Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

(Beifall bei SPD, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Das ist eine Stärkung des ländlichen Raumes und das ist gut so.

Nun will ich aber auch zur CDU schauen und sagen: Sie sprechen von 15 Millionen € bis zum Programmablauf, sagen aber nicht, woher Sie das Geld nehmen wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen-Nissen [CDU])

- Nein, diese Glaubwürdigkeitslücke muss ich Ihnen aufzeigen. Sie können das Geld ja von Küstenschutz wegnehmen, Sie können es der allgemeinen oder einzelbetrieblichen Förderung entnehmen. Aber von alldem würden Sie es doch nicht nehmen.

Noch einmal mein Angebot: Wir informieren Sie im Ausschuss gern umfänglich über die Programmneugestaltung, die wir jetzt vornehmen müssen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg zueinander, bedanke mich und schenke Ihnen den Rest der Zeit.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch hier will ich bekannt geben: Die Restredezeit beträgt 2 Minuten 35 Sekunden. Herr Harms, im Vergleich zu allen anderen haben Sie am wenigsten Redezeit beansprucht.

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir nun zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU zum landwirtschaftli

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

chen Wirtschaftswegebau in der Drucksache 15/1511 in den zuständigen Agrarausschuss zu überweisen.

(Zurufe: Abschließende Beratung!)

- Wenn das vom Haus gewünscht wird, muss es entsprechend vereinbart werden. Wer also den Antrag zur abschließenden Beratung in den zuständigen Fachausschuss überweisen will, den darf ich um ein deutliches Handzeichen bitten. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Ich darf Ihnen den Respekt des Präsidiums übermitteln: Zehn Minuten der angemeldeten Redezeit sind nicht in Anspruch genommen worden. Das ist Ihrer Disziplin zu verdanken. - Guten Appetit!

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 13:05 bis 15:02 Uhr)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir treten nach einer „schmackhaften Mittagspause“ wieder in die Beratung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Bericht zur Biologischen Vielfalt (Biodiversität) in Schleswig-Holstein

Landtagsbeschluss vom 11. Mai 2001 Drucksache 15/913

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1323

Herr Minister? - Ich erteile hiermit zum Bericht der Landesregierung dem Umweltminister, Herrn Minister Müller, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Einen Bericht zur Biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein vorzulegen und im Einzelnen weitgehend fachlich anspruchsvolle Fragen fachlich sauber zu beantworten, war keine ganz leichte Aufgabe in der ursprünglich kurzen Zeit. Wir hätten mehr Zeit gehabt, wenn wir gewusst hätten, dass wir darüber erst im Januar diskutieren. Ich freue mich aber, dass sich mir die Gelegenheit bietet, über die vielfältigen und komplizierten Sachverhalte, denen wir in diesem Bereich gegenüberstehen, zu berichten.

Der nun vorliegende Bericht gliedert sich in vier Themengruppen: Erstens Stand der Erfassung und Bewertung der in Schleswig-Holstein heimischen Tierund Pflanzenarten; zweitens Tier- und Pflanzenarten,

die sich in freier Natur in Schleswig-Holstein vermehren, die aber nicht in Schleswig-Holstein heimisch waren; drittens Monitoring zur Beobachtung von Veränderungen im Artenbestand und der Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes und viertens Bewertung des Erfolges von Maßnahmen des hoheitlichen Naturschutzes, der Arbeit der Stiftung „Naturschutz“ und von Pflegemaßnahmen zum Erhalt kulturbezogener Biotope im Hinblick auf die Biodiversität in Schleswig-Holstein.

