ist schön für die Schweden

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

und es ist schön für die Werft, aber es ist für den Arbeitsmarkt nicht gut. Wer zu schnell entlässt, ohne nachzudenken, wie er seine Strategie ausrichten wird, der verliert gute Facharbeiter. Wer nicht qualifiziert, hat keine guten Facharbeiter.

(Martin Kayenburg [CDU]: Die sind einfach nicht am Markt!)

Das heißt, wer nicht investiert, investiert auch nicht in seine Zukunft.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich bleibe dabei: Wenn die im DAX am höchsten notierten Unternehmen die meisten Entlassungen vornehmen, ist bei uns im Lande etwas nicht Ordnung.

Nach wie vor bleibt „Arbeit für Schleswig-Holstein 2000“ für uns das arbeitsmarktpolitische Flaggschiff. Die Förderzahlen beweisen, dass dieses Programm erfolgreich ist. In den bisher knapp zwei Jahren Laufzeit sind mit 65 Millionen € Landes- und ESFMitteln mehr als 18.000 Menschen gefördert worden. Im kommenden Jahr werden insgesamt rund 48,5 Millionen € für Maßnahmen dieses Programmes bereitstehen. Hier können wir eine ganze Menge tun, um Unternehmern auch ein bisschen Arbeit abzunehmen, was Qualifizierung und Fortbildung angeht.

Was wir von dem neuen Job-Aqtiv-Gesetz erwarten, sind die notwendige Fexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt und weitere Impulse für den Arbeitsmarkt. Da kann man nur die Wirtschaft lobend erwähnen, die neue Wege geht, zum Beispiel das VW-Modell oder andere in unserem Land, wo sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor Ort einigen, was das Beste ist, um den Betrieb über eine schwierige Zeit hinwegzukriegen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

So stelle ich mir gemeinsames Handeln in Unternehmen vor, indem der eine genauso ernst genommen wird wie der andere und dafür zum Dank auch bereit ist, einmal ein Stück auf ein paar erkämpfte Rechte zu verzichten, die er in dem Moment zurückbekommt, in dem der Laden wieder läuft. Wir haben das. Die Landesregierung hat dort geholfen, indem wir bei der Arbeitszeit Genehmigungen gegeben haben, die uns bei den Gewerkschaften durchaus Ärger eingebracht haben.

Nicht nur in Zeiten knapper Kassen setzen wir auf Kooperation und Kreativität. Das klappt. Wir geben dazu hervorragende Anstöße. Sie haben versucht, mit Ihrer Großen Anfrage zu beweisen, dass das Ehrenamt in Schleswig-Holstein am Boden liege. Tut mir Leid! Herausgekommen ist zu unserer eigenen

Verblüffung, dass wir an der Stelle wirklich prima sind. 700.000 Menschen arbeiten in SchleswigHolstein in mehr als 14.000 Vereinen ehrenamtlich. Sie packen Dinge an, für die sie nichts bekommen, die aber notwendig sind, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Aktion, die wir durchgeführt haben, die Aktion: „Ich mach mich stark für uns in SchleswigHolstein“, hat noch einmal neue Motivation gegeben. Das war eine gute Veranstaltung. Sehr viele vor Ort, Abgeordnete, Kreistage, Gemeinden, haben begriffen, was für eine Hilfe sie in diesen ehrenamtlich tätigen Menschen haben, die dazu beitragen, dass das Leben in den Kommunen und bei uns im Land lebenswert ist.

Dieser Zusammenhalt in unserer Gesellschaft dient auch unserer Minderheitenpolitik. Sie soll den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht nur stärken, sondern auch darauf hinweisen, dass das Anderssein der Minderheit etwas ist, was unser Leben bereichert, und nichts, was unser Leben bedroht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir haben klare Vorstellungen von der Zukunft unseres Landes. Wir schaffen es, mit diesem Haushalt gleichzeitig konsequent zu sparen und trotzdem Entwicklungsmöglichkeiten unseres Landes voranzutreiben. Heute Morgen hat der Oppositionsführer gesagt, es sei Zeit zum Wechsel. Das habe ich so verstanden, dass Sie an die Führung wollen. Ich muss Ihnen sagen: Wer Führung will, muss erst einmal seine eigenen Reihen in Ordnung bringen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Wie sieht es bei der CDU denn im Moment aus? Das hat uns Herr Wadephul schön vorgeführt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich finde das po- sitiv!)

