Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

Ich erteile Herrn Abgeordneten Graf Kerssenbrock das Wort.

Schönen Dank, dass Sie alle so aufmerksam sind! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Müller, eigentlich müssten wir Ihnen dankbar sein, dankbar für die Offenheit, mit der Sie endlich eingeräumt haben, welchen Wählerbetrug Sie tatsächlich vorhaben.

(Beifall bei der CDU)

Erinnern wir uns einmal: Ihr Möchtegern-Autokanzler - er ist ja auch Ihr Kanzler; Sie haben ihn gewählt hat im Wahlkampf 1998 gesagt: Einmalig eine Mineralölsteuererhöhung von 6 Pfennig! Zuvor hatten die Grünen auf ihrem Bundesparteitag in Magdeburg gesagt: 5 DM Benzinpreis! Dazu würden wir im Übrigen gern auch von Ihnen heute eine ganz konkrete Äußerung hören.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: In zehn Jahren!)

Das haben Sie dann aus Angst vor dem Wählerzorn wieder einkassiert. Dann sind Sie doch in die Regierung mit dem Möchtegern-Autokanzler gegangen; Sie sind dort als Umwelttiger gestartet und als machtversessener Bettvorleger schließlich gelandet.

Auch den Rentnern haben Sie damals versprochen: Es wird keine Einbußen geben; alles wird besser werden. Es wird keine Einschränkungen geben. Die Rentenreform der alten Regierung - das brauchen wir alles nicht! Die haben Sie dann ja auch gleich aufgehoben. Dann haben Sie die Wahl gewonnen und als erstes haben Sie die alte Rentenreform der Bundesregierung gekippt.

Dann haben Sie Abschied von der beitragsbezogenen Rente genommen und haben stattdessen eine Rente nach Kassenlage eingeführt. Die Kassenlage ist ja bekanntlich schlecht. Deshalb - und keineswegs aus irgendeinem ökologischen Motiv - haben Sie dann eine sogenannte Ökosteuer eingeführt, an der nur der Begriff „Steuer“ richtig ist.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt! - Beifall bei CDU und F.D.P.)

Seien wir ehrlich: Sie wollen abkassieren und tun das auch eifrig. Das hat auch der Kollege Garg eben schon ausgeführt. „Öko“ ist dabei eine für Sie typische Falschmünzerei.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie und Ihr Finanzminister, der „schmale Hans“ in Berlin, haben es offen gesagt: Sie haben keinerlei Interesse daran, dass die Deutschen wirklich weniger Auto fahren, denn Sie brauchen doch das Geld der Autofahrer für die von Ihnen selbst zu verantwortenden Löcher in der Haushaltskasse.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Im Übrigen zweigen Sie ja auch im Gesamthaushalt von der Ökosteuer kräftig etwas ab. Sie brauchen das Geld der Rentner, die von Beitragssenkungen überhaupt nichts haben, und Sie brauchen das Geld der Pendler, die netto tüchtig zahlen müssen. Dies alles brauchen Sie. Sie haben kein Interesse an irgendeinem Lenkungseffekt. Ihre angeblichen sozialen Wohltaten sind triefender Hohn und Ihr Problem ist: Die Rentner und die Pendler haben das inzwischen gemerkt.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie sollten einmal lesen, was der Landrat von Nordfriesland gerade heute zu diesem Thema hat öffentlich verlauten lassen.

(Lachen und Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kollegen,

(Zuruf von der CDU: Von 70 % hat er ge- sprochen!)

wenn Sie sich über die früheren Mineralölsteuererhöhungen der alten Regierung verbreiten - Herr Müller hat das ja getan -, dann frage ich: Haben Sie denn das Geld aus diesen früheren Steuererhöhungen zurückgegeben? Haben Sie die Steuern gesenkt?

(Hermann Benker [SPD]: Das ist doch ein Schmarren!)

Ihre Empörung ist doch pure Heuchelei.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist es!)

Sie betreiben weder eine seriöse Umwelt- und Energiepolitik, noch haben Sie überhaupt ihren Frieden mit der sozialen Marktwirtschaft wirklich geschlossen.

