Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

Dies stammt keineswegs aus dem Wahlprogramm der Grünen oder der SPD; es ist ein Zitat aus dem so genannten Zukunftsprogramm der CDU für die Bundestagswahl 1998. Dann frage ich Sie, Graf Kerssenbrock: Wo liegt denn da der Wahlbetrug? Ist das nur Makulatur, was Sie in das Programm eingebracht haben, oder welche Bedeutung hat es?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist hier schon ausgeführt worden, was Ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender, Herr Schäuble, zu diesem Thema gesagt hat. In seinem Buch „Und sie bewegt sich doch“ - meinte er da die Erde, oder muss man heutzutage fragen, ob er nur noch seine ehemalige Partei meinte, die sich in der Frage der Ökosteuerpolitik nur noch um ihre eigene Achse dreht?

(Bernd Schröder)

Wenn man dann einmal liest, was Frau Merkel gesagt hat - das kann man alles wunderbar nachlesen -, stellt man fest, dass sie als frühere Bundesumweltministerin höhere Benzinpreise für erforderlich gehalten hat. Sie hat erklärt, eine jährliche Anhebung um 5 Pfennig sei angemessen.

Wo bleibt denn diese Stimme heute? Sie hat sich für die Besteuerung von Flugbenzin eingesetzt und die Aussagen von Herrn Merz, Ihrem neuen Hoffnungsträger, sind ja ebenfalls schon erwähnt worden.

(Thomas Stritzl [CDU]: Sagen Sie einmal et- was zu dem Gesamtsteuersystem, das dahin- ter steht!)

Seit der verlorenen Bundestagswahl - das muss man Ihnen immer wieder vor Augen führen -, die Sie einfach noch nicht weggesteckt haben, versuchen Sie, nur durch das Schüren von Ängsten der Menschen in diesem Lande wieder zu Stimmen zu kommen. Mehr ist das nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Auch wenn das hier schon gesagt worden ist, ist es mir wichtig, das noch einmal anzusprechen: Das sind Kampagnen wie gegen den Doppelpass in Hessen oder „Kinder statt Inder“ in Nordrhein-Westfalen und, weil Sie nichts Neues haben, jetzt die Diskussion über die Ökosteuer.

(Lothar Hay [SPD]: Die Milchpreise kommen auch noch!)

Ich vermisse dabei Ihre Verantwortung aus den Jahren 1982 bis 1998. In Ihrer Zeit sind die Lohnnebenkosten von 34 % auf 42 % gestiegen. In Ihrer Zeit ist die Mineralölsteuer um 50 Pf gestiegen. In Ihrer Zeit ist der Beitrag zur Rentenversicherung von 17,5 % auf 20,3 % gestiegen. Kommen Sie nicht immer mit dem Argument, dass diese Kostensteigerungen ausschließlich durch die deutsche Einheit bedingt sind! Dahinter können Sie nicht alles verstecken.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Wir haben im Flächenland Schleswig-Holstein eine besondere Verantwortung. Das steht außer Frage.

(Frauke Tengler [CDU]: Eben!)

Die Ängste der Menschen in unserem Flächenland, gerade auch an der Westküste, kann ich voll verstehen. Wir werden über die Entfernungspauschale diskutieren müssen, aber es kann nicht so sein, wie Sie eben Ihren CDU-Landrat von der Westküste zitieren, der jetzt damit droht, dass ganze Landstriche leer gefegt

werden und alle Menschen in die Ballungsräume ziehen. Das ist doch völliger Blödsinn!