Die Darstellung des derzeitigen Standes der Erfassung der schleswig-holsteinischen Tier- und Pflanzenarten ist nahezu vollständig. Die bekannteren Tier- und Pflanzengruppen sind qualitativ befriedigend erfasst. Grund hierfür ist vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen behördlichem und ehrenamtlichem Naturschutz, insbesondere im Zusammenhang mit der Erstellung von so genannten Verbreitungsatlanten und der Rote-Liste-Arten. An dieser Stelle möchte ich allen Akteuren noch einmal ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW] sowie vereinzelt bei der SPD)

Der Bereich der Neozoen und Neophyten, also der Tier- und Pflanzenarten, die ursprünglich hier in Schleswig-Holstein nicht heimisch waren, ist in Mitteleuropa erst in jüngster Zeit Gegenstand breit angelegter Forschungsinteressen geworden. Derzeit wird in vielen Bereichen noch daran gearbeitet, die Aufstellung der nicht heimischen Arten überhaupt zu komplementieren. Fundierte Informationen, in welcher Form und vor allem wie nachhaltig sich Fremdlinge in unserem heimischen Ökosystem auswirken, liegen nur sehr lückenhaft vor. Der Grund hierfür liegt vor allen Dingen darin, dass wir in unserem Ökosystem keine einfachen Kausalketten, sondern außerordentlich vielschichtige Wirkungsgefüge vorfinden. Wir haben uns im Bericht deshalb bei der Darstellung dieser Arten und ihren Auswirkungen auf unsere heimischen Ökosysteme auf die wenigen bekannten Gruppen beschränken müssen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Monitoring ist zu sagen, dass wir uns in einer Zeit des Umbruchs befinden. Aufgrund internationaler und nationaler Verpflichtungen - als Beispiel sei hier die FFH-Richtlinie aufgeführt - sind wir gezwungen, für eine Reihe neuer Arten und vieler Lebensräume Dauerbeobachtungsprogramme aufzubauen.

Die Bewertung der Erfolge des Naturschutzes hinsichtlich der unterschiedlichen Instrumente ist ausgesprochen schwierig und konnte daher nur pauschal

(Minister Klaus Müller)

bearbeitet werden. Neben Erfolgen beim Schutz von Wasser- sowie Küsten- und Seevögeln, deren Ursachen sehr komplex sind, gibt es nach wie vor deutliche Defizite, insbesondere im Bereich der Ökosysteme, die stark vom Menschen beeinflusst und genutzt werden. Aber auch bei der ungünstigen Situation der Wiesenvögel ist bisher nicht eindeutig zu erkennen, ob unsere Managementmaßnahmen unzureichend sind - wir sie noch verstärken müssen - oder ob die Situation in südlichen Überwinterungsgebieten hauptverantwortlich für die Bestandsrückgänge ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die plötzliche Zunahme des Waldstorchenbestandes in den 30er-Jahren, die durch bessere Nahrungsbedingungen in Afrika ausgelöst worden ist. Zukünftig werden wir aber auf der Basis der Ergebnisse der geplanten Monitoring-Programme teilweise auch hier detaillierte Bilanzen liefern können.

Im Zusammenhang mit dem Bericht des Umweltministeriums möchte ich kurz auf die Biodiversitätskampagne des Bundesumweltministeriums hinweisen, an der wir uns beteiligen werden. Unterschiedliche Akteure, die für die biologische Vielfalt von Bedeutung sind, sollen die Kampagne tragen, indem sie eigenständige Maßnahmen unter dem gemeinsamen Slogan „Leben braucht Vielfalt“ und einem gemeinsamen Logo durchführen. Die Kampagne hat drei Hauptthemen: Zum ersten Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt, zweitens Nachhaltigkeit bei der Nutzung der biologischen Vielfalt und drittens gerechte Verteilung der Vorteile, die aus der Nutzung genetischer Ressourcen entstehen. Das Umweltministerium wird sich einbringen, indem es als Multiplikator wirkt und auf die Initiierung einer Teilnahme verschiedener Projektträger hinwirkt. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war schon alles? - Klaus Schlie [CDU]: Ich dachte, jetzt geht es erst richtig los!)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Christel Happach-Kasan.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, nach der Lektüre des Berichtes mochte ich es kaum noch glauben, dass ich Sie auf den Naturschutztagen im Jahr 2000 gehört hatte. Dort hatten Sie die Biodiversität zum zentralen Thema des 21. Jahrhunderts erklärt. Das merkt man bei der Lektüre des Berichtes wahrlich nicht.

