Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Die Kirche hat keinen rechtlichen Anspruch auf den Ausgleich. Auch der Hinweis auf andere Bundesländer gibt der Kirche keinen solchen Anspruch. Die deutsche Verfassung legt unmissverständlich fest, dass die Kirchensteuer in den Ländern unterschiedlich geregelt werden kann, und wir wissen auch, dass sie unterschiedlich geregelt wird, jedenfalls was die Kirchensteuersätze angeht.

Sehr deutlich wird das auch in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände, in der die einschlägige Kommentarlage dargestellt worden ist. Ich empfehle wirklich, das noch einmal nachzulesen.

Die Ministerin behauptet immer noch, dass dem Land keine Kosten entstünden. Auch das ist nachweislich falsch. Schleswig-Holstein verliert 42 Millionen DM Steuereinnahmen. Belegt ist dies im Schreiben des Finanzministers vom 1. November dieses Jahres, das mit Umdruck 15/1558 vorliegt.

Ich will eines sagen, Kollege Neugebauer: Ich könnte mich in dieser Frage Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer zugunsten oder zulasten der Kirchen und Schaffung eines Ausgleichs dann mit Ihnen verständigen, wenn wir umgekehrt bei Steuererhöhungen auch nicht zu einer Erhöhung des Kirchensteueraufkommens beitragen würden, wie es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das heißt, früher haben die Kirchen an Steuererhöhungen teilgenommen, die gar nicht für sie gedacht waren, ohne dass jemand auf die Idee

(Wolfgang Kubicki)

gekommen ist, die Bemessungsgrundlage zu ihren Lasten zu verändern.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Angesichts der Finanzlage des Landes, Kollege Neugebauer, wundert es mich schon: Für die Kirchen verzichtet man auf 42 Millionen DM. Das ist übrigens ungefähr der Betrag, den Rot-Grün gestern den Blinden gestrichen hat. Ich sage das nur einmal, um deutlich zu machen, dass uns Parlamentariern die Entscheidung abverlangt wird, weil man - aus welchen Gründen auch immer - die Kirche davor bewahren will, ihren Mitgliedern zu erklären, warum sie nun anders zur Kasse gebeten werden sollen als bisher.

Laut Gesetzentwurf gibt es keine Alternativen. Das ist schon wieder falsch. Es gibt mindestens zwei weitere Möglichkeiten, das Loch in den Kirchenkassen zu schließen. Erstens. Die Kirchen könnten Mitgliedsbeiträge erheben. Nirgendwo steht geschrieben, dass sie sich durch Kirchensteuern finanzieren müssen.

(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens. Die Sätze für die Kirchensteuer könnten angehoben werden. Hierzu sagte Dr. Zeitler, ein Vertreter der Evangelischen Kirche Deutschlands, in einer Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages:

„Es gab die Befürchtungen, dass dann die Schlagzeilen folgen: ‘Die Kirchen heben die Kirchensteuer an!’ Das war der wesentliche, ausschlaggebende Punkt zu sagen, dass das im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der richtige Weg ist.“

Herr Kollege Neugebauer, ich bin Mitglied der evangelischen Kirche. Ich zahle meine Kirchensteuer. Ich zahle sie auch gern. Ich arbeite seit langem in einem Kirchenvorstand. Ich bin aber dagegen, dass sich die Kirchen auch in diesem Punkt aus der Verantwortung stehlen und die Folgen wieder der politischen Klasse aufbürden wollen.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

In diesem Zusammenhang - darauf weise ich ausdrücklich hin - ist ein Beitrag aus dem „Spiegel“ vom 3. Dezember 2001, Seite 56 ff., interessant, wonach jetzt wissenschaftlich belegt ist, dass die deutschen Kirchen die reichsten Unternehmer des Landes sind, Vermögen netto: 981 Milliarden DM. Auch hier bieten sich sicherlich zusätzliche Einnahmequellen an.

Es gibt also Alternativen, sie sind den Kirchen anscheinend nur zu transparent und für die offene Gesellschaft so nicht hinnehmbar. Die Kirchen haben Angst, ihre Mitglieder würden sich gegen offenen Beitragserhöhungen wehren oder austreten. Das kann aber kein sachlicher Grund dafür sein, dass die Ministerin diese Alternative dem Parlament nicht offen legt. Warum sind diese Alternativen nicht genannt worden?

Vielleicht liegt der Grund auch hier: Am 30. März 2001 hat die Ministerin das 7. Kirchensteueränderungsgesetz der Nordelbischen Kirche vom 3. Februar 2001 genehmigt, das rückwirkend zum 1. Januar 2001 in Kraft trat. Dort wird in Artikel 1 Nr. 1 b) das vorweggenommen, worüber wir heute eigentlich erst beschließen sollen. Folglich hat das Ministerium ohne Ermächtigungsgrundlage gehandelt. Das ist, Frau Ministerin - das sage ich, ohne dass das ein persönlicher Angriff ist -, ein Verfassungsbruch.

