Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

Die Roten Listen sind ein Instrument der Erfassung und Kontrolle und liefern deswegen wichtige Informationen über die weiter zunehmende Gefährdung der Natur durch menschliche Nutzung. Mich überrascht es nicht, dass diese Gefährdung weiter zunimmt. Ich komme später noch darauf zurück.

Darüber hinaus ist es notwendig, eine Reihe internationaler Vereinbarungen umzusetzen, zum Beispiel die FFH-Richtlinien, die Rio-Konvention und die Ramsar-Konvention. Dazu ist es nötig, die Arbeit fortzuschreiben und das bisherige System weiter zu objektivieren.

Wünschenswert sind auch weitere Informationen in den Roten Listen, wie zum Beispiel die Aufnahme aller Arten einer systematischen Gruppe, wodurch die Listen - außer der Funktion als Rote Liste - auch die Funktion einer Controlling- oder Checkliste erhalten. Weiterhin sollen Angaben zur Biologie der Arten nämlich Lebensdauer und Fortpflanzungsperioden aufgenommen werden. Weitere Angaben wären noch Informationen zur Überwinterung und zum Ernährungstyp, sodass man besser nachverfolgen kann, wo eigentlich was passiert. Auch darauf hat Konrad Nabel schon hingewiesen.

Weiter fehlen uns Angaben zu Raumansprüchen. Auch die brauchen wir angesichts einer ungehemmt fortschreitenden Zersiedelung der Landschaft in den Ballungsräumen dringend. Dies gilt auch angesichts menschlicher Belastung der von uns an sich gewünschten Biotopverbundsysteme, die wir übrigens erheblich ausgeweitet haben. Auch notwendig sind Angaben zur weltweiten Verbreitung und der Verbreitung innerhalb Deutschlands, um das Verhältnis der Arten zueinander und ihre Gewohnheiten überprüfen zu können. Weiter notwendig sind Angaben zu weiteren Gefährdungsfaktoren, um wirklich eingreifen zu können.

Das alles und noch mehr - ich will mich jetzt kurz fassen - brauchen wir, damit wir aufgrund der Roten Listen wirklich die Entscheidungen treffen können, die notwendig sind, um im Artenschutz und im Schutz der Biodiversität weiterzukommen. Ich sage aber auch deutlich: Andere Instrumente kommen hinzu, über die

wir zum Teil schon diskutiert haben oder noch diskutieren werden.

Informationen haben uns in den letzten Tagen erreicht: Kommissar Fischler spricht von dem Wahnsinn der Fischereipolitik und macht uns darauf aufmerksam, dass jedes Schiff, das wir durch die EU subventionieren vor Afrika die letzten Fischgründe leerfischt, nicht nur Nahrungskonkurrent für die Menschen in Afrika ist, sondern auch unsere weltweiten Fischbestände dramatisch reduziert. Wenn das schon ein Herr Fischler erkennt, dann ist das für mich ein positives Zeichen. Das wird durch das, was wir in diesem Bericht finden, untermauert. Danach hatte Frau HappachKasan gefragt. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie eine Antwort gibt, aufgrund der ich dann so etwas beantworten kann.

Die Bedeutung der oben angesprochenen Naturbeobachtung ist so hoch, dass es zum Beispiel im Wattenmeer seit Jahrzehnten international abgestimmte Programme gibt, deren Datenreihen für Wissenschaftler im In- und Ausland von großer Bedeutung sind. Die Frage ist noch, wie man das mit dem von mir eben genannten Beispiel Fischler vernetzt. Ob wir uns in dieser Frage so schnell einig werden wie vorhin bei dem Schutz der anonymen Geburten, bezweifle ich sehr. Beide Male geht es aber um den Schutz von Leben.

Exemplarisch möchte ich hier die Untersuchungen an Wildgänsen auf der Hamburger Hallig nennen. Dort werden seit über zehn Jahren in der kalten Jahreszeit regelmäßig Woche für Woche Daten über die Nutzung der verschieden intensiv beweideten Salzwiesenbereiche durch rastende Nonnen- und Ringelgänse erhoben. Diese langen Datenreihen finden bei Gänseforschern im europäischen Ausland große Beachtung. Bemerkenswert ist, dass für fast alle gefährdeten Tier- und Pflanzenarten die praktischen Maßnahmen für die Förderung bekannt sind. Bei vielen Arten wurden sie jedoch nur sehr lokal oder noch nie angewandt. Deshalb sind - wie erwähnt - die Bestände im gesamten Untersuchungsgebiet immer noch abnehmend.

