Wir müssen ein Instrument finden, Naturschutz positiv und nicht weinerlich darzustellen. Dazu könnten Rote Listen einen Beitrag leisten.
Doch nun zu einzelnen Punkten. Der Bericht erwähnt zu Recht, dass Rote Listen in regelmäßigen Abständen überprüft werden sollten. Von 19 Listen sind 7 erst einmal erschienen. In den letzten zehn Jahren ist nur eine Liste einer Pflanzengruppe erneuert worden. Alle anderen stammen aus 1990 oder früher. Diese Konzentrierung des Ministeriums auf gefährdete Tierarten wird der ökologischen Bedeutung der Pflanzen als Primärproduzenten nicht gerecht. Genau das mahne ich an. Sie müssen diese Roten Listen auch entsprechend der ökologischen Bedeutung der einzelnen Tierund Pflanzenarten erstellen.
Was bedeutet im Übrigen „vor dem Hintergrund des Leitartenbegriffs“ auf Seite 11? - Das ist Geblubber. Gesucht ist doch die Antwort auf die Frage: Für welche Lebensräume wurden konkret welche Leitarten ausgewählt und mit welcher Begründung? Die Auswahl von Leitarten nach dem Kriterium, dass alle Lebensräume von besonderer Bedeutung für den Naturschutz abgedeckt werden, ist wissenschaftlich fragwürdig. Die Neophyten- beziehungsweise Neozoenproblematik sollte speziell für Schleswig-Holstein im Hinblick auf ihre Beeinträchtigung der natürlichen Biodiversität diskutiert werden. Die Nennung von Artikel und Verordnungen hilft da überhaupt nicht weiter. Es geht um die konkrete Situation.
Zu Recht werden die Erfolge bei der Wiederansiedlung heimischer Fischarten dem Engagement ehrenamtlich tätiger Angler und Fischer zugesprochen. Ähnlich erfolgreich werden auch andere Arten
hilfsprogramme zum Beispiel von Jägern durchgeführt. Die Naturschutztage im vorletzten Jahr zeigten ein beeindruckendes Engagement verschiedenster Gruppen für den Artenschutz. Es fehlt aber bei einigen Naturschutzbehörden die Einsicht, dass der behördliche Naturschutz insbesondere dort gefordert ist, wo ein geringeres ehrenamtliches Engagement besteht, zum Beispiel bei der Erstellung Roter Listen von Pflanzen.
Herr Kollege Hentschel, auch Sie haben - glaube ich ein gewisses Defizit bei der Beherrschung der Frage der Biodiversität.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist von Ihrem Fraktionsvor- sitzenden, der Zettel verteilt, während Sie Reden halten! - Heiterkeit)
- Mein Fraktionsvorsitzender weiß mit Sicherheit ein bisschen mehr darüber. Das kann ich Ihnen versichern. Ich bin da hundertprozentig einer Meinung mit ihm. Ich werde gemeinsam mit ihm nach Berlin gehen, um dort eine bessere Naturschutzpolitik zu machen.
(Heiterkeit - Beifall bei FDP, CDU, SSW und vereinzelt bei der SPD - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Wildgänseausschuss!)
Es ist nicht Aufgabe des hauptamtlichen Naturschutzes, ehrenamtliche Naturschützer zu bevormunden oder übertreffen zu wollen.
Insgesamt fehlen Konzepte für eine wirksame Erfolgskontrolle von Naturschutzmaßnahmen bezogen auf den Artenschutz, die Fläche, den Erhalt und die Entwicklung einer standortgerechten Biodiversität. Es fällt auf, dass auch eine Menge früher vorhandenes Wissen nicht mehr genutzt wird. Es gibt in SchleswigHolstein hervorragende Untersuchungen, zum Beispiel Salemer Moor, im Abstand von 30 Jahren durchgeführt. Diese Konzepte könnten für eine bessere Erfolgskontrolle genutzt werden.
Zum Abschluss, Herr Minister! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Entweder wird das Umweltministerium von irgendwelchen Mitarbeitern geführt oder Sie blinken in Ihren Reden fröhlich in Richtung Naturschutz und treten ansonsten auf die Bremse. Anders ist der Widerspruch zwischen Ihren programmatischen Ankündigungen auf den ersten Naturschutztagen und den dürftigen Aussagen im Bericht zum selben Thema nicht zu erklären.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lasse es etwas ruhiger angehen. Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen dem Ministerium und dem Minister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den informativen Bericht zur biologischen Vielfalt herzlich danken.
Ich bedauere allerdings, dass im Bericht konkrete Ausführungen zum Lebensraumschutz, zum Biotopschutz fehlen. Dies ist aber auch nicht abgefragt worden.
(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört! - Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Das ist ein anderes Thema!)
Der Wichtigkeit dieses Aspekts wäre es jedoch angemessen gewesen und gerade für die südlichen Teile unseres Landes, die durch Straßentrassen zu kleinen und kleinsten Flächen zerschnitten sind, von größter Bedeutung.
Ich möchte in diesem Zusammenhang dem LNV ausdrücklich dafür danken, dass er seine diesjährige Jahreshauptversammlung dem Zusammenhang zwischen Zerschneidung und Biodiversität mit einer hohen Fachlichkeit gewidmet hat.
Wir müssen weiterhin feststellen, dass wir uns in den Naturschutzgebieten und im Stiftungsland, den Flächen der Stiftung „Naturschutz“ erst in den Anfängen des konkreten Monitorings befinden. Deshalb konnten die Aussagen im Bericht zur Erfolgsbewertung im Artenschutz nur relativ allgemein gehalten werden. Gleichzeitig wird aber klar, dass hier auch in Zukunft noch umfangreiche Arbeit geleistet werden muss.
Mit dem Bericht haben wir eine gute Grundlage für einen Teil der weiteren nötigen Debatte über den Er
halt der Biodiversität in unserem Land, wobei mir allerdings klar ist, dass sich trotz des Lobes der Kollegin Happach-Kasan für ihren Fraktionsvorsitzenden der mal wieder abgelenkt ist - leider nur wenige Mitglieder dieses hohen Hauses aufgrund der Komplexität des Themas und des nötigen Hintergrundwissens kompetent an dieser Debatte werden beteiligen können. Ich sage „leider“, denn eigentlich müsste der Erhalt der Vielfalt der Arten und Lebensräume ein zentrales Interesse aller Abgeordneten des Landtages sein. Selbst bei einer rein menschenzentrierten Betrachtungsweise der Vorgänge in unserer Umwelt bedeuten Artensterben und Verödung der Landschaft doch eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität der Menschen, vor allem aber bei der Ernährung und unter Klimaschutzgesichtspunkten.
Wissenschaftler sprechen seit Jahren von weltweitem Massensterben von Arten und Lebensräumen und sagen bis zum Ende dieses Jahrhunderts einen Verlust von bis zu zwei Dritteln der heute vorfindbaren Arten und Lebensräume voraus. Das Leben der Menschen auf unserem Planeten wird dadurch erheblich und unumkehrbar bedroht. Folgerichtig wurde auf der Umweltkonferenz von Rio im Jahr 1992 neben der weit bekannteren Agenda 21 auch die Konvention zur biologischen Vielfalt beschlossen.
Unter dem Begriff „biologische Vielfalt“ verstehen wir heute mehr als bloßen Artenschutz, Frau Kollegin Happach-Kasan. Er umfasst die verschiedensten Ebenen: von den Genen, den Populationen, den Lebensgemeinschaften, den Ökosystemen und den Landschaften bis hin zur Biosphäre insgesamt. Aspekte dieser Fragen habe ich in dem Fragenkatalog total vermisst, dementsprechend auch Antworten darauf im Bericht. Die biologische Vielfalt schließt nämlich alles Lebendige ein.
Die Konvention zur biologischen Vielfalt trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung aus ökologischen, genetischen, sozialen, wirtschaftlichen, erzieherischen, kulturellen und ästhetischen Gründen von hohem gesellschaftlichen Wert ist. Viele Güter und Dienstleistungen hängen unmittelbar von der Vielfalt biologischer Ressourcen ab. Deshalb muss der Schutz der biologischen Vielfalt als lebensnotwendige Grundlage für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung sowohl der Industrie- als auch der so genannten Entwicklungsländer genutzt werden.
Die Biodiversitäts-Konvention von Rio erklärt den Schutz der biologischen Vielfalt folgerichtig zur dauerhaften Aufgabe der gesamten Menschheit.
Unter Berücksichtigung dieser umfassenden Erkenntnisse ist es bedauerlich, dass wir uns heute vor allem eine Instrumentendebatte leisten und uns mehr über die Art und Weise der Erstellung Roter Listen - ich fürchte, bei Frau Todsen-Reese wird das noch mehr im Mittelpunkt stehen - als über nachhaltig wirkende Maßnahmen zur Rettung der Vielfalt von Arten und der Vielfalt von Lebensräumen streiten.
Dabei bietet sowohl der heute vorliegende Bericht des Umweltministeriums als auch das europäische Konzept NATURA 2000 durchaus Ansätze, über diese Instrumentendebatte hinaus zu Maßnahmen zu kommen, die einen Erhalt der Biodiversität, zumindest aber eine Verlangsamung der Artensterbens und der Verödung der Landschaft erreichen können.
Natürlich ist es wichtig, einheitliche Kriterien für die Erstellung Roter Listen anzuwenden. Aber wer die Publikationen des Bundesamtes für Naturschutz verfolgt, weiß, dass dies auf einem guten Weg ist. Auch die schleswig-holsteinischen Roten Listen werden diesen Kriterien nach und nach angepasst.
Über Neozoen und Neophyten, Exophyten oder Exozoen - wie der Herr Kubicki es ist - zu streiten, mag wissenschaftlich reizvoll sein, politisch bringt es uns aber überhaupt nicht weiter. Viel mehr würde erreicht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der rechten Seite des Hauses, wenn das europäische Konzept NATURA 2000 von allen hier im Haus als gemeinsame Grundlage für die weitere Arbeit bei der Erhaltung der Biodiversität anerkannt und im Land auch gegen regionale Widerstände argumentiert würde.
Damit müssten auch die daraus folgenden Monitoringund Kontrollpflichten und die wiederum daraus zu entwickelnden Maßnahmen anerkannt und finanziert werden. Ich freue mich trotzdem auf die weitere Beratung des Berichts im Ausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Bericht zur biologischen Vielfalt in SchleswigHolstein steht, denke ich, ein anspruchsvolles Thema auf der Tagesordnung. Im Gegensatz zu Ihnen, lieber Kollege Konrad Nabel, hätte ich mir gewünscht, das Ministerium hätte auf der Grundlage des Antrags der Kollegin Frau Dr. Happach-Kasan und der Fragen, die sie gestellt hat, einen umfassenderen Bericht gegeben, der mehr in die Tiefe geht, als es der Fall ist. Dazu hätten meiner Ansicht nach einige Fragen aus dem Antrag sehr wohl Gelegenheit gegeben. Zeit war in jedem Fall genug, nämlich von April 2001 bis zum Oktober oder sogar bis jetzt, bis zum Januar 2002.
Wenn ich dann noch berücksichtige, dass die Landesregierung in unterschiedlicher Farbschattierung - von Rot über Rot-Grün - 13 Jahre lange nicht nur die Chance, sondern meiner Ansicht nach auch die Pflicht hatte, sich dem Thema Biodiversität und Erhalt der biologischen Vielfalt intensiver zu widmen,
dann finde ich, dass der vorgelegte Bericht weder dem Thema des heutigen Tages noch der Arbeit der letzten 13 Jahre gerecht wird.