(Lachen und Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lars Harms [SSW]: Das ist wirklich das Allerstärkste!)

Tun Sie doch nicht so, als hätten Sie mit dem schwachen Euro nichts zu tun. Es ist die schwache Wirtschaftspolitik dieser Regierung, mangelndes Vertrau

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

en der Wirtschaft in die Reformfähigkeit dieser Regierung, die zum schwachen Euro geführt hat,

(Widerspruch und Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Beifall bei CDU und F.D.P.)

was selbstverständlich vorhersehbar war.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie mixen auch jeden Unsinn zusammen, der Ihnen einfällt!)

Wann immer Ihnen das Geld für Ihre vermeintlichen Wohltaten fehlt, greifen Sie zur Steuerschraube und ziehen Sie fester an. Sie schützen hehre Motive wie Umwelt und Ähnliches vor. Das machen Sie demnächst ja bei der Oberflächenwasserentnahme-Abgabe genauso; da wird wieder ein kalkulierter Ritt am Rande des Verfassungsbruchs geprobt werden.

(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Energiepolitik - Sie wollten ja die Energiepolitik diskutieren - wollen Sie trotz liberalisierten europäischen Energiemarktes den untauglichen dirigistischen Versuch unternehmen, Schleswig-Holstein zum Energie-Hochpreisland zu machen. Wissen Sie, Prohibition hat schon in den dreißiger Jahren in den USA nicht funktioniert; sie wird auch in der Energiepolitik nicht funktionieren.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Spendenaffäre ist beendet. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Lothar Hay [SPD]: Was?)

Die Betäubung, in der sich die öffentliche Meinung befunden hat, ist vorbei. Ihr Handeln steht endlich wieder auf dem Prüfstand.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! - Die Bürger nehmen das Ausmaß des Wahlbetruges von 1998 endlich wieder wahr. Herr Minister Müller hat hierzu einen wunderschönen Beitrag geleistet. Halten Sie ein mit Ihrer verfehlten Politik!

(Lebhafter Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Schröder das Wort.

(Dr. Ekkehard Klug [F.D.P.]: Ein schwerer Gang!)

Das ist keineswegs ein schwerer Gang! - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Wortbeiträge der Kollegen eingehen, die vor mir gesprochen haben.

Herr Stritzl, wenn Sie - auf Rot-Grün bezogen - sagen, dass das pure ideologische Auswirkungen seien, dann kann ich nur sagen: Ihr Beitrag war wirklich ein Stück purer Populismus, den Sie hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Dr. Garg dem Umweltminister zynisch sagt, er müsse doch froh darüber sein, dass die Ölmultis die Preisschraube so angezogen haben, dann wird dabei doch einfach vergessen: Das Geld, das durch das Anziehen der Preisschraube durch die Ölmultis erzielt wird, geht ins Ausland. Das Geld, das durch die Ökosteuer hereinkommt, kommt direkt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hier in Deutschland zu gute.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lothar Hay [SPD]: So ist es! - Widerspruch bei der CDU)

Sie sollten sich einmal Folgendes anhören:

„Unser Steuer- und Abgabensystem macht gerade das besonders teuer, wovon wir gegenwärtig im Überfluss haben: Arbeit. Dagegen ist das, woran wir sparen müssen, eher zu billig zu haben: Energie und Rohstoffeinsatz. Dieses Ungleichgewicht müssen wir wieder stärker ins Lot bringen, wenn wir unseren beiden Hauptzielen, mehr Beschäftigung und weniger Umweltbelastung, näher kommen wollen.“

Dies stammt keineswegs aus dem Wahlprogramm der Grünen oder der SPD; es ist ein Zitat aus dem so genannten Zukunftsprogramm der CDU für die Bundestagswahl 1998. Dann frage ich Sie, Graf Kerssenbrock: Wo liegt denn da der Wahlbetrug? Ist das nur Makulatur, was Sie in das Programm eingebracht haben, oder welche Bedeutung hat es?