Welche Diskussion haben wir denn hier geführt, als es um die Polizisten im Hamburger Rand ging? Warum sind die denn darauf angewiesen, dass Sie wieder in die ländlichen Räume zurückfahren? - Weil die Lebenshaltungskosten in den Ballungsräumen so hoch sind, dass wir etwas dafür tun müssen, dass die Menschen dort, wo sie arbeiten, auch wohnen können. Sie wollen jetzt argumentativ in den Raum stellen, dass die 6 oder 12 Pfennig Ökosteuer dazu führen, dass die hohen Lebenshaltungskosten in den Ballungszentren ausgeglichen und noch übertroffen werden, dass die Menschen aus den Regionen in die Ballungsräume ziehen. Das ist doch völliger Blödsinn und unterstreicht, welchen Populismus Sie mit dieser Kampagne fahren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Schleswig-Holstein in Sachen ÖPNV und SPNV im Wettbewerb Erhebliches geleistet und wir haben das Umsteigepotential positiv beeinflusst. Das sind die Wege, die wir gehen müssen. Wir müssen uns auch mit den Busunternehmern zusammensetzen und darüber sprechen, welche Erkenntnisse wir aus dem ÖPNV-Tag, dem ÖPNV-Forum gewinnen, um auch ihre Sorgen zu berücksichtigen und sie bei einer Lösung zu unterstützen.

(Glocke des Präsidenten - Heinz Maurus [CDU]: Gehen Sie doch mal raus!)

Zusammengefasst richte ich den Appell an die CDU: Kehren Sie zur Sacharbeit zurück und übernehmen Sie auch Verantwortung für die Zukunft! Das erwarte ich von Ihnen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Heinz Maurus [CDU]: Re- den Sie mit den Leuten! - Zuruf der Abgeord- neten Roswitha Strauß [CDU])

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Kubicki.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Kubicki, fahr Bus oder Bahn!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin von der neuen Sachlichkeit des Umweltministers anlässlich der Debatte unglaublich beeindruckt. Herr

(Wolfgang Kubicki)

Steenblock - sehen Sie es mir nach -, mittlerweile sehne ich mich wirklich nach Ihnen zurück.

(Heiterkeit und Beifall bei F.D.P. und CDU)

Ich habe in der Vita des Umweltministers gelesen, dass er ausgebildeter Volkswirt sein soll. Schade, dass wir in den Fünf-Minuten-Beiträgen der Aktuellen Stunde nicht ausreichend Zeit haben, uns wirklich einmal mit den Problemen zu beschäftigen, vor denen eine hoch industrialisierte Volkswirtschaft steht.

Ich habe heute gelernt, dass die Rentenkonsensgespräche abgesagt werden können, die Herr Riester führt, weil die Rente wegen der Einführung der so genannten Ökosteuer jetzt sicher sei.

(Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

Warum unterhalten wir uns eigentlich weiter über die Rentenversicherung, wenn doch die Ökosteuer die Probleme der Beitragssatzstabilität bei wachsender Inanspruchnahme der Rentenversicherung künftig gelöst hat?

Ich habe gelernt, dass CDU und F.D.P. in den letzten Jahren - das war mir völlig neu, aber ich nehme das gern auf - die wirklich besseren Ökologen gewesen sind; denn sie haben - das sagen Sie ja immer wieder die Mineralölsteuer stärker erhöht, als Sie das gerade tun. Da das ja den ökologischen Lenkungseffekt ausmacht, müssen wir die besseren Ökologen gewesen sein als Sie.

(Heiterkeit und Beifall bei F.D.P. und CDU)

Und ich habe gelernt - auch das empfehle ich zur Weiterverwendung -, dass die Ministerpräsidenten Gabriel, Beck und Stolpe, die ja der Sozialdemokratie angehören, pure Populisten sind,

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

weil sie sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, was in ihren Flächenländern eigentlich passiert bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auspendeln müssen, die Arbeitsplätze nachgewiesen bekommen. Wir verlangen heute von Arbeitnehmern, die arbeitslos sind, dass sie Arbeitsstellen bis zu einer Entfernung von 100 km annehmen. Die Herren - das sind Sozialdemokraten! - erklären überall, dass es in ihren Ländern Probleme gibt. Jetzt habe ich gehört: Sie folgen nur der „Bild“-Zeitung, die Probleme sind gar nicht da, die Menschen haben gar keine Probleme, das wird Ihnen von der bösen Opposition nur eingeredet. Wahrscheinlich sind die schon alle Mitglied der CDU oder F.D.P. und haben das nur noch nicht bekannt gegeben.