(Beifall bei FDP und CDU)

Übrigens ist die Anweisung des Finanzministers an die OFD ebenfalls ein Verfassungsbruch. Es gibt dazu eine einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die ausdrücklich belegt, dass die Finanzämter ohne eine entsprechende gesetzliche Grundlage nicht angewiesen werden dürfen, sich entsprechend zu verhalten.

(Klaus Schlie [CDU]: Zwei Verfassungsbrü- che!)

Folglich - auch dies ist den beteiligten Ministerien bekannt gewesen - fragen wir uns natürlich: Was ist der Hintergrund?

(Glocke des Präsidenten)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin immer begeistert, dass bei mir bei null geklingelt wird, während bei anderen etwas später geklingelt wird. Das muss an mir liegen.

(Heiterkeit - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das?)

- Weil der Kollege Hentschel immer darauf hinweist, dass er nur noch eine Sekunde hat.

Versuchen Sie, sich auf den letzten Satz zu konzentrieren.

Ich will den letzten Satz noch fertig sagen. Wir sollten in diesem Zusammenhang wirklich einmal darüber nachdenken, ob es so sinnvoll sein kann und darf, dass beispielsweise unser Finanzminister Mitglied des Hauptausschusses der kirchlichen Synode und damit auch gleichzeitig zuständig für die kirchlichen Finanzen ist. In diesem Zusammenhang kann er unter Umständen in einen Interessengegensatz geraten, der nicht so ganz glücklich ist.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wieso spricht Karl-Martin nicht dazu?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, es tut mir tatsächlich Leid, dass Sie das Gefühl haben, in diesem hohen Haus nie angemessen zu Wort zu kommen. Ich glaube, dass wir alle uns im nächsten Jahr bessern werden.

(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Zu den Problemen des Gesetzes! Das erste Problem Herr Kubicki hat das sehr deutlich angesprochen - ist die Frage, warum eigentlich die Kirche über die Kirchensteuer ihre Mitgliedsbeiträge einsammelt. Ich hielte es für besser, wenn wir eine klare Trennung hätten, wenn jeder, der in der Kirche ist, direkt an die Kirche zahlt und dies nicht über Steuern und Steuergesetzgebung läuft.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Das gäbe auch eine andere Klarheit, eine andere Entscheidungsmöglichkeit und vielleicht auch wieder eine direktere Verbindung derjenigen, die in der Kirche sind, zu der Kirche selbst.

Nun haben wir dieses vermischte System. Im Bundestag haben sich alle Fraktionen dafür entschieden, den Ländern diesen Weg der Kirchengesetzänderung einheitlich vorzuschlagen. Die anderen Länder werden dies alles umsetzen. Wir wollen in Schleswig-Holstein an dieser Stelle keinen Sonderweg gehen.

Natürlich können wir hier im Landtag im Rahmen der Gesetzgebung etwas anderes machen. Aber dann hätte man das auf Bundesebene politisch anders diskutieren müssen. Deshalb sage ich auch in Richtung FDP: Es

ist heute keine Zwangsveranstaltung, dies nachvollziehen zu müssen,

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Aber?)

aber wir vollziehen das, was politisch auf Bundesebene alle wollten, auch die FDP. Das muss man an dieser Stelle auch sagen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das kann doch nicht wahr sein!)

Das zweite Problem, das wir an dieser Stelle haben, ist die CDU. Die CDU hat starke innerparteiliche Probleme

(Zurufe von der CDU: Quatsch! - Thorsten Geißler [CDU]: Nein!)

bei der Diskussion der Kirchensteuer. Das Gesetz ist Anfang September eingebracht worden. Bis Mitte Dezember hatte die CDU noch keine klare Orientierung, ob und wie sie sich entscheiden wollte. Da gab es keine Meinung. Es wurde heiß diskutiert.

(Zuruf von der CDU)

- Natürlich wurde es heiß diskutiert. Ihr ehemaliger Finanzminister hat einen Brief geschrieben, der auch verumdruckt worden ist. Wenn das, was er geschrieben hat, stimmt, dürfte die CDU diesem Gesetz heute nicht zustimmen. Insofern frage ich Sie: Wenn Sie so große Bedenken haben, meine Damen und Herren von der CDU, warum stimmen Sie heute zu? Auch diese Frage muss hier beantwortet werden.

Das dritte Problem, das in der Diskussion deutlich geworden ist, ist das der Konnexität.

(Wortmeldung des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

- Herr Wiegard, Sie haben das Wort!

(Glocke des Präsidenten)