(Beifall bei der FDP - Klaus Schlie [CDU]: Und bei seinem Vortrag auch nicht!)

- Bei dem Vortrag auch nicht, richtig! Mir scheint, der grüne Umweltminister ist nicht bereit, von der Opposition eingebrachte Berichtsanträge angemessen und sorgfältig bearbeiten zu lassen. Es bestand kein Grund zur Eile, denn wir haben keinen Termin genannt, zu dem der Bericht vorgelegt werden sollte.

Dass der Inhalt naturschutzfachlicher Berichte Ihnen fremd ist, ist Ihr Problem. Dass Sie jedoch Aufträge des Parlamentes in so eklatanter Weise missachten, zeigt ein bedenkliches Parlamentsverständnis.

(Beifall der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU] und Herlich Marie Todsen-Reese [CDU])

Für die Grünen ist die Demokratie nur noch ein Mittel zur Erlangung von Dienstwagen, sonst nichts. Ich empfehle die Lektüre der Landesverfassung, insbesondere des Artikels 12. Dort heißt es:

„Die parlamentarische Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie.“

(Konrad Nabel [SPD]: Normalerweise ja!)

- Normalerweise ja, danke! Das Land investiert in erheblichem Maß in den hoheitlichen Naturschutz. Dazu zählen der Verwaltungsaufwand zur Ausweisung von Schutzgebieten, der Ankauf von Flächen mit öffentlichen Geldern durch die Stiftung „Naturschutz“ und auch die Mittel, die den Naturschutzverbänden zur Betreuung der Schutzgebiete zur Verfügung gestellt werden. Im Haushalt 2002 sind dafür etwa 800.000 € vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund ist eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen in regelmäßigen Abständen nicht nur sinnvoll, sondern geradezu geboten. Ich zitiere: „Naturschutzpolitik muss nachprüfbarer werden“, so Sie selbst, Herr Minister Müller, auf den Naturschutztagen. Doch wenn es ernst wird, hat das Umweltministerium daran kein Interesse. Der Naturschutz darf sich nicht darauf beschränken, die Länge Roter Listen zu beweinen. Der Stellenwert des Naturschutzes in der Öffentlichkeit ist auch deshalb gesunken, weil zu viel über seine angebliche Erfolglosigkeit gejammert wurde, statt dass seine Erfolgsgeschichte herausgestellt wird. Die Umweltgesetzgebung des Bundes hat seit Beginn der 70er-Jahre eine drastische Minderung der Immissionsbelastung und in der Folge eine Erholung der Ökosysteme bewirkt. Das ging erfolgreich - ganz ohne Grüne. Davon zehren wir jetzt.

In der Schweiz werden seit 1996 Blaue Listen diskutiert, die die Roten-Listen-Arten benennen, deren Be

(Dr. Christel Happach-Kasan)

stand gesichert werden konnte. Für Schleswig-Holstein fällt dabei als Beispiel sofort der Kormoran ein, der entgegen der aktuellen Roten Liste aus dem Jahr 1995 wahrlich kein seltener Vogel ist. Dies ist ein Erfolg des Naturschutzes.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja!)

Vermutlich erinnern Sie sich nicht daran, dass Sie selbst, Herr Minister, die Erstellung Blauer Listen angesprochen haben, die jetzt im Bericht unter Vorschiebung finanzieller Gründe abgelehnt werden. Ein Armutszeugnis, Herr Minister!

Wir müssen ein Instrument finden, Naturschutz positiv und nicht weinerlich darzustellen. Dazu könnten Rote Listen einen Beitrag leisten.