Ich komme nun kurz zu den Blauen Listen. Erfreulich ist für uns, dass sich am Beispiel der Schweiz zeigt, dass die Blauen Listen den Einsatz lohnen. Als Ergänzung zu den Roten Listen, die den alarmierenden Artenschwund dokumentieren, zeigt das neue Instrument der Blauen Liste Erfolge und konkrete Einsatzmöglichkeiten im Artenschutz auf. Es vermittelt also positive Informationen und kann dadurch hoffentlich vermehrt zum Schutz der Natur motivieren. Dem wollen wir uns gern stellen. Wir wollen uns auch gern der Forderung stellen, Artenhilfsprogramme zu entwikkeln, die zum Schutz bestimmter Lebensräume beitra

(Irene Fröhlich)

gen. So trägt das neue Nationalparkgesetz zum Erhalt und zum Schutz der im Wattenmeer vorkommenden Tierarten bei, auch wenn ich mir wünsche, dass es zum Beispiel bei den Nullnutzungszonen eine Ausweitung gibt.

Gerade die Diskussionen um die Verbesserung im Nationalpark und dabei insbesondere die Diskussionen um die Nullnutzungszonen haben gezeigt, wie schwer es ist, die Natur und ihre Artenvielfalt wirksam zu schützen. Soviel auch zu dem Missverhältnis zu Bericht und Konsequenz, das manchmal besteht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für unterschiedlich gefährdete Tier- und Pflanzenarten - beziehungsweise Artengemeinschaften werden seit Anfang der 80er-Jahre die so genannten Roten Listen aufgestellt, die schon vielfach zitiert worden sind. Nach und nach werden diese Listen erneuert und auf den aktuellsten Stand gebracht. So lassen sich in der Tat Bestandsentwicklungen einzelner Tier- und Pflanzenarten sehr gut nachvollziehen. So gesehen hat man ein Instrument geschaffen, das die Möglichkeit einer Erfolgs- oder Misserfolgskontrolle für Flora und Fauna - sowie ihrer Lebensräume - einräumt, auch wenn dies zugegebenermaßen manchmal etwas schwierig ist. Anhand des Vergleichs der Bestände auf den Roten Listen mit denen, die heute ermittelt werden, konnte zum Beispiel festgestellt werden, dass sich manche Vogelarten im Bestand langsam erholt haben. Sogar die noch Ende der 80er-Jahre stark gefährdeten Seehunde haben heute einen noch nie gekannten Stand erreicht.

Woran solche Veränderungen liegen, ist nicht immer eindeutig zu sagen. Bei mancher Art liegt es sicherlich daran, dass die Jagd entsprechend eingestellt wurde. Vielerorts ist es aber vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die entsprechenden Flächen unter Schutz gestellt wurden, was wir ausdrücklich begrüßen. Die Unterschutzstellung von Flächen ist die schärfste Waffe, die zum Schutz von Fauna und Flora eingesetzt werden kann.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Legt der Gesetzgeber eine Fläche fest und teilt diese in eine Schutzkategorie ein, so ist erst einmal die Grund

lage geschaffen, um seltene oder gefährdete Lebensräume zu erhalten oder wieder herzustellen. Voraussetzung hierfür ist allerdings auch, dass die Betreuung des Gebietes entsprechend sichergestellt wird. Das heißt für mich vor allem, dass man versucht, die Betreuung der Schutzgebiete vornehmlich durch dort ansässige Naturschutzvereine oder andere Organisationen vornehmen zu lassen. Auf diese Art und Weise würde man die regional vorhandene Kompetenz maximal ausnutzen, was im Interesse der Natur und der Menschen vor Ort wäre.

Die zweite Säule, auf die man sich im Streben nach der Verbesserung der biologischen Vielfalt stützen sollte, ist der Vertragsnaturschutz. Auch hier bietet sich die Zusammenarbeit mit den Menschen und Organisationen vor Ort an, die aufgrund ihrer Erfahrungen über eine hohe Fachkenntnis verfügen. Gleichwohl müssen solche vertraglich fixierten Naturschutzmaßnahmen wissenschaftlich begleitet werden. Beides, die Unterschutzstellung und der Vertragsnaturschutz, müssen im Rahmen einer landesweiten Planung erfolgen, was ja auch geschieht. Hier verweise ich zum Beispiel auf die schon mehrfach zitierte Biotopkartierung.

Erst als dritte Säule - wenn nichts anderes geht kommt für mich der Ankauf der Flächen infrage. Im Bericht wird der Ankauf von Flächen, insbesondere durch die Stiftung „Naturschutz“, als Erfolg an sich angesprochen. Dies mag im Einzelfall richtig sein, allerdings muss eine Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden vor Ort nicht nur die preiswertere Lösung sein, sondern sie stellt auch die von der Bevölkerung akzeptiertere Lösung dar. Der Ankauf von Flächen ist nur das letzte Mittel, wenn nichts anderes mehr geht, und dann auch adäquat.