Herr Umweltminister, wenn man sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen würde, würde man sich einige Bemerkungen wie die von Herrn Hentschel sparen.

Herr Hentschel, in der Ökonomie gibt es die Theorie der relativen Preise. Wenn Sie marktwirtschaftliche Lenkungsfunktionen ausüben wollen, müssen Sie den Menschen die Möglichkeit geben, bei einer Nachfrage, die Sie nicht ändern können, auf Produkte auszuweichen, die preiswerter sind als andere, weil sie umweltverträglicher sind als andere. Aber die Menschen müssen ausweichen können. Wenn Sie nicht ausweichen können, hat dieses System keinen Sinn für die Menschen. Das versuchen Sie dadurch zu erklären, dass Sie sagen: Wir müssen mehr für den ÖPNV tun, wir müssen möglicherweise neue Antriebssysteme entwikkeln, wir müssen das Drei-Liter-Auto produzieren, wie auch immer. Das finde ich alles ganz gut; nur momentan können die Leute nicht ausweichen, das heißt, Sie belasten die Menschen gegenwärtig, ohne dass sie außer sie verzichten aufs Fahren - ausweichen können.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das ist das erste Problem.

Das zweite Problem ist, dass Sie strukturelle Verwerfungen bekommen. Es sind nicht nur die Preise für den Sprit, die die Autofahrer belasten, es sind auch die Preise für den Sprit, die die Busunternehmen belasten, die ihrerseits auch die Preise erhöhen müssen. Sie verteuern auf diese Weise wiederum den öffentlichen Personennahverkehr,

(Beifall bei der F.D.P.)

was zu einem Problem bei der Frage der alternativen Nachfrage führt.

Dadurch erhöhen sich die Produktionskosten. Wir werden das demnächst beim schleswig-holsteinischen Landeshaushalt erleben. Die Fahrtkosten für die PKWs unserer Polizeibeamten werden steigen. Das müssen wir aus dem Landeshaushalt alimentieren, ohne dass wir eine Ausweichmöglichkeit haben, während der Bundesfinanzminister die Einnahmen aus der Ökosteuer- oder Mineralölsteuererhöhung für sich allein einzieht.

Ich frage mich - darüber werden wir noch debattieren, Kollege Hay -, durch welche Einsparmaßnahmen in welchen Bereichen Sie allein die Mehrbelastung durch die vielen tausend Fahrzeuge, die in SchleswigHolstein sinnvoll für die Landesregierung durch die Gegend fahren - die fahren ja nicht unsinnig durch die Gegend und schränken das nicht ein -, auffangen werden. Wenn Sie das leisten, müssen Sie den Leuten, die auf dem Lande wohnen, erklären, dass sie im Zweifel entweder nicht fahren und verzichten oder umsteigen sollen, ohne dass sie wissen, worauf.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Präsident, erlauben Sie mir zum Abschluss ein Zitat, weil das wirklich tugendhaft ist. Herr Müller, auch bei den Grünen gibt es Diskussionen über verschiedene neue Varianten. Ich habe von Ihren Finanzexperten gehört, dass die den Spitzensteuersatz deutlich weiter absenken wollen, als es die Sozialdemokraten gegenwärtig vorhaben. Ich höre da etwas von 35 %, von Frau Scheel, von Herrn Metzger. Das sind doch Leute aus Ihrer Fraktion.

(Konrad Nabel [SPD]: Quatsch!)

- Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln. Vielleicht lesen Sie das einfach einmal nach. Ich empfehle die Website Ihrer grünen Bundestagsfraktion auch für Sie, damit Sie auf dem neuesten Stand sind.