Erst wird eine angehende Bundestagsabgeordnete diffamiert. Dann schlägt man sich in die Büsche. Zwischendurch demontiert man noch ganz schnell den eigenen Fraktionsvorsitzenden und jetzt ist auch noch die Quote im Eimer. Alles Führungsstärke! Und Ihre Parteivorsitzende, Frau Merkel, wollen Sie auch nicht haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich finde das pri- ma!)

Allein diese K-Posse zeigt: Sie dürfen nicht regieren! Das wäre nicht gut.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Ich sehe zu unserer Politik keine Alternativen, aber ich habe von der von mir aus gesehen rechten Seite Signale bekommen, dass man bei schwierigen Fragen mit der Regierung und den Regierungsfraktionen enger zusammenarbeiten möchte. Wenn das nicht wieder der Austausch dessen ist, was wir alle schon kennen, würde ich mich freuen, wenn es in den wichtigen Fragen wie PISA und anderen zu einer Zusammenarbeit käme. Das wäre zum Wohl unserer Kinder und unserer Gesellschaft insgesamt.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter Neugebauer hat jetzt das Wort.

(Unruhe)

Die Wortmeldung wurde zurückgezogen. - Herr Abgeordneter Wiegard hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede der Ministerpräsidentin hat mich an die Rede vor 364 Tagen erinnert. Da war der Jubel noch etwas ausgeprägter als heute. Heute war das schon ein bisschen verhalten.

(Zurufe von der SPD)

Das hat allerdings nichts daran geändert, dass der Haushalt, den Sie damals als grundsolide, stabil und sozial gerecht bezeichnet haben, schon nach 14 Tagen in weiten Teilen Makulatur war und wenige Monate danach eingesammelt werden musste, weil mal wieder die Voraussetzungen nicht gestimmt haben. Ich denke, das wird uns auch in diesem Jahr ereilen.

Herr Minister Möller, Sie haben gestern die Gesamtstrategie für die Entwicklung der Landesbank vorgestellt. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Auf Norddeutsch habe ich Ihnen das schon einmal gesagt: Ich hör Ihnen immer gern zu, aber glauben tue ich Ihnen kein Wort.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das Problem bei dieser Gesamtstrategie ist, dass sie im Prinzip richtig ist. Sie hätten dafür kein Honorar von 400.000 DM ausgeben müssen, weil mein Kollege Sager, der vorhin bereits lobend erwähnt wurde, Ihnen im letzten Jahr eben diesen Vorschlag gemacht hat, das Förderinstitut Investitionsbank herauszulösen und die Geschäftsbank in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wir sind, was diese Vorschläge anbetrifft, einer Meinung. Sie haben nur das Problem, dass Sie die langfristige Strategie für die Entwicklung der Landesbank nicht mit der langfristigen Strategie der Finanzen des Landes Schleswig-Holstein verbunden haben. Da steckt die eigentliche Sorge. Die Finanzlage des Landes Schleswig-Holstein ist in der Rede der Ministerpräsidentin immerhin mit einem Halbsatz erwähnt worden, in dem sie sagte, dass die Aussichten nicht so ganz rosig seien.

Sie haben in diesem Haushalt, den Sie uns vorgelegt haben, wieder insgesamt knapp 170 Millionen DM Verkaufserlöse enthalten, weil Sie den Verkauf von Vermögenswerten des Landes brauchen, um Ihren Haushalt auszugleichen. Wir können das gleich durchdeklinieren. An keiner Stelle machen Sie irgendeinen Ansatz aufzuzeigen, mit welcher Strategie Sie in den künftigen Jahren auf diese Frage eine Antwort geben wollen. Wenn Sie jetzt ein Fünftel der Landesanteile an der Landesbank verkaufen, um das Haushaltsloch 2002 zu decken, das Sie bis jetzt erkennbar haben, dann haben Sie sozusagen noch vier Schüsse frei, um in den zukünftigen Jahren das Gleiche zu tun. Sonst müssten Sie heute einen Ansatz machen, um für die Zukunft dauerhaft irgendwelche Aufwendungen zu senken. Wir haben Ihnen dazu übrigens die Hand gereicht. Da ist nichts zu erkennen, denn die Aufwandsseite Ihres Haushaltsentwurfs zeigt genau dasselbe, was Sie in den letzten Jahren aufgezeigt haben, nämlich: Sie steigern die Aufwendungen für die Verwaltung Ihrer Politik und Sie haben für die eigentliche Politik nicht mehr genügend Geld.

(Beifall bei CDU und FDP)