(Beifall bei der FDP)

Worum es mir dabei vor allem geht, ist die Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen im Land. Im Bericht wird deutlich gemacht, dass viele Tier- und Pflanzenarten akut gefährdet sind. Wenn man will, dass die biologische Vielfalt weiter erhalten und ausgebaut wird, braucht man einen flächenhaften Ansatz. Flächenhafter Naturschutz ohne Rückhalt in der breiten Bevölkerung ist aber kaum durchsetzbar. Daher stelle ich noch einmal fest, dass die Bevölkerung noch besser aktiv in die Naturschutzmaßnahmen eingebunden werden muss.

(Helmut Plüschau [SPD]: Alle auf die Schul- bank!)

Ich möchte auf ein besonderes Problem aufmerksam machen, das mittelbar mit dem vorliegenden Bericht zu tun hat. Im Bericht wird auch auf eingebürgerte

(Lars Harms)

Arten eingegangen. Natürlich empfinden wir viele dieser Arten inzwischen als heimisch. So wissen wir von einigen dieser Arten, dass sie in unserem Ökosystem nicht schaden und sie sich auch nicht übermäßig ausbreiten. Es gibt jedoch auch die andere Seite dieser Artenvielfalt. Es gibt Arten, die sich nicht nur rasend schnell ausbreiten, sondern auch schwerste Schäden in der Landschaft verursachen. Ich spreche hier natürlich vom Bisam. In diesem Zusammenhang möchte ich nur ein Zitat, das auf Seite 28 steht, ansprechen:

„Wichtig ist, die Ausbreitungsherde zu kennen, zu beobachten und überschaubar zu halten.“

Dies wünschen wir uns auch in Bezug auf den Bisam an der Westküste und hoffen natürlich, dass die Landesregierung in Zukunft hier eine Lösung bereithält.

Abschließend muss ich sagen, dass der Bericht eine gute Basis zur politischen Diskussion ist, die ich bei der Diskussion heute manchmal vermisst habe.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe versucht, unsere politische Haltung deutlich zu machen, und hoffe, dass wir uns im Ausschuss mehr über die Ziele und Maßnahmen als über die reine Statistik unterhalten.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Konrad Nabel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich knüpfe nahtlos an das an, was Lars Harms gesagt hat: Es geht um die Frage, ob wir weiter Erbsenzählerei betreiben oder über politische Grundsätze und deren Umsetzung reden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Frau Todsen-Reese - ich will mich nicht aufregen, wenn Sie etwas erzählen -, es hat mich schon sehr gewundert, dass Sie hier die Biotopkartierung in Grund und Boden reden

(Widerspruch bei der CDU)

und gar nicht merken, wie viel da in den letzten Jahren entwickelt hat. Das ist an Ihnen offensichtlich vorbeigegangen.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Es wä- re schön gewesen, wenn Sie mir mal zugehört hätten!)

Wir haben mit den geographischen Informationssystemen ein hoch effektives System entwickelt, die dafür sorgen, dass die Biotopkartierung heute auf hohem Level durchgeführt wird.

Was mich ebenfalls befremdet, ist, dass politische Grundsätze bei Ihnen das eine sind und wahrscheinlich abgehoben von dem, was man im Kleinen tut. Sie haben doch es bekämpft, als wir im Landschaftsprogramm über politische Grundsätze diskutiert haben, beispielsweise über den Biotopverbund.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie haben es doch nicht wahrgenommen, Sie haben es bekämpft, als wir im Nationalparkgesetz diese Grundsätze niedergelegt haben, die der Erhaltung der Biodiversität und der Nachhaltigkeit Rechnung tragen. Sie bekämpfen noch heute unser Landesnaturschutzgesetz, das Mitte der 90er-Jahre exemplarisch gut diese Grundsätze in politisches Handeln dieser Landesregierung umsetzt. Das ist tägliches Handeln, das Sie einfordern. Es ist richtig, dass Sie es einfordern, bloß Sie nehmen es im Ergebnis nicht wahr. Das stört mich maßlos.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie führen hier eine Erbsenzählerdebatte. Liebe Frau Kollegin Happach-Kasan, drei Viertel Ihrer Fragen laufen auf Erbsenzählerei hinaus beziehungsweise auf die Frage, wie man Rote Listen aufstellt. Im Umweltausschuss ging es in drei umfangreichen Diskussionen darum, wer die Roten Listen richtig aufstellt, ob das das Ministerium, das LANU oder vielleicht das Wildtierkataster oder die Universität in Saarbrücken richtig macht. Diese Diskussionen führen doch zu nichts, außer dass sich die Fronten verhärten und es zu einer Diskussion kommt, wie sie hier heute zum Teil stattgefunden hat. Das muss ein Ende haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir wollen hier nicht auf Unterabteilungsleiterniveau diskutieren, sondern auf hohem fachlichen Niveau. Der Minister hat Ansätze dazu gemacht

(Klaus Schlie [CDU]: Ansätze?)

auf den Naturschutztagen, wo ein Fachpublikum deutlich gemacht hat, dass das in Ordnung ist, was